Start / Ausgaben / BioPress 63 - Mai 2010 / Die Mühle von Antersdorf

Die Mühle von Antersdorf

Betreiber Johann Priemeier ist auf Expansionskurs

Seit 35 Jahren ist die Antersdorfer Mühle in Simbach am Inn in der Bio-Branche tätig und mit dem Bio-Markt gewachsen. Aus einer Dorfmühle ohne Zukunft in einer industrialisierten Landwirtschaft hat sich bis heute ein regionaler Lieferant für biologische Mühlenprodukte entwickelt. Inhaber Johann Priemeier will nun den Vertrieb ausdehnen und das Unternehmen auf breitere Beine stellen. Mit dem Auftritt auf der Anuga 2009 wurden die Weichen für die Vertriebsschienen Großverbraucher, Export und selbstständiger Einzelhandel (SEH) gestellt. Die Antersdorfer Mühle in Bayern am Inn ist Mitglied beim Anbauverband Biokreis und bei Naturkostgroßhändlern im süddeutschen Raum vertreten.

Seit mehr als 100 Jahren wird die Antersdorfer Mühle von der Familie Priemeier betrieben. Inhaber Johann Priemeier trat nach der mittleren Reife in die Fußstapfen seines Vaters und erlernte das Handwerk des Müllers. Damals hatten sich Alternative aus der Großstadt aufs Dorf zurückgezogen und betrieben ökologische Landwirtschaft.

Eines Tages fuhr in der Mühle ein bunt bemalter VW-Bus mit drei Säcken Hafer beladen vor. „Ein bärtiger Outlaw“ fragte den jungen Priemeier, ob er ihm Flocken daraus machten könnte. „Ich habe den Auftrag angenommen. Das Produkt war allerdings voller Spelzen und ungenießbar“, erinnert sich der Müller-Meister. Der alternative Städter aus München war anderer Meinung: „Die Spelzen kann man ausspucken“.

Er nahm das Produkt ab, und es hat sich herumgesprochen, dass die  Antersdorfer Mühle kleine Aufträge annimmt. So kamen immer mehr der Stadtflüchtlinge und ließen reinigen oder flockieren. Mehl war damals verpönt. Mit  der eigenen Mühle hat man zuhause gemahlen.

Ein Müller macht sich unbeliebt

In dem Städtchen Simbach, mit eher konservativer Gesinnung und einheitlicher politischer Meinung, war der örtliche Müller ob seiner dubiosen Kunden nicht mehr gern gesehen. Die zugezogenen Ökobauern neigten eher zu Grün, während die dörfliche Gemeinschaft in Niederbayern traditionell zu Schwarz tendiert. Priemeier, Mitglied im Trachtenverein, zog sich aus dem öffentlichen Leben ins Geschäftsleben zurück. „Die Leute hätten mich damals am liebsten auf dem Kraut gegessen“, erinnert er sich an die Anfeindungen.

Das Konzept der ökologischen Landwirtschaft, ohne Chemie zu arbeiten, leuchtete Priemeier aber ein, und er ließ nicht ab von den Ökos, sondern gründete mit anderen den Biokreis, der mittlerweile auch schon 30 ist und stellte seine Mühle auf biologische Produktion um. Hauptaufgabe war, eine Urproduktion aufzubauen. In den 90er Jahren, als Flächen in Ost-Deutschland dazu kamen, drehte sich der Rohstoff-Markt. Die Knappheit wechselte teilweise in ein Überangebot.

Von der Mühle zur Marke

Bio-Bäckereien waren wie üblich die Hauptkunden der Mühle.  Auch Rapunzel war in der Anfangszeit ein guter Abnehmer. „Eine Mühle stellt halbfertige Produkte her und ist daher austauschbar. Man braucht große Mengen und muss günstig mahlen, um im Geschäft zu bleiben“, analysiert der Müller. 18 Tonnen kann die Anlage am Tag mahlen; 100 Tonnen sind heute gefordert, um wettbewerbsfähig zu sein auf dem Bio-Markt. „Das können andere besser als wir“, resümiert der Niederbayer. Deshalb gestaltete er sein Unternehmen um zum Markenhersteller für den Naturkostfachhandel.

Private Labels kamen dazu: „Für Perlinger haben wir Anfang der 80er Jahre abgepackt. Ich hatte da keine Berührungsängste, weil ich auch angetreten bin, den Bio-Markt auszuweiten. Dazu muss ich alle Möglichkeiten ausschöpfen“. Perlinger aus Österreich war einer der Pioniere für Bio-Trockensortimente im LEH.

