Start / Business / International / Länder / Der Biomarkt in den USA

USA

Der Biomarkt in den USA

Fakten, Trends und Ausblicke

Der Biomarkt in den USA hat sich in den letzten Jahren zumeist durch sein stetiges Wachstum auf hohem Niveau hervorgetan. Allerdings ist das nicht der einzig bemerkenswerte Aspekt des US-Marktes, und deshalb wird sich dieser Artikel auch mit anderen, nicht weniger bemerkenswerten Fakten auseinandersetzen, insbesondere mit der Frage: „Wem gehört Bio?"

Beim dem kontinuierlichen Wachstum der letzten acht Jahre ist nicht nur die robuste Wachstumsrate von rund 20 Prozent bemerkenswert (Abb. 1, u.), sondern vor allem, dass dieses Wachstum auch während wirtschaftlicher Schwächeperioden wie der von Mitte 2000 bis Mitte 2002 keinerlei Einbruch zu verzeichnen hatte. Ebenso ist bemerkenswert, dass das Wachstum in den USA ohne nennenswerten Anschub von Regierungsseite zustande kam, im Gegensatz zu vielen westeuropäischen Ländern wie etwa Dänemark, Österreich oder Deutschland.

Die US-Ökolandwirtschaft hat sich allerdings nicht im gleichen Maße wie der Markt entwickelt. Auch wenn es keine zuverlässigen Statistiken gibt (die letzten halbwegs zuverlässigen Zahlen stammen aus dem Jahre 2001), scheint es doch so, dass der Biolandbau dem Biomarkt deutlich „hinterherhinkt". Eine kurze Organic Insights-Umfrage unter US-Experten ergab eine Schätzung von je etwa zehn Prozent Wachstum der ökologisch bewirtschafteten Fläche in 2002 und 2003. Wenn man dieses Wachstum mit dem des Marktes vergleicht, tut sich eine deutliche Schere auf.

Der Unterschied wird um so dramatischer, wenn man die Zahlen des EU-Marktes und der landwirtschaftlichen Fläche denen der USA gegenüberstellt. Während die Marktgröße in etwa vergleichbar ist, beläuft sich die ökologisch bewirtschaftete Fläche in den USA nur auf etwa ein Zehntel derjenigen der EU (Stand 2003, Abb.2, re.).

Zumindest ein Grund für das relativ langsame Wachstum ist der 2002 in Kraft getretene „Organic Food Produktion Act, Final Rule", die maßgeblich Gesetzgebung für US-Ökolandbau, -handel und -verarbeitung. Dieses Gesetz sieht drei Jahre Umstellungszeit vor, in der aber keinerlei Umstellungsware verkauft werden darf. Diese Situation führt zu erheblichen ökonomischen Härten während der Umstellung, und dies ist sicherlich einer der Gründe, warum die landwirtschaftliche Produktion mit dem Marktwachstum nicht Schritt halten kann.

In der Konsequenz bedeutet dies, dass der Anteil an Importware auf dem US-Biomarkt kontinuierlich zunimmt. Die USDA-Bio-Experten Greene und Dimitri schätzen den Import-Anteil bereits auf ein bis 1.5 Milliarden US-Dollar (Wert der importierten Ware), was einem Marktanteil von zirka 35 Prozent bezogen auf den Endverkauf entsprechen würde. Ein Großteil dieser Importe stammt aus Mittel- und Südamerika, aber auch europäische Hersteller von Bioprodukten werden in immer größerer Anzahl auf den amerikanischen Markt aufmerksam. Wenn man sich die Marktentwicklung ein wenig im Detail anschaut, so sind die am schnellsten wachsenden Kategorien Fleisch und Fisch, gefolgt von Snacks, Saucen und Gewürzen, Brot, Milch und Milchprodukte, Getränke, und fertig verpackte frische Lebensmittel wie Salate und Gemüse. Was kategorienübergreifende Trends angeht, so bleiben authentische „Ethno-Lebensmittel" jeder Provenienz nach wie vor ein Renner. Immer mehr zum Tragen kommen auch gluten-freie Produkte, da mittlerweile mehr als ein Prozent der US-Bevölkerung an Glutenunverträglichkeit leiden und Kunden verstärkt im Bio- und Naturalbereich nach Lösungen suchen.

