Start / Ausgaben / BioPress 77 - Oktober 2013 / Bochum liebt Bio-Käse

Bochum liebt Bio-Käse

Karsten Buhr betreibt im Biokauf die längste Bio-Käsetheke Deutschlands

„Du bist keine Schönheit“, hat Herbert Grönemeyer seine Heimatstadt Bochum besungen. Das mag auch für den Biokauf gelten. Der schmucklose Bio-Supermarkt beherbergt eine der größten Bio-Käsetheken der Republik mit zwölf Meter Länge. Diese Mammut Bio-Käsetheke betreibt Karsten Buhr als Shop-in-Shop. Der Chef steht selbst hinter der Theke und beschäftigt noch Fachverkäuferinnen. Anders ist der Ansturm am Wochenende und vor Feiertagen nicht zu bewältigen.

Käse muss man können. Karsten Buhr betreibt Bio-Käse Bochum seit 2004 mit Leidenschaft. Die Anfangsfehler hat er hinter sich. Mit einer digitalen Waage ist er auch technisch auf dem neuesten Stand und betreibt die Käse-Theke mit EDV-Unterstützung.

Per Laptop kann er Produkt-Informationen eingeben und bei Kundenfragen in der Datenbank nachforschen. Auf dem Kassenzettel können Rezepte ausgedruckt werden. Die moderne Technik unterstützt den Verkauf.

Mehr als 800 Käse sind im Warenwirtschaftssystem der Waage gespeichert. „Es sind nie alle gleichzeitig am Start“, sagt der Betreiber. Das Sortiment wechselt je nach Jahreszeit. Über Sommer führt Buhr ein reduziertes Sortiment von 300 Produkten. Das ist schon eine riesige Auswahl. Aus 500 Bio-Käsen kann der Kunde in der Hochsaison im Winterhalbjahr auswählen.

Grillspaß mit Käse

In der warmen Jahreszeit sind Frischkäse gefragt. Buhr macht selbst Zubereitungen mit Bärlauch, Schnittlauch, Paprika usw. Bio-Grillkäse wird im Sommer ebenfalls verstärkt abgesetzt. „Feta ähnliche Molkekäse sind zum Grillen geeignet. Fettarm müssen sein“, sagt der Chef.

Der griechische Bio-Manouri und der zypriotische Halloumi können auf den Rost gelegt werden. Sie werden aus Schaf-, Ziegenmilch oder einer Mischung aus beiden gekäst.

Buhr hat noch einen Tipp parat: „Den Käse panieren und dann auf den Grill legen.“ Camembert in der Spanschachtel, oben offen, lässt sich ebenfalls grillen. „Ich habe einen großen Vegetarier-Anteil in der Kundschaft. Die kommen und fragen nach Grillkäse.“ Auch Parmesan wird im Sommer viel gekauft als Zutat für schnelle, leichte Gerichte.

„Im Herbst, wenn die Temperaturen fallen, greifen die Kunden wieder zu kräftigeren Käsen“, weiß der Käsespezialist. Gereifte Sorten wie Bergkäse wandern da in den Einkaufskorb. Im Winter gehen Raclette und Fondue-Käse wie Bio-Greyerzer und -Emmentaler gut. „Mit den gereiften Käsen essen sich die Leute ihr Winterfett an“, scherzt Buhr.

Das ändert sich dann auch wieder schnell: „Nach Silvester können sie keinen Raclette Käse mehr verkaufen. Der liegt wie Blei in der Theke.“ Im Frühling gehen die Leute dann zum fettarmen Käse über. Der Winterspeck wird wieder abgeschmolzen.

2004 als Buhr mit Bio-Käse in Bochum begann, präsentierte er auf ganzen Laiben kleinere Stücke. „Das animiert zum Kauf. Da braucht man aber eine Unmenge Käse für die Bevorratung und produziert Verlust.

„Das mit dem ganzen Laib mache ich nicht mehr“, erläutert er. Vakuumierte Stücke bestellt er. Ein Viertel eines 45 Kilo Comté Rades sind immer noch elf Kilo. Die halben und viertel Laibe liegen in der Theke. Davon werden kleinere Stücke abgeschnitten, die die Kunden gleich mitnehmen können.

„150 bis 200 Gramm Stücke sehen schön aus. Das Auge kauft“, sagt der Käsehändler. Vorgeschnitten ist eine Kunden-Anforderung. „Viele Verbraucher haben keine Zeit, da muss es schnell gehen“, erläutert er.

Ein großer Teil der Thekenware wird geschnitten verkauft. „Scheiben schneiden gibt Verlust. Käse sind nun mal rund geformt“, bemerkt Buhr. Außerdem trocknen Scheiben schnell aus, bleiben also nicht lange frisch. Der Fachmann rät dem Kunden zum Stück.

Schimmel-Problem muss nicht sein

Schimmel muss bei Käse kein Problem sein: „Das ist die Folge unsauberer Arbeit. Das Berühren  mit  den Fingern an den Schnittstellen muss ich als Verkäufer vermeiden.“ Angefasst werden darf er nur an der Rinde.