Dabei steht für die Antersdorfer Mühle Regionalität ganz vorne. 250 Bauern im Umkreis von 100 Kilometer liefern bei der Mühle Bio-Korn ab. „Wir haben Urproduktion hier in Ost-Bayern und den Vertrieb in Süddeutschland mit München als dem nähesten und besten Markt“, erläutert Priemeier die Struktur. Das Unternehmen will raus aus Bayern und das Vertriebsgebiet ausdehnen. Schließlich ist die Produkt-Palette durch zahlreiche Import-Produkte im Laufe der Jahre international geworden. 

Auf diesem Weg hat er viele Bastionen fallen sehen. Eine Bastion war „Körner statt Mehl“. Irgendwann hat die Mühle die ersten Mehltüten abgepackt – mit Vollkorn versteht sich. „Auch diese Bastion ist gefallen. Heute ist Bio ohne Weißmehl undenkbar“,  sagt der Getreidespezialist.

Die Verpackung beschränkte sich am Anfang auf  Tüten in den Farben grün oder grau. „Heute ist das absolut professionell wie bei jedem konventionellen Produkt. Mit einer schlechten  Verpackung kann ich heute nichts mehr verkaufen“, weiß er als Abpacker von 160 Artikeln nur zu genau. „Bedruckte Folien,“ „recyclebar“, „wiederverschließbar“, heißen heu­te die Anforderungen.

Neubau im Jahr 2006

Die Mühle in Antersdorf  wurde 2006, wenige hundert Meter von der alten Mühle entfernt, neu und größer gebaut. Bio ist den Kinderschuhen entwachsen. Größere Mengen und höhere Qualitätsansprüche  erfordern auch ein  Wachstum der Produktionsanlagen. Die Silo-Kapazität beträgt 2.800 Tonnen. In 26 Zellen sind die Behälter unterteilt, um verschiedene Sorten und Qualitäten getrennt lagern zu können. Die Arbeitsschritte trocknen, reinigen, mahlen, flockieren, Druckentwesung, abpacken und lagern sind an einem Ort zusammengefasst. Das Lager ist sogar gekühlt. Die Mühlenprodukte sind zwar nicht kühlpflichtig, aber im Sommer ist das besonders bei Saaten von Nutzen.

Heimisches Getreide war vor 30 Jahren das dominierende Produkt. Viel Grünkern darrte die Mühle damals. „Das ist nicht mehr der Renner. Das ist ein sehr kleines Produkt geworden“, erklärt Geschäftsführer Priemeier. Bio-Reis aus Italien hat sich dagegen prächtig entwickelt. Der Bio-Reis wird überwiegend direkt beschafft. Hirse und Kamut aus biologischem Anbau in den USA sind dazu gekommen. Auch die Pseudo-Getreide Amaranth, Quinoa und Buchweizen werden vermarktet. Diese Produkte wurden durch die Bio-Branche bekannt und haben hier eine weit größere Bedeutung als auf dem konventionellen Markt. Auch die Kochgetreide CousCous, Bulgur und Dinkelreis und Gerste-Graupen werden angeboten. Einige Müslis werden ebenfalls gemischt. Natürlich gibt es auch die klassischen Mehle, Grieße und Flocken.

Verschiedene Sorten der Hülsenfrüchte Bohnen, Erbsen und Linsen sind selbstverständlich im Sortiment. Bei den Saaten gibt es Sesam, Leinsamen, Sonnenblumen- und Kürbiskerne. Die Anbaugebiete für biologische Hülsenfrüchte sind heute Frankreich, die Türkei, China und Kanada. 

Moderne trockene Convenience

Trockene Fertiggerichte sind eine neue Linie, die sich nach Priemeiers Angaben prächtig entwickelt. Dazu zählen Basmati Reis mit Spinat und Knoblauch oder Graupen mit Gemüse. Als Dessert gibt es einen Milchreis mit getrockneten Äpfeln, Birnen und Kirschen. Auf acht Artikel ist die moderne trockene Convenience inzwischen angewachsen. Die schnelle Küche hat Zukunft.

Neben Haushaltsabpackungen gibt es Großgebinde für Bäckereien und die Gemeinschaftsverpflegung. Der Außer-Haus-Markt ist ein Segment, das immer wichtiger wird für den Bio-Markt. Gerade die Reise-Gastronomie an Autobahn, Bahnhof und Flughafen ist noch eine Bio-Wüste.

Mit der Herstellermarke Antersdorfer Mühle zeigt Priemeier Kompetenz und Gesicht. Nähe zum Ursprung und sichtbare Verantwortung können die Mio-Marke stark machen. Neben dem Biokreis ist er Mitglied bei Bioland und Ernte Austria. Außerdem hängt ein IFS-Zertifikat, fast unumgänglich für einen Private Label-Hersteller, und die Kosher-Zertifizierung an der Wand seines Büros. Das zieht jede Menge Kontrollen nach sich und bedeutet Lager und Dokumentationsaufwand im Betrieb. Aber Bio will die Kontrolle und bietet damit Sicherheit.

Anton Großkinsky

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