Soja
Bei Milchersatzgetränken ist Kundenzuwachs garantiert
Die legendäre CMA hat mit ihrer eindringlichen Werbung für Agrarprodukte offenbar eines erreicht: Milch ist in den Köpfen der Verbraucher ein unverzichtbares Lebensmittel. Anders ist nicht zu erklären, warum auch diejenigen, die Milch aus unterschiedlichen Gründen nicht vertragen, zu Milchersatzgetränken greifen. Vegetarier und Veganer sowie Gesundheits- und Umweltbewusste gehören ebenfalls zum Kundenkreis. Der Markt für Soja-, Hafer-, Reis-, Dinkel- Hirse- Gerste- und Mandelgetränke boomt und der Handel kann davon profitieren.
„Milchersatzprodukte können für Milchallergiker und Menschen mit Laktoseunverträglichkeit hilfreich sein“, sagt Stefan Weigt, Ernährungswissenschaftler des Verbandes Unabhängige Gesundheitsberatung (UGB). Aus Sicht der Vollwert-Ernährung handele es sich bei Milchersatzgetränken aber um verarbeitete Produkte, die für einen gesunden Menschen nicht erforderlich seien.
Die „Milchersatzpanik“, die in Deutschland ausgebrochen sei, fuße nur in einem Teil der Fälle auf Laktose-Intoleranz. „Tatsächlich vertragen rund 15 bis 22 Prozent der Menschen in Deutschland keinen Milchzucker.
Doch viele Verbraucher glauben, dass es ihnen durch das Weglassen der Milch besser gehe und schließen manchmal voreilig auf einen Lactasemangel. Die wenigsten unterziehen sich einem qualifizierten Test, um Gewissheit zu haben. Ohne sichere ärztliche Diagnose gibt es aber keinen Grund, auf Milchersatzprodukte auszuweichen“, so Weigt.
Über 17 Prozent Zuwachs im Naturkostfachhandel
Ob Milchersatzgetränke notwendig sind oder nicht – fest steht, dass sie zunehmend nachgefragt werden. So konnten die Marken Provamel, Marktführer im Bereich pflanzliche Bio-Milchalternativen, und Alpro, laut Nielsen mit 38 Prozent Marktanteil in Europa Spitzenreiter im konventionellen Bereich, 2012 jeweils ein zweistelliges Wachstum verzeichnen.
„Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die beiden Marken den Markt mitgestalten“, sagt Ralf Hoppe, der für den Vertrieb von Provamel in den DACH-Ländern zuständig ist.
Für den Vertriebsweg Naturkostfachhandel bestätigen Zahlen des bioVista-Handelspanels das außerordentliche Wachstum: „Der Umsatz mit Milchersatzgetränken ist von 2010 bis 2012 um über 17 Prozent gestiegen, der Milchumsatz dagegen nur um 4,6 Prozent“, teilt Panel-Experte Fabian Ganz auf Anfrage von bioPress mit. Unterschiede gebe es auch bei den Preisen: Ein Milchartikel kostete 2012 im Fachhandel im Durchschnitt 1,17 Euro, ein Milchersatzgetränk 1,99 Euro.
Bei den Preisen ist die unterschiedliche Mehrwertsteuer zu berücksichtigen. Da Milchersatzgetränke laut Bundesfinanzhof nicht als Milch- oder Milchmischgetränke gelten, denen der ermäßigte Steuersatz vorbehalten ist, sind 19 statt 7 Prozent Steuer enthalten. Ein Ersatzprodukt, das teurer ist als das Original, müsste eigentlich schwer zu verkaufen sein.
Produkte in einem konkreten Verwendungszusammenhang zeigen
Um den Abverkauf zu fördern, empfiehlt Hoppe attraktive Platzierungen im Milchregal. Durch Zweitplatzierungen habe Provamel ebenfalls ein gesteigertes Interesse an Milchersatzprodukten festgestellt: „Ob in einem Frühstückskontext, verbunden mit einem Gewinnspiel oder mit einer besonderen Deko – diese Art der Warenpräsentation lädt zum Verweilen ein und zeigt die Produkte in einem konkreten Verwendungszusammenhang.“
Verkostungen seien ebenfalls ein hervorragendes Instrument, um Kunden von den Produkten zu überzeugen. Sie müssten nicht aufwendig sein. Eine Kanne, aus der sich der Kunde etwas in ein Becherchen abfüllen kann, könne hilfreich sein, ggf. vorhandene Geschmacksbarrieren zu überwinden. Absolut wichtig sei zudem ein gut informiertes und geschultes Personal.
