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Eco-Tourismus am Donau-Ufer

Mircea Dinescu bringt internationalen Gästen die Kultur und Natur in der Walachei nahe

Eco-Tourismus am Donau-Ufer © bioPress, EM

Traditionelle rumänische Küche aus naturbelassenen Zutaten von den Kleinbauern nebenan, Handwerkskunst und Entspannung am Donau-Ufer: Wer den ‚Port Cultural Cetate‘ besucht, findet in der Kleinen Walachei im Südwesten Rumäniens eine authentische Oase fernab vom Massentourismus. Ins Leben gerufen hat den Kulturhafen der Schriftsteller, Gastronom und Bürgerrechtler Mircea Dinescu. Bereits als touristisches Zentrum etabliert, fehlen dem Hafen seit der Corona-Pandemie die Besucher-Schiffe. Auch die Zahl der Kleinbauern geht von Jahr zu Jahr zurück. 

Einige Kilometer südöstlich von der serbischen Grenze, idyllisch direkt am Ufer der Donau, die die Grenze zu Bulgarien bildet, stößt man plötzlich auf eine bunt gemischte Sammlung von Skulpturen: Engel und Meerjungfrauen, aber auch Besteck im Großformat, neben Holzköpfen, behängt mit Knoblauch, Katzenskulpturen und alte Kutschen. Dazwischen stehen unter Bäumen Tische und Stühle verstreut, daneben ein Fassofen, es tummeln sich Hunde und im Hintergrund erheben sich weiße Gebäude. Dass es sich beim ‚Port Cultural Cetate‘ auch um ein Hotel handelt, ist auf den ersten Blick kaum zu vermuten. 

„Vor 30 Jahren war das hier eine Ruine von einem Schweinestall“, erzählt Mircea Dinescu. Eine bewegte Geschichte habe das Gelände hinter sich. Ende des 19. Jahrhunderts gab es hier einen wichtigen Hafen für Agrargüter: Die Croissants in Wien seien damals mit Weizenmehl gebacken worden, das vom Hafen von Cetate aus donauaufwärts transportiert wurde. „Hier stand die modernste Mühle Europas“, so Dinescu. Auch der internationale Weizenpreis sei anhand der im Hafen gelagerten Erzeugnisse festgesetzt worden. 

1945 wurde der Hafen geschlossen und in einen Grenzposten umgewandelt. Nach der Revolution von 1989 kam es schließlich zur Plünderung und zuletzt diente das Gebäude als Schweinestall – bevor Dinescu es entdeckte. Bei einer öffentlichen Versteigerung im Jahr 1997 konnte der Gastronom es erwerben, um hier seinen Traum von einem Kulturhafen zu verwirklichen.

Engel statt Dracula

In Rumänien ist Dinescu ein bekannter Schriftsteller. Bevor er unter dem kommunistischen Regime in Ungnade fiel, wurde er als großes Talent gefeiert. Nach der Revolution hatte er sechs Jahre lang das Amt des Präsidenten des rumänischen Schriftstellerverbandes inne. Außerdem eröffnete er ein Restaurant in Bukarest und moderierte zehn Jahre lang die TV-Sendung ‚Politik und Delikatessen‘, bei der er jeweils mit einem prominenten Gast live kochte und diskutierte. Politik, Literatur, Humor und Kulinarik hat er in dem Format kombiniert – „es war sehr erfolgreich“, erzählt Dinescu. 

„Mit sieben Jahren konnte ich schon kochen“, so der Schriftsteller. Von seinem Großvater habe er es schon als Kind spielerisch gelernt und gleichzeitig die Vorliebe für ökologisches Gärtnern mitbekommen. „Kochen und Poesie sind sich ähnlich“, meint Dinescu. Und: „Kochen ist gut für die Psyche, eine Art von Therapie.“

Drei Jahre lang war er damit beschäftigt, das verfallene Haupt-Gebäude am Donau-Ufer von Grund auf zu sanieren. Währenddessen fanden im Rahmen von Projekten von Dinescus ‚Stiftung für Poesie‘ bereits erste Künstlercamps statt. Es kamen Keramiker, die Brennöfen auf dem Gelände errichteten, gefolgt von Bildhauern, die die ersten Engel aus Holz und Stein kreierten.

Anfang der 2000er Jahre wollte die rumänische Regierung einen ‚Dracula-Park‘ als Tourismus-Attraktion aufbauen. „Das passt überhaupt nicht in das sehr religiöse Land Rumänien“, stellt Dinescu klar. Als polemische Reaktion kam ihm die Idee, alternativ einen ‚Engel-Park‘ aufzubauen. Und heute findet man auf dem Gelände zwischen Gästehäusern und Donau viele verschiedene Engel-Skulpturen von lokalen Künstlern. „Sie stehen immer noch – während das Projekt des Dracula-Parks im Sand verlaufen ist“, freut sich Dinescu. 