Trends, Trends, Trends

Einer der meistbeachtetsten Trends im Einzelhandelsbereich ist das stetige Wachstum der sogenannten „Supernaturals". Unter „Supernaturals" versteht man die beiden großen „Natural and Organic" Supermarktketten Whole Foods Market Inc. und Wild Oats Markets Inc.. Whole Foods, der unumschränkte Marktführer mit mittlerweile 171 Supermärkten und Wild Oats mit zirka 100 Läden verkaufen fast 15 Prozent aller Bioware in den USA. Wenn beide auch weit davon entfernt sind, lupenreine Biosupermärkte zu sein (der Anteil der Bioware liegt bei etwas über einem Drittel am Gesamtumsatz), sind sie jedoch ohne Zweifel starke Zugpferde für den Absatz von Bioerzeugnissen. Ausgerichtet auf Qualität und Service, wenn möglich in Bio-Qualität, hat sich Whole Foods mit seinem „Anti-Aldi-Konzept" immer mehr durchgesetzt. Hier wird der Einkauf von Lebensmitteln eher als ein Stück „Wellness" behandelt und Einkaufen wird zu einem positiven und lebensbejahenden Akt. Die Atmosphäre in den neuen großen Läden ist eine Mischung aus Gourmet-geschäft, gehobenem Restaurant, gepflegtem Frischmarkt und einem „all natural Supermarkt", wobei das „all" hier auf das Warenangebot bezogen ist, das in den neuen Whole Foods-Läden auch Kosmetika und Kleidung umfaßt.

Bei einem Jahresumsatz von zirka fünf Milliarden US-Dollar in 2005, einer durchschnittlichen Marktgröße von etwas über 4.000 Quadratmeter, einem durchschnittlichen Umsatz von 30 Millionen US-Dollar pro Markt und Wachstumsraten von 15 bis 20 Prozent pro Jahr scheint das weitere Wachstum, mit dem Whole Foods zehn Milliarden US-Dollar für 2010 anpeilt, eine durchaus realistische Sache. Und natürlich bleibt abzuwarten, wie das selbsterklärte Ziel, auch in Europa Fuss zu fassen, nach dem Erwerb der Fresh‘n Wild-Kette in Großbritannien weiter umgesetzt wird.

Fair Trade und Domestic Fair Trade

Fair Trade, vor vier Jahren noch praktisch kein Thema in den USA, hat sich mittlerweile zu einem Einkaufsargument für viele Bio-Kunden gemausert. Anfänglich durch den massiv publizierten Einstieg von Starbucks als Käufer von Fair Trade Kaffe stimuliert, nimmt dieser Trend immer mehr Fahrt an. Wenn auch der tatsächliche Anteil von Fair Trade Kaffee bei Starbucks nach Industrieschätzungen wohl unter einem Prozent liegt, hat die Kampagne einen nicht unerheblichen Marketingeffekt gehabt. Wen überrascht es da, dass auch McDonalds auf den Zug aufspringt und in Kürze „Fair Trade organic coffee" in seinen Filialen im Nordosten der USA anbieten wird.

Als nächste Welle folgt jetzt „Domestic Fair Trade", also ungefähr „Fair Trade zuhause". Was meint nun der Begriff? Er steht in unmittelbaren Zusammenhang mit der anfangs gestellten Frage: „Wem gehört Bio in den USA?" Eine Frage, die auch immer häufiger von immer mehr amerikanischen Bio-Konsumenten gestellt wird.

Langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass im Bio-Bereich Big Business angesagt ist. Das begann damit, dass große konventionelle Lebensmittelhersteller wie General Mills schon früh erkannten, dass es bei stagnierendem Wachstum oder Zuwachsraten im Bereich von ein bis zwei Prozent für konventionelle Lebensmittel sehr lukrativ sein kann, einen schnell wachsenden etablierten Biohersteller aufzukaufen.