Verkaufsargumente: Gesundheit, Geschmack, Ethik und Umwelt
Das Personal muss sich im Prinzip auf vier Kundentypen für den Verkauf von Milchalternativen einstellen:
- Kunden mit Laktoseintoleranz, die gezielt nach laktosefreien Produkten suchen
- Kunden, die Abwechslung in ihren Speiseplan bringen wollen und geschmackvolle Alternativen suchen
- Kunden, die aus ethischen Gründen auf tierisches Eiweiß verzichten wollen
- Kunden, die durch die Auswahl ihrer Lebensmittel zum Umweltschutz beitragen wollen
Milch wird als Lebensmittel vor allem wegen ihres Kalzium-Gehaltes für unverzichtbar gehalten. Bei Milchersatzgetränken ist deshalb oftmals Kalzium zugesetzt, um der Ersatzfunktion gerecht zu werden. Aus Sicht der Vollwert-Ernährung kann auch der tägliche Konsum von Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und kalziumreichem Mineralwasser die Versorgung sicherstellen.
Stefan Weigt verweist darauf, dass die Ausscheidung von Kalzium bei hohem Fleischverzehr steige. Wer sich dagegen vegetarisch oder vegan ernährt, scheide deutlich weniger von diesem Mineral aus.
Als Kalziumquelle dient den Produzenten von Milchersatzgetränken eine Rotalge, die nach dem Absterben zum Meeresboden sinkt und mineralisiert. Durch sie sei sichergestellt, dass Kinder, die Kuhmilch nicht vertragen und Obst und Gemüse sowie Mineralwasser nicht sehr aufgeschlossen gegenüberstehen, ausreichend Kalzium zu sich nehmen.
Viel Eiweiß, wenig Fett, kein Cholesterin
Bei Kunden, die unter Laktoseintoleranz oder Milchallergien leiden, verkaufen sich die Milchalternativen praktisch von selbst. Die derzeitige Popularität von Milchunverträglichkeiten dürfte dazu führen, dass sich dieser Kundenkreis durch Selbstdiagnose oder ärztliche Tests noch vergrößert. Ein Kundenzuwachs ist dadurch praktisch garantiert.
Auch denjenigen, die Probleme mit einem zu hohen Cholesterinspiegel haben, können Milchersatzgetränke angeboten werden. Diese sind wie alle pflanzlichen Produkte cholesterinfrei.
Positiv zu bewerten ist auch der im Vergleich zur Vollmilch geringere Fettgehalt (2,1 bis 2,2g/100 Gramm) von Sojadrinks, wobei es sich dabei sogar noch überwiegend um ungesättigte Fettsäuren handelt, die als positiv für das Herz-Kreislaufsystem eingestuft werden. Haferdrinks (1,5 g/100 g Fett) und Reisdrinks (0,1-0,2 g/100 g Fett) schneiden sogar noch besser ab. Beim Eiweißgehalt ist das Gefälle vom Sojadrink zum Reisdrink ähnlich (3,6 g/100ml bis 0,2 g/100ml), so dass je nach Eiweißbedarf ausgewählt werden kann.
Exoten mit besonderen Eigenschaften
Eiweißarm und glutenfrei ist der Bio-Mandeldrink, den Provamel mit Mandeln aus Spanien und Italien anbietet. Einen Mandeldrink gibt es auch von Dr. Ritter. Der Swiss Cereal Drink Hirse hat offenbar noch keine Nachahmer gefunden. Die Schweizer bieten auch einen Gerste-Drink an. Gerste fördere nachhaltig die Milchbildung bei stillenden Müttern und unterstütze den Stoffwechsel, heißt es in einer Werbeschrift der Firma. Ein aus Gerstenmehl hergestellter Brei habe bereits den alten Griechen in jedem Lebensalter Kraft und Ausdauer gegeben.
Als „perfekte Verbindung“ von Getreide (Hafer und Reis) und Hülsenfrüchten (Soja) zu einem leichtverdaulichen Energie- und Proteinspender bewirbt Natumi seinen Cereals & Soy Drink. Die Kombination Getreide und Hülsenfrüchte führe zu einer optimalen Aufnahme der Proteine, da die lebenswichtigen Aminosäuren von Hafer und Soja einander perfekt ergänzten. Der Reis liefere die richtigen (langsamen) Kohlenhydrate.
Verschiedene Geschmacksnoten erleichtern den Einstieg
Für diejenigen, die sich mit dem Geschmack von Milchersatzgetränken in ihrer Urform nicht so recht anfreunden können, bieten die Hersteller Varianten meist mit Vanille- und Schokogeschmack an. Bei Provamel sind auch Erdbeer und Banane zu finden. Natumi, im Naturkostfachhandel die Nummer zwei, hat einen Dinkeldrink Mandel im Angebot, Lima einen Reisdrink Haselnuss-Mandel. Soyana bietet bei seinen Soja-Drinks die Geschmacksrichtungen Mandel und India Chai an.
Umweltbilanz im Vergleich zur Kuhmilch positiv
Provamel sieht den größten Vorteil bei der Produktion von Milchersatzgetränken, dass auf einen wichtigen Schritt verzichtet wird: das Tier. Anstatt Soja oder Getreide für die Milch- und Fleischproduktion zu verfüttern, werde es direkt zum Endverbraucherprodukt verarbeitet. Dabei werde deutlich weniger Wasser verbraucht und CO2 freigesetzt. Bei der Beschaffung der Rohstoffe werde darauf geachtet, wo sie auf natürliche Weise wachsen und wo der ökologische Fußabdruck möglichst gering ist.
