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Editorial

Editorial Ausgabe 57/November 2008

Liebe Leserin, lieber Leser!

Das Bio-Wachstum sei abgebremst - der Boom vorüber, so schrieb die "seriöse" Deutschlandpresse! Sie beruft sich dabei auf aus dem Zusammenhang gerissene Meldungen der ZMP und GfK. Von der Presse werden nur Fakten aufgegriffen, die von abflauender Tendenz berichten. Die gleichzeitig weiteren starken Wachstumsraten an anderen Stellen fallen dabei unter den Tisch.

Derweil ist die Bio-Fachhandelsbranche mit sich selbst beschäftigt. Gegenseitige Beschuldigungen und Vorhaltungen, wer wem wann unter welchen Umständen Bioprodukte anbieten darf, stehen im Fokus. Wirklich notwendig wären konzertierte Anstrengungen mit Blick auf den LEH.

"Trotz der einseitigen Sortimente", wie auf dem 3. Bio Handels-Forum zu hören war, geht der Höhenflug dort weiter. "Mit welchen Umsätzen wird erst zu rechnen sein, wenn akzeptable Vollsortimente mit entsprechendem Frischeanteil angeboten werden?" Manche Outlets erreichen schon heute zehn bis 20 Prozent Umsatzanteil. Umfangreiche Antworten zogen sich "wie ein roter Faden" (Prof. Ulrich Köpke) durch die Fachvorträge auf dem Bio Handels-Forum in Köln. Die Tondokumente sind auf den bioPress-WEBseiten zum Herunterladen deponiert.

Die Lebensmittelmessen reagieren, ähnlich wie der Messeplatz Köln mit der Anuga oder der Bio-Straße auf der ISM, viel stärker als bisher auf den Marktdruck. Bio steht mit seiner Innovationskraft zunehmend im Mittelpunkt und spricht die Entscheider aus dem Handel und die Lebensmittelhändler von unterschiedlichen Seiten an.

Der Gemüseanbau in Deutschland hat jetzt rund zehn Prozent Bioanteil erreicht. Das ist in anderen Ländern auch so, daher bieten auf der FruitLogistica zirka 300 Firmen Bioprodukte an und der Fruchthandel stellt sich darauf ein. Obwohl mithilfe des "integrierten Anbaus" der Chemieeinsatz im Obst- und Gemüseanbau reduziert wurde, vertrauen die Verbraucher heute noch sehr viel stärker auf chemiefreie, also organische Landwirtschaft und schüren den Bio-Absatz.

Die Lebensmittelindustrie kontert untern anderem mit Neuerungen wie der Entwicklung von sogenannten abgeleitetenProteinen (Puratein© und Supertein©) aus dem Rapspresskuchen. Dieses Abfallprodukt aus der Rapsölgewinnung konnte bisher allenfalls als Tierfutterzusatz genutzt werden. Es soll ja nichts verkommen. Das Ergebnis langjähriger Forschungen steht in Amerika jetzt nur noch wenige Tage vor der Zulassung. Sie soll danach auch in der EU erfolgen. Führende Köpfe in der Lebensmittelindustrie entwickeln neue Strategien für die Einverleibung der zunehmenden Wellness- und Gesundheitsnachfrage.

Bisher für den menschlichen Verzehr ungeeignete Proteine werden so lange "bearbeitet" bis sie zur genießbaren Kategorie gezählt werden dürfen! Als angeblich wertvolle Zusätze erleben sie dann unter der Flagge Wellness und Gesundheit eine ungeahnte Wertsteigerung.
Biolebensmittel besetzen heute in den Köpfen aufgeklärter Verbraucher die Begriffe Gesundheit, Nachhaltigkeit, Fairness und nicht zuletzt Geschmack. Die Erwartungen an Wellness sind nicht mit "Zusätzen" zu befriedigen.

Die Biohersteller sollten ihre Kräfte bündeln und den Rückfall in "Zusatz-Geschäfte"  - auch ein moderner Ausdruck für Fälschen, Strecken und Pantschen - gemeinsam abwehren. Es reicht nicht mehr aus, nur auf die eigenen natürlichen Vorteile zu setzen. Es muss auch eine Vorwärtsstrategie entwickelt werden, die dem Agrobusiness und der Industrie-Lobby noch mehr überzeugende Argumente entgegenzusetzen weiß.

Die Wissenschaftler sind sich schon lange einig: Werden die ökologisch ausgerichteten Agromethoden konsequent umgesetzt, dann ersparen wir uns nicht nur Hunger und Kriege, auch Gesundheit und Leistungsfähigkeit, Zufriedenheit und Wohlfühlen (Wellness) werden befriedigt.

Kaufleute mit Antworten auf die Konsumentenwünsche sind erfolgreich. Sie nehmen Teil an der Entwicklung hin zu hundert Prozent Nachhaltigkeit, die nicht aufgesetzt ist. Sie produzieren Wärme und ihren Strom für die Kühlung und das Licht in den Verkaufsräumen auf ihren Dächern selbst. Lernen Antworten auf Ernährungsfragen so wie das ihre Großeltern noch kannten und bieten ökologisch erzeugte und daher nachhaltige, sichere, gesunde und geschmackvolle Lebensmittel für ALLE an. Da macht es keinen Unterschied, ob sie das mit einem Bioladen, einem Bio-Supermarkt oder in einem herkömmlichen Supermarkt tun.

 

Erich Margrander
Herausgeber

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