Das tat General Mills mit dem Aufkauf von Cascadian Farms, einer der bekanntesten Biomarken in USA. Viele folgten – Heinz, Pepsico, Dean Foods, einer der größten US-Lebensmittelhersteller, die Danone-Gruppe, und selbst der Mischkonzern Altria (Kraft/Philipp Morris) hat seinen Fuß in der Ökotür. Nach unserer Schätzung gehören Ende 2005 etwa zwei Drittel der US-Biolebensmittelproduktion einem der weltgrößten 30 (konventionellen) Lebensmittelhersteller.

Dieser Entwicklung versucht der „Domestic Fair Trade" Ansatz einen lokales, sozial ausgewogenes, die Arbeiter und Angestellten einbeziehendes, ökologisch optimiertes und profitables Geschäftsmodell entgegenzusetzen und dieses auch zu zertifizieren.

Ausblicke

Was die Marktseite angeht, so gehen wohl die Jahre des stetigen und ausgeprägten Wachstums für die vorhersehbare Zukunft - vielleicht mit etwas weniger Schwung hier und da - weiter. Damit und mit dem relativen schwächeren Wachstum der Bioinlandserzeugung eröffnen sich auch in den nächsten Jahren immer wieder Möglichkeiten, den US-Markt erfolgreich zu nutzen. Wohin sich die Entwicklung des ökologischen Landbaus und der Bioproduktion als kulturelles und soziales Phänomen entwickelt, ist eine offene Frage. Eines jedoch ist sicher: spannend wird es weiterhin bleiben.

Dr. Winfried Fuchshofen, Organic Insights, Inc.,New Lebanon. NY, USA

[ Artikel drucken ]


Das könnte Sie auch interessieren

Echtes Bio versus Big Trade

Landwirte des Real Organic Projects trotzen der Verwässerung des Standards

Echtes Bio versus Big Trade

Bio in der USA ist im Argen. Seit 2017 erlaubt die Zertifizierung des Landwirtschaftsministeriums USDA Hydroponik im Bio-Anbau: mit der Folge von ‚Plastikfarmen‘, die in großer Masse Obst und Gemüse mit Bio-Label zum Spottpreis produzieren. Inmitten der politischen Unruhen der neuen Trump-Regierung kämpft das Real Organic Project weiter für die Wertschätzung von Landwirten und echtes Bio. Mit einem neuen Joint Venture mit dem Bio-Anbauverband Naturland will der Zusammenschluss jetzt die Kräfte mit Europa bündeln. bioPress hat mit Linley Dixon, früher Bio-Landwirtin, jetzt Aktivistin und Co-Direktorin des Real Organic Projects, gesprochen.

07.04.2025mehr...
Stichwörter: USA

Ohne-Gentechnik-Gipfel 2024: Transparenz weltweit sicherstellen

Treffen der internationalen Non-GMO-Branche in Frankfurt

Ohne-Gentechnik-Gipfel 2024: Transparenz weltweit sicherstellen © Nina Werth

Wie bedrohlich sind die aktuellen Entwicklungen im Bereich Neue Gentechnik? Was ist nötig, um langfristig Transparenz und Wahlfreiheit für Verbraucher zu garantieren, die Koexistenz gentechnikfreier Artikel zu sichern und das Vorsorgeprinzip zu wahren? Und wie ist es um die GMO-freie Verfügbarkeit beim ‚Sorgenkind Soja‘ bestellt? Am 7. und 8. Oktober trafen sich mehr als 160 Vertreter der Ohne-Gentechnik-Branche aus 23 Ländern und vier Kontinenten zum ‚International Non-GMO Summit 2024‘ in Frankfurt und diskutierten über aktuelle Herausforderungen.

17.10.2024mehr...
Stichwörter: USA

Neuigkeiten vom Real Organic Project

Bios aus den USA berichten von ernährungsbedingten Krankheiten und ungebrochenem Herbizideinsatz

Chemische Direktsaaten und Pestizideinsatz, um die geschwächten Pflanzen bis zur Erntereife zu bringen, haben die Landwirtschaften dieser Welt fest im Griff. Glyphosat und andere Gifte sowie Mikroplastik zerstören schleichend die Gesundheit der Bevölkerungen. In Amerika sei der Verfall besonders fortgeschritten, berichtet Dave Chapman, Geschäftsführer des Real Organic Projects.

10.09.2024mehr...
Stichwörter: USA