Die Sojabohnen bezieht Provamel aus Kanada und China, Reis aus Italien und Hafer aus Deutschland und Skandinavien. Dort ist auch der schwedische Hersteller Oatly aktiv, der auf Haferdrinks spezialisiert ist und sie erfolgreich im Naturkostfachhandel verkauft.
„Statt die Produkte auf dem Weltmarkt zu kaufen, bauen wir langfristige Beziehungen zu kleinen lokalen Landwirten auf“, sagt Provamel-Vertriebsleiter Hoppe. Der Nachhaltigkeitsgedanke beinhalte auch faire Löhne, angemessene Unterbringung und sichere Arbeitsbedingungen.
Der Gefahr von gentechnischen Verunreinigungen werde durch ausreichenden Abstand zu Flächen, auf denen gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden, begegnet. Natumi hat mit Italien und Frankreich auch europäische Soja-Rohstoffquellen.
Fast alle Milchersatzgetränke gibt es nur in Tetra Pak-Gebinden, die Schutz vor Sonnenlicht und luftdichte Verschlüsse garantieren. Überwiegend wird in 1-Liter-Gebinde abgefüllt, einige Hersteller bieten auch kleinere Tetra Paks an. In Flaschen wird nur Bruno Fischers Sojadrink Natur angeboten.
Vielfalt im Fachhandel größer als im LEH
Die Produktionsanlagen für Milchersatzgetränke, die auf dem deutschen Markt zu finden sind, lassen sich an einer Hand abzählen. Deshalb produzieren Markenhersteller auch Eigenmarken für Handelsketten und Discounter, zum Beispiel Mona Naturprodukte aus Wien für Aldi Süd und Natumi für Aldi Nord und Alnatura.
Während das Angebot an Bio-Milchersatzgetränken im Fachhandel durch Marken wie Provamel, Natumi, Oatly, Lima, Soyana Swiss Drink, Bruno Fischer, Martin Evers, Soyatoo, Viana, Dr. Ritter sowie die Handelsmarken Dennree und Alnatura vielfältig ist, ist das Bio-Angebot im LEH/SEH eher überschaubar. In dem sonst von internationalen Konzernen dominierten Markt hat sich ausgerechnet dort ein echter Familienbetrieb zu einem der Marktführer entwickelt: Berief Feinkost
Berief Feinkost sorgt für Bio-Milchersatz im LEH
Seit 30 Jahren stellen die Beckumer Produkte auf Soja-Basis her, neben Soja- und Getreidedrinks auch Tofu, Sojadesserts sowie Frischprodukte auf Tofubasis. Sohn Marcus Berief hat inzwischen die Geschäftsführung übernommen. Beliefert wird ausschließlich der LEH mit der Marke Sojafit. Auch im Private Label-Geschäft ist das Unternehmen aktiv. Eine eigene Marke für den Naturkostfachhandel sei nicht geplant, der Markt dort sei gesättigt, sagt Key Account Managerin Helga Dreesen.
Alle Neuprodukte werden inzwischen in Bio-Qualität entwickelt. Konventionelle Soja-Bohnen verarbeite der Betrieb nicht, so dass keine Kreuzkontaminationen mit gentechnisch veränderten Bohnen möglich seien. Herstellung, Abfüllung und Verpackung erfolge im eigenen Haus. Soja werde bevorzugt in der EU eingekauft, und Bio-Bauern in Deutschland unterstütze das Unternehmen beim Soja-Anbau. Die herausragenden Kreationen bei den Sojadrinks sind die Varianten mit Eiscafé- oder Cappuccino-Geschmack.
Milch ohne Laktose im Wettbewerb mit Milchersatzprodukten
Vermeintlich und tatsächlich Laktose-Intolerante greifen auch zum Konkurrenzprodukt, zu laktosefreier Milch. Sie hat die beschriebenen Eigenschaften der Milchersatzgetränke nicht, weil sie ein tierisches Produkt ist. Am bekanntesten ist die Marke MinusL, die im Jahr 2001 in Deutschland auf den Markt gebracht wurde und damals die erste Marke für laktosefreie Milchprodukte war.
Inzwischen umfasst das MinusL-Sortiment neben Mopro auch weitere Kategorien wie Tiefkühlkost, Feinkost und Süßwaren. „Wir sind seit dem Start der Marke Marktführer in Deutschland und haben mit über 80 Produkten mit Abstand das größte laktosefreie Sortiment“, sagt Sabine Kramer, zuständig für Marketing beim Hersteller Omira in Ravensburg. Allerdings gibt es die Produkte nicht in Bio-Qualität. Laktosefreie Bio-H-Milch bieten zum Beispiel die Molkerei Söbbeke oder Heirler an.
Horst Fiedler