Editiorial
Editorial Ausgabe 62 Februar 2010
Liebe Leserin, lieber Leser!
Die vielbefürchtete Konzentration breitet sich im Bio-Handel ungebremst aus. Nicht nur im Biofach-Einzelhandel, auch der Bio-Großhandel ist stark in Bewegung. Vor 15 Jahren war abzusehen, dass der klassische Bioladen nur überleben kann, wenn er eine Nische findet oder sich eine besondere Fachkompetenz verschafft.
Eine Kette mit 50 Bio-Supermärkten wie sie sich bei Alnatura herausgebildet hat oder Großhändler wie Dennree oder Weiling, die Wachstum über Expansion schaffen, verdichten nicht mehr nur das Angebot auf der Fläche. Sie verdrängen die Ladner und auch die regionalen Großhändler. Aktuell dehnt Weiling sein Gebiet weit in den Süden aus und spricht dabei von Nähe zum Kunden und dass Nähe auch mit Regionalität zu tun habe.
Der Süden zählt zweifelsohne nicht zur Region von Weiling, daher eröffnete man eine Zweigstelle bei Ulm. Das mag gut sein, aber im gleichen Atemzug von Nähe und Region zu sprechen übertrifft das Verständnis des ursprünglich alternativen Vermarktungsgedankens. Es sollten regionale Einheiten in Netzwerken sein, die dem Geschehen im konventionellen Konzentrationsprozess den Spiegel vorhalten.
Eine Bio-Supermarktkette hat bereits Strukturen, mit denen es so wenig gelingt „regionale” Aspekte einzubeziehen wie konventionellen Großhandlungen. Die Versorgungsgebiete greifen dann weit über die Regionen hinaus. Regionale Bio-Großhändler können das noch.
Nun wachsen nicht in allen Regionen auch Bananen. Daher ist es gut so, wenn Handel und damit Austausch betrieben wird. Viele unserer Bio-Produkte kommen von außerhalb der Region bis hin zu anderen Kontinenten. Die Verbraucher erwarten immer alles rund um das Jahr. Da mag es Grenzen geben. Aber das Rad lässt sich nicht zurück drehen.
Die Bio-Branche ist aus den Kinderschuhen heraus gewachsen. Die ursprüngliche Ideologie spielt dennoch eine große Rolle. Widersprüchlichkeiten sind die Folge. Wer zu lange der Ideologie treu bleibt, läuft Gefahr überholt zu werden. Und das nicht selten von jenen, die am lautesten die Ursprungswerte predigen.
Echt Bio nur bei mir! Auch das ist ein Konzentrationsprozess, den keiner wirklich will. Den Zustand viel vom Gleichen bei nur noch Wenigen will niemand.
Bio-Großhändler entwickeln ähnliche Strukturen wie die Konventionellen: Wer nur bei mir kauft, verdient sich einen?Jahres-Bonus. Die an Vielfalt gewöhnten Verbraucher bleiben mit ihren Wünschen auf der Strecke. Und die Produktion aus der Region landet im Einheitstopf nationaler und internationaler Sortimente.
Was einmal als Insidermesse begonnen hat, ist eine weltweite Waren- und Rohstoffbörse geworden. Warum regt sich die Branche auf über den Wandel der BioFach? Sind Hausmessen und Regionalmessen nur eine Reaktion? Es geht dabei auch um Businessinteressen Einzelner. Wettbewerb ist akzeptabel. Jedoch wirkt manche Begründung bei nachhaltigem Hinterfragen schwach und dünn!
Wir wollen Bio für alle. Und wir wollen ethisch hoch wirksam sein. Anders sein als Massen-Nahrung. Dürfen wir uns dann so verstecken hinter Ansprüchen, die oftmals nicht eingehalten werden. Es wäre besser, dem Rest der Gesellschaft gemeinsam zu zeigen, wie wichtig Bio ist.
Der Weg in die Mitte der Lebensmittelwirtschaft geht nur mit allen. Wir müssten uns zusammen die Gedanken machen, wie Bio an den zentralistischen Strukturen vorbei kommt in die Regale der Kaufleute.
Mehr Qualität bei Lebensmitteln wird nicht allein durch Wachstum erreicht. Es braucht Veränderung im Anspruch, im Angebot, in der?Mitwirkung und auch in der Forderung des eigenen Anteils. Der Zentralist Rewe sieht seine Chance im Wettbewerb nur durch Stärkung des selbstständigen Einzelhandels. Verantwortung soll verteilt werden! Das garantiert nachweislich bessere Flächenleistung.
Was ist der Preis hierfür? Mehr dezentrale Strukturen, Zentralen müssen Anteile abgeben und Mitwirkende zulassen. Das stärkt wirklich die Aktivitäten in der Nähe und der Region und fördert die vielfältige Präsenz von authentischen Bioangeboten im Handel!
Erich Margrander
Herausgeber