Editorial
Editorial Ausgabe 78/Januar 2014, 1. Quartal
Liebe Leserin, lieber Leser!
Das Landwirtschaftsministerium hat das Regionalkonzept im September vorgestellt. Für die Hinwendung zu regionalen Produkten gibt es jetzt klare Vorgaben. Das Terrain Regional war bisher überwiegend von Bio besetzt. Ein weiteres Bio-Alleinstellungsmerkmal ist also verloren gegangen. Die Mehrwerte von Bioprodukten brökeln, wenn auch nur vordergründig. Wer aber schaut auf die Hintergründe?
Die Veganer kommen. Sie beschwören das Tierwohl und dass dem nicht mit Schlachtung gedient sei, egal wie unbemerkt das vor sich geht, für Tier und Mensch. Die Biolandwirtschaft braucht das Tier, so die Öko-Landwirte. Von den Veganern wird ihnen vorgehalten, dass es auch ohne geht.
Das beste Argument: Nur Wiederkäuer seien in der Lage, Gras zu verwerten und in Eiweiß umzuwandeln. Veganer kontern dennoch. Nachhaltiger sei Wald, wo jetzt Gras wächst, und pflanzliche Fette und Eiweiß seien eh besser als tierische.
Es ist zum Verzweifeln. Steht denn kein Bio-Pfeiler dauerhaft fest? Endlich kommt Bio aus der Körneresser-Fraktion heraus, weil auch qualitativ gute Bio-Fleischangebote sichtbar und damit alle Verbraucher angezogen werden. So etabliert sich Bio im Mainstream.
Im Oktober auf der Anuga war die Rettung der Böden und pilzwiderstandsfähige Rebsorten ebenso Thema wie die Sicherheit vor Bio-Betrug. Im Anuga-Bio-Kompetenzzentrum hat eine Expertenrunde gezeigt, dass Nachhaltigkeit oft mehr Marketing ist und nicht immer auch inhaltlich gelebt wird. Lesen Sie mehr in den Anuga-Messenachberichten in dieser bioPress Ausgabe.
Die Anuga ist in den vergangenen zwölf Jahren eine Entwicklung mit Bio als zentralem Thema mitgegangen. In Köln wird Bio nicht nur als ein Trend gesehen, den man mal so nebenbei als Showbühne nutzt. Es wurden Strukturen geschaffen, die Bio im Angebot fest verankern.
Zuerst hat der deutsche Handel darauf reagiert und sein Bioangebot in vielerlei Hinsicht verändert. Jetzt reagieren auch weitere Marktplätze und integrieren Bio wie die Kölner. Aktuell treiben die Verbraucher und das internationale Interesse das Biowachstum auch ohne die Berliner Regierungspolitik.
Die gute Nachricht: Bio-Obst und -Gemüse boomt. Die Landwirte folgen den Wünschen der Verbraucher. Sie haben verstanden, dass Agrar-Chemie vom künstlichen Dünger bis zu Pestiziden, Fungiziden und Herbiziden und zuletzt GVO, nicht dem Menschen dient, sondern überwiegend den Kapitalinteressen.
Auf der Fruit Logistica, weltgrößte Obst- und Gemüsemesse in Berlin, wird diese Entwicklung Anfang Februar wieder eindrücklich zu erleben sein. Mehr als 420 Aussteller haben Bioangebote im Gepäck. Der Anteil liegt - geschätzt - bei 20 Prozent.
Und die Biofach-Messe zeigt den stetigen Wandel im Biohandel. Die Regionalmessen binden viel Anbieter-Power für den Fachhandel, die daher vielfach in Nürnberg fehlen. Dennoch bleibt die Zahl der Aussteller ungebrochen hoch. Es verändert sich also einiges. Wer neugierig ist auf das Neue, muss zur Biofach und sich Zeit für die Messe und deren Themen nehmen.
bioPress feiert im Herbst 2014 das 20jährige Jubiläum und beginnt das Jahr mit dem Start eines neuen Projekts. Ein Ökopionier aus den Achtzigern hat mit uns zusammen Ende der neunziger Jahre die Bio-Kriterien für die Biofach erarbeitet und der Messe damit zu einer Alleinstellung verholfen.
Jetzt suchen wir, wieder gemeinsam, die Hidden Champions der Biobranche und untersuchen deren Erfolgstrategien. Am bioPress Stand in Halle 6 / 411 finden mögliche Bio-Marktführer Teilnahmebögen, viele weitere Informationen und Gesprächspartner zu dem Projekt und Strategieberatung zur Marktentwicklung.
Teile des weltweiten Bio-Rohstoffanbaus kommen ins Stocken. Kakaoanbau sei durch nachhaltige Anbaumethoden ertragreicher ohne die Erschwernis, die Bio erfordert. Nachhaltigkeit wird dabei von den herkömmlichen Industrieinteressen dekliniert.
Aber was soll’s, wenn es doch funktioniert? Und Grüne wie Joschka Fischer verbreiten: Besser den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Der Handel schafft sich damit (s)einen Mehrwert, der weder Bauern und Verbrauchern noch der Ökologie wirklich dient.
Die Biobranche muss kämpferisch bleiben, sie kann sich nicht ausruhen, so wenig wie andere Wirtschaftszweige. Sie ist stark genug, die nachhaltigen Werte unverwässert weiter wirken zu lassen.
Erich Margrander
Herausgeber
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