Die Käsemesser haben verschiedene Farben, blau für Blauschimmel, rot für Rotschmiere, weiß für Weißschimmel. Das verhindert das Übertragen der Kulturen. Die abgeschnittenen Stücke werden dann mit der Folie oder dem Papier in die Hand genommen. Nach dem Schneiden in Scheiben fasst das Personal den Käse mit einem Metallgreifer an.

Hauptverkaufstage sind Freitag und Samstag mit 150 Kunden pro Tag. Den Andrang kann Buhr allein nicht mehr bewältigen, da braucht er Personal. „Für Beratung bleibt da nicht viel Zeit. Die Kunden wollen nicht warten“, fährt er fort.

Buhr kennt seine Kunden. Sei­ne älteste Kundin singt im Gesangverein namens Rotkehlchen. Ein Rotkehlchen ist deshalb Motiv für einen Werbeaufkleber. Seine jüngste Kundin, ein Kind, hat ein Käse-Bild für ihn gemalt. Daraus hat Buhr ebenfalls einen Aufkleber machen lassen.

Bio-Käse Bochum ist ein persönliches Geschäft. Auch Promis wie Fernseh-Schauspieler Dietmar Bär, bekannt als Tatort-Kommissar, schätzen die Atmosphäre und kaufen dort ein.

Buhr in Käsegilde aufgenommen

Im Feinschmecker Käse-Führer ist die Theke verzeichnet. Der Inhaber ist Mitglied bei Slow Food. Dort hat er schon über Käse-Lagerung referiert. 2008 hat ihn die Guilde de Fromageres (Käse-Gilde) als Mitglied aufgenommen.

Um die Mitgliedschaft kann man sich nicht bewerben. Die Gilde beruft ihre Mitglieder selbst. Buhr bekam eine Auszeichnung für seine Verdienste um den französischen Rohmilchkäse. Natürlich liegen die Bio-Geschmackswunder aus Frankreich in der Bochumer Theke.

Die europäischen Nationen sind vertreten. Die bekannten holländischen Hersteller Bastiaansen, Hekking und Hoidamer sind in der wichtigen Gruppe Schnittkäse vertreten. Der meistverkaufte ist der Bio-Gouda.

Der Holländer ist ein Dauerbrenner. Der junge Gouda ist der typische Angebotskäse. „Da verdiene ich aber nichts dran“, macht Buhr deutlich. Ein Bergkäse der Käserebellen aus Vorarlberg ist unter den ersten drei Verkaufshits.

Aus Deutschland sind Weißenhorner bei Frischkäse dabei. Andechser Mondscheinkäse ist ein Dauerbrenner im Verkauf. Die Söbbeke Käse aus NRW mit so poetischen Namen wie Wilder Bernd und Schwarzer Wenzel und Grienkenschmied werden in Bochum verkauft.

Einen Schwarzen Wenzel reift Buhr gerade selbst für einen Kunden. Von 5,2 Kilo auf zwei Kilo ist der Laib in einem Jahr geschrumpft. Backenholzer zählt zu den bekannten Bio-Namen in der deutschen Käselandschaft. Aus dem Osten hat die Gläserne Meierei in der Bio-Käsetheke im Ruhrgebiet mit Demeter-Käse einen Platz. Baldauf Wildblumenkäse  aus dem Allgäu gehört zum Sortiment.

Die dänische Thise Mejeri hat auch den Sprung zu Buhr geschafft. Spanien ist mit Manchego, dem berühmten Schafskäse, bei den Spezialitäten vertreten. Selbst englische Käse haben ihren Platz.

Ziegenkäse immer beliebter

Bio-Ziegenkäse ist ein Aufsteiger. Die Käse können oft bei Laktose-Unverträglichkeit gegessen werden. „Ziegenkäse hat zwischenzeitlich eine große Fangemeinde.“ Der Monte Ziego Frischkäse aus dem Schwarzwald hat sich hier einen Namen gemacht in den vergangenen Jahren.  

Die Käse-Köstlichkeiten bezieht Buhr von Bio-Käsespezialitäten Stöver in Wermelskirchen, Schilcher Käse, Jürgen Würth und Dennree. Stöver hat einige Schweizer Käse exklusiv in Deutschland wie den Suferser und Solügener.

Die Fachgroßhändler leisten gute Arbeit, sind sehr professionell und haben Spaß am Produkt. Der Naturkost-Vollsortimenter zeigt weniger Respekt vor dem Handwerk der Käser. Da gibt es schon Transportschäden, weil Käse gequetscht werden von schwererer Ware, die beim Kommissionieren oben drauf gelegt wird.

Rund eine Viertelmillion setzt Buhr mit seiner Käsetheke im schmucklosen Biokauf in Bochum um pro Jahr. „Das ist gegen alle Normen. Aber wir schreiben gute Zahlen“, teilt Buhr mit. Eine zwölf Meter Bio-Käsetheke passt eher in die Landeshauptstadt Düsseldorf am Rhein als in die Arbeiterstadt Bochum im Ruhrgebiet.

Anton Großkinsky

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