Start / Ausgaben / BioPress 73 - November 2012 / Deutsche Obstbauern sind gefragt

Deutsche Obstbauern sind gefragt

Bio-Molkerei Söbbeke arbeitet nachhaltig und regional

Der Begriff Nachhaltigkeit wird von Unternehmen vielseitig genutzt in der Werbung. Energieeffizienz beim Gebäude kann jeder bei einer Neuinvestition. Eine Bio-Molkerei im Münsterland nahe der niederländischen Grenze mit 140 Mitarbeitern bringt Nachhaltigkeit auf der ganzen Linie von der Rohmilch bis zum Jogurtbecher ins Regal. „Wir bemühen uns nicht nur, wir leben Nachhaltigkeit“, bringt es Geschäftsführer Paul Söbbeke auf den Punkt.

Vor drei Jahren überlegten Geschäftsführung und Marketing der Bio-Molkerei Söbbeke, ob es möglich sei, noch regionaler zu arbeiten. Die Bio-Milch kommt aus dem Nordwesten Deutschlands, ist also ein regionales Produkt. Die Früchte für den Jogurt stammen aus der ganzen Welt.

Jetzt versuchten die Einkäufer regionales Bio-Obst zu beschaffen. Die Idee der Jogurt-Linie deutsche Obstbauern war geboren. Zuerst ist die Bio-Molkerei im Alten Land südlich von Hamburg fündig geworden. Beim Stichwort Altes Land fallen einem Apfel und Birne ein. Genau mit dieser Sorte ging der Jogurt deutsche Obstbauern ein Jahr später an den Start. „Nach zwei Jahren können wir sagen, es ist erfolgreich“, betont Vertriebsleiter Klaus Frericks.

Wenig deutsches Bio-Industrieobst 

„50 Tonnen Früchte von den Feldern deutscher Obstbauern wanderten 2011 in die Jogurt-Becher. Die Bio-Molkerei hat das Thema angestoßen. Hersteller aus anderen Branchen sind hellhörig geworden. Söbbeke hat hier eine deutsche Welle initiiert.

Deutsche Obstbauern Jogurts enthalten neben der regionalen Milch Rübenzucker aus Deutschland statt dem in der Bio-Branche üblichen Rohrzucker aus Übersee. Bio-Äpfel werden vom Alten Land und Bodensee beschafft. Die Holunderbeeren kommen aus der Eifel, Kirschen und Johannisbeeren von der Insel Rügen, Stachelbeeren aus Sachsen-Anhalt, Erdbeeren aus Westfalen. Das Konzept funktioniert. Handel und Kunden akzeptieren das Produkt.

Deutsche Obstbauern starteten mit drei Sorten im 400-Gramm-Becher. Die Verpackung erklärt das Produkt. Eine Herkunftsgarantie ist aufgedruckt, ohne Aromazusatz wird ausgelobt, Bioland-Zeichen und EU-Bio-Siegel bürgen für Qualität. Inzwischen sind drei Sorten im 150-Gramm-Becher dazugekommen. Hier erklärt die Verpackung durch den aufgedruckten QR-Code, der führt via Mobil-Telefon ins Internet zu den Infos.

Marktführer bei Bio-Jogurt

Söbbeke ist national vertreten im Naturkostfachhandel. Die Großhändler liefern die Bio-Molkereiprodukte im ganzen Land an 2.300 Fachgeschäfte aus. 1.500 Mal ist die Marke mittlerweile im Selbstständigen Einzelhandel (SEH) präsent, Tendenz steigend.

„Nur Fachhandel können wir nicht mehr durchhalten, sonst bleiben wir in einer Nische. Im Milchbereich gibt es keine exklusiven Lieferanten mehr“, erläutert Söbbeke. Das Unternehmen ist im Naturkostfachhandel Marktführer bei Jogurt und SB-Käse.

„Im SEH sind wir natürlich nicht so breit vertreten. In einem Bio-Supermarkt stehen 30 und mehr Produkte, in einem Edeka-Markt fünf bis zehn Artikel von uns“, erklärt Vertriebsleiter Frericks. „Wenn wir ein neues Produkt auf den Markt bringen, steht es im Fachhandel sofort im Regal, im SEH nicht“, macht Söbbeke die Unterschiede deutlich.

Zentrale Listungen hat die Bio-Molkerei keine. Selbstständige Händler werden über den Außendienst oder Großhändler akquiriert und über Strecke beliefert. Der Markt dort ist anders: „Ein Produkt das im Fachhandel läuft, funktioniert nicht unbedingt im SEH. Dort ist ganz stark der Becher gefragt“, ergänzt er. Dieses Gebinde hat der Supermarkt-Kunde eben gelernt.

Der Supermarkt steht im Verdacht, ein Preisverderber zu sein. Diese Befürchtung hat sich bei Söbbeke nicht bestätigt. „Die meisten folgen unserer Preisempfehlung, teilweise gehen sie sogar darüber“, hat Vertriebsleiter Frericks erfahren. Verschenken von Bio-Artikeln ist eben nicht das Geschäftsprinzip des SEH.

