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Editorial

Editorial Ausgabe 53/Nov. 2007

Liebe Leserin, lieber Leser!

Im Handel werden die Ansprüche an Bioprodukte und die Bio-Sortimente höher. Die Verbraucherzustimmung bleibt weiterhin stabil auf hohem Niveau. Die treibende Kraft Bio im Discount bewegt viele Kaufleute tiefer hinein in die Biovermarktung. Schließlich wollen sie sich nicht die traditionell erworbenen Kompetenzen streitig machen lassen. Und wenn Bio überall Tagesthema ist, müssen agile Lebensmittelhändler reagieren.

Ein kleines Dachsortiment aus Handelsmarke und Ergänzungsangeboten an den Rändern der Handelsmarken reicht nicht mehr. Handelszentralen rüsten ihre Biomarken auf bis zu 300 oder 450 Bioartikel auf, und zusätzliche Lieferanten erweitern das Angebot auf 1.000 bis 1.500 Bioartikel. Bleibt jedoch die Frage, warum das in den Regalen nur spärlich ankommt.

Stimmen die Stragien nicht? Zeigen die Berater nicht über den Tellerrand hinaus? Es scheint, dass Bioprodukte gehandhabt werden sollen wie alles Bisherige auch und in die bestehenden Systeme hinein gezwängt werden. Es passt jedoch nichts so recht. Wer den Finger in die Wunden legt, wird ignoriert. Das ist auch in der Entwicklung der Biovermarktung zu erkennen. Also ist Anpassung angesagt. Ich nenne das aufgeben! Kranke, die gesund werden wollen und trotzdem so weiter machen wie vorher, haben selten eine Genesungschance!

Wer als Biokonsument seinen täglichen Einkauf machen will, hat es nicht einfach, wohnt er nicht zufällig in der Nähe eines Bio-Fachgeschäfts. Selbst die Wocheneinkäufe bieten auch bei längeren Wegen nur dem ein umfassendes Bio-Einkaufserlebnis, der einen Bio-Supermarkt als Einkaufsstätte wählen kann. Und das Geschäft mit Bio-Vollsortimenten brummt.

Im LEH braucht es lediglich ein paar hundert neue Outlets, die Bioartikel aufschalten, um schon ein großes Wachstum zu generieren. Das Biowachstum im LEH der letzten Jahre entstand dadurch, dass aus 2.000 Outlets mit Bioangeboten 16.000 und mehr wurden. Jeder einzelne Bio-Supermarkt schafft aus sich heraus existenzfähiges Umsatzwachstum! Da könnte man neidisch werden und selbst einen eröffnen wollen. Alternativ statten Kaufleute ihre Supermärkte mit wirklich tragfähigen Bio-Vollsortimenten aus. Edeka Minden hat eine dreigeteilte Strategie von kleinem, mittlerem und erweitertem Bio-Angebot geschaffen. Und doch ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Gute Standorte oder engagierte Kaufleute kommen mit den Angeboten ihrer Zentralen nicht aus, weder die Edekaner in Minden noch in Offenburg und auch nicht die Rewe-Kaufleute. Ein tragfähiges Biosortiment mit durchgreifender Wirkung, die von anderen abhebt, braucht die Vielfalt von der Frische bis hin zu Wasch-, Reinigungs- und Putzmitteln. Das kann mit 2.500 bis 3.000 Bioartikeln abgebildet werden. Die Selly-Gewinner zeigen – einige in Ansätzen, andere fast schon in Vollendung – was Kaufleute mit Bioangeboten erreichen können. Marktkauf in Bielefeld macht auf einer seiner Großflächen zehn Prozent des Umsatzes mit Bio. Einige Kaufleute schaffen mit breiten Bioangeboten mehr Umsatzanteile als die üblichen durchschnittlichen 0,8 bis 1,5 Prozent.

Die Sonderschau Voll-Bio auf der Anuga wurde regelrecht überrollt! Mehr als 3.000 Besucher wollten die Vielfalt der 1.570 Bioprodukte sehen, die rund 120 Anbieter dem Handel uneingeschränkt zur Verfügung stellen. Ein Großteil der ausgestellten Produkte ist im Handel noch nicht präsent. Eine Fülle von Neuheiten war darunter. Viele der Besucher sind der Lebensmittelindustrie zuzuordnen. Sie wollten sehen, wo die Bio-Zukunft hingeht.

Ein Bio-Vollsortiment kommt ohne breites Angebot an Obst und Gemüse, Mopro, Backwaren, Fleisch und Wurst, TK, Convenience und Drogeriewaren nicht aus. Die Fragen, wie das alles innerhalb der vorhandenen Strukturen zusammen passt, sind noch weitgehend unbeantwortet. Die Hersteller scheinen interessiert zu sein und wollen produzieren. Die Zurückhaltung wegen Erklärungsnotständen, was denn mit den herkömmlichen Produkten sei, wenn Bio daneben steht, löst sich in Nichts auf. Auch preiswerte und teure Produkte der gleichen Art stehen in den Regalen, die billigen stehen unten zum Bücken und die Teuren auf Augenhöhe. Alle haben sich daran gewöhnt.

Nachhaltigkeit lässt sich nicht über Nacht austauschen. Jeder muss dort anfangen können, wo er steht. Wenn Naturkost-Fachgeschäfte alles nur hundertprozentig angehen, sollte anderen Einkaufsstätten die Fähigkeit zum Wandel dennoch zugestanden werden. Es gibt Standorte, an denen wird so viel Bio verkauft, wie sich nicht verhindern lässt. Die zu entwickeln, ist schnell machbar. Kaufleuten, die engagiert an die Biovermarktung herangehen wollen, sollten alle Unterstützung bekommen ohne Gängeleien und Vorschriften, wie sie Bio handhaben müssen. Sie kennen ihren Standort und ihre Kunden am besten und haben gelernt, das Beste daraus zu machen.

Erich Margrander

Herausgeber

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