Söbbeke Jogurt ist ein Premium-Produkt. Der 150-Gramm-Becher kostet den Verbraucher 79 Cent. „Den Leuten wird immer wieder vorgegaukelt, dass sie für 19 Cent etwas im Wert von 79 Cent bekommen können“, meint Söbbeke.

Das Unternehmen zählt zu den wenigen reinen Bio-Molkereien. Mit 50 Millionen Liter Milch pro Jahr zählt es in der Branche zu den großen. Konventionelle Molkereien verarbeiten allerdings mindestens 500 Millionen Liter, um rentabel zu sein. Arla, Campina und Humana heißen seine konventionellen Nachbarn. Gegen diese Riesen ist die Bio-Molkerei in Epe ein Milchzwerg. „Wir wachsen weiter. Unsere Bauern stocken jedes Jahr auf“, so Söbbeke.

Die Kühe der 165 Bio-Milchlieferanten stehen in Nordrhein-Westfalen und in Niedersachsen. Die Bio-Milch wird zu 150 Produkten verarbeitet. Das bedeutet eine ungeheure Vielfalt. Ein Drittel der Milch wird in der nahegelegenen Käserei zur gelben Linie verarbeitet. In Basis-Milchprodukte fließen zehn Prozent der erfassten Menge. Fünf Prozent wandern in Großverbraucher-Gebinde. Mehr als die Hälfte wird zu Jogurt und Desserts.

Basis-Produkte wie Bio-Frischmilch werden nur regional vertrieben. „Die fahren wir nicht nach Bayern“, sagt Söbbeke. Die Bio-Milch ist natürlich in der hochwertigen Glasflasche und wird  nicht homogenisiert wie leicht an der Rahmschicht am Flaschenhals zu sehen ist. Söbbeke pasteurisiert nur. Die  ESL-Technik für längere Haltbarkeit setzt er nicht ein.

„In der Region sind wir ein Bio-Lieferant für die volle Breite des Sortiments. National beschäftigen wir uns mit unseren Kernkompetenzen Jogurt, Desserts und Käse“, macht Söbbeke klar. Dafür verarbeitet die Molkerei ausschließlich Bio-Milch und veredelt die Produkte zu Genuss-Produkte.

Söbbeke steht zum Glas

Ein Unternehmen wandelt sich stetig. Bei der Bio-Molkerei Söbbeke in Epe im Münsterland hat sich in den vergangenen zwei Jahren einiges geändert.  „Wir haben einen siebenstelligen Betrag in eine komplett neue Glasanlage investiert“, erzählt Geschäftsführer Paul Söbbeke bei einem Gang durch die Produktionshallen.

Die neue Anlage beschleunigt den Ablauf. „Wir haben uns spezialisiert auf kleine Mengen und sehr viele Sorten“, erklärt Söbbeke. Das bedeutet viele Wechsel in der Produktion mit Stillstand. Die neue Anlage bewältigt den Wechsel von einem Produkt auf das andere sehr viel schneller. Ein Plattenteller am Ende der Produktionsstraße schafft einen Puffer.

Wenn ein Teil der Anlage gestoppt wird, zum Beispiel wegen Etikettenwechsel, können die fertigen Gläser weiterlaufen zum Plattenteller. Die Hälfte der Menge wird bei Söbbeke im Glas abgefüllt.: „Wir setzen auf Glas. Das Material ist geruchsneutral und kann recycelt werden“. Seit 4.000 Jahren wird das Material  von Menschen benutzt.

Neben der Glasanlage arbeitet eine Becher-Anlage, auf der jährlich zirka 60 Millionen Becher produziert werden. Söbbeke setzt hier auf den umweltfreundlichen 3-Kompenenten-Becher, der einfach zu recyceln und dünnwandiger ist und daher leichter als der herkömmliche Becher.

Für die nötige Festigkeit der Becherwand sorgt dann der variabel bedruckbare Papierkragen. Dennoch werden bei der Linie Joghurt auf Frucht durch Herstellung und Transport 130 Tonnen CO2 ausgestoßen. 

Die Molkerei schafft durch Aufforstung einen Ausgleich. Bei Heemsen in Niedersachsen setzte Geschäftsführer Söbbeke die ersten von 20.000 Buchen auf einer drei Hektar großen Ackerfläche. Der Wald bindet pro Jahr 30 Tonnen CO2.

Nachhaltigkeit ist in der Molkerei Unternehmensprinzip. „Nachhaltigkeit heißt für Söbbeke, mitzuarbeiten und teilzuhaben an einer Gesellschaft, die eine dauerhaft zukunftsfähige Entwicklung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Dimensionen menschlicher Existenz sicherstellt“.

Söbbeke hat auch den Stempel des TÜV Rheinland nach dem ZNU-Standard des Zentrum für nachhaltige Unternehmensführung der Universität Witten. Der TÜV kommt jährlich und prüft die Kriterien. Die so sicher gestellte Transparenz in den Nachhaltigkeitsaktivitäten wird entlang der gesamten Wertschöpfungskette nachweisbar und glaubwürdig.

Anton Großkinsky

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