Natur-Küche aus Subsistenzlandwirtschaft

2007 begann das Projekt, den Port Cultural Cetate auch für den Tourismus zugänglich zu machen. Es wurden nun auch die übrigen Gebäude des Komplexes saniert und restauriert und eine moderne Küche eingebaut. Noch im selben Jahr wurde der Donau-Hafen offiziell wiedereröffnet und empfing fortan Kreuzfahrtschiffe sowie private Boote. Rund 30 Hotelzimmer sind heute in den verschiedenen Gästehäusern des Anwesens untergebracht. Auch für Firmenveranstaltungen gibt es geeignete Räumlichkeiten. Die Stiftung für Poesie bleibt im Kulturhafen präsent und veranstaltet Schreibwerkstätten, Theateraufführungen oder Kammermusik-Workshops. 

„Die Gäste, die herkommen, wollen Natur und Kultur genießen“, erklärt Dinescu. Im Port Cultural Cetate können sie erleben, wie unter Bäumen auf traditionelle Weise Brot gebacken wird, lokalen Musikern zuhören, ein Museum besichtigen und die einheimische Küche aus naturbelassenen Zutaten genießen.

„Den Backofen hat ein deutscher Freund gebaut, dessen Vater in russischer Kriegsgefangenschaft war“, erzählt der Schriftsteller. In der Kälte habe dieser aus Schrott einen Ofen erfunden, der nur mit zwei verschiedenen Rohren auskommt und dabei mit sehr wenig Holz sehr effizient funktioniere. Fleisch, Brot oder auch Kuchen wird darin nun auf drei verschiedenen Etagen gebacken, bei 300 bis 350 Grad Celsius. 

In zwei eigenen Räucherkammern hängen Schinken zum Trocknen. Im Kulturhafen wird selbst Chutney aus Peperoni gekocht. Jeden Herbst stellt das Kochteam Zacusca her – ein traditionelles Mus der rumänischen Küche, aus Paprika, Auberginen und Tomaten. Zwei Gänse hat Dinescu gerade frisch auf dem Bauernmarkt besorgt. Seine Zutaten beschafft er auf allen nahen Bauernmärkten der Region und geht außerdem persönlich bei Kleinbauern vorbei, zu denen er seit vielen Jahren Beziehungen aufgebaut hat. 

Ein Bio-Zertifikat für Hotel oder Küche hat Dinescu nicht. Dafür dass die Kleinbauern und Subsistenzlandwirte, von denen er Gemüse und Fleisch bezieht, keine Chemie verwenden, verbürgt er sich allerdings. Qualitativ sei hier „alles absolut Bio – bis zum Natursalz direkt von der Quelle!“

Bauern-Exodus und Corona-Krise

Die Kleinbauern seien in den letzten Jahrzehnten von der rumänischen Politik ignoriert worden, kritisiert der Schriftsteller, der sich auch als Bürgerrechtler einen Namen gemacht hat. „Vor 30 Jahren gab es noch 3.000 Kühe im Dorf – heute gibt es nur noch 60.“

Einst selbstständige Landwirte und Jungbauern seien jetzt Erntehelfer in Deutschland, Spanien und Italien. Von knapp 19 Millionen Rumänen leben und arbeiten heute rund sechs Millionen im Ausland. Vom rumänischen Staat ist Dinescu enttäuscht: Es gebe bisher keine Bestrebungen, sie zurückzuholen. 

In der stalinistischen Zeit wurden Bauern enteignet. Nach 1989 wurde ihnen Land zurückgegeben – „allerdings ohne Maschinen, Pflüge, Karren und Tiere und ohne Unterstützung, um neue Maschinen zu kaufen“, stellt Dinescu klar. In der Folge hätten die meisten ihr Land verkauft – für einen Spottpreis von umgerechnet rund 100 DM pro Hektar. Heute gehören den größten Landbesitzern über 5.000 Hektar Fläche, auf der industriell Mais oder Raps angebaut wird. Derweil geht die Zahl der Kleinbauern Jahr für Jahr zurück. „Die Arbeitskräfte haben die Dörfer verlassen, nur die alten Bauern sind geblieben“, so Dinescu. Seine Peperoni beziehe er etwa von einer 81 Jahre alten Kleinbäuerin, die sie immer noch selbst ernte. Eine Nachfolgerin hat sie nicht. 

Durch die Pandemie hat sich auch der Anklang beim Port Cultural Cetate drastisch verschlechtert. „Vor Corona ha-ben die Schiffe aus Wien hier gehalten“, erklärt Dinescu. Sie brachten Tagesgäste mit, die ein paar Stunden dort waren, um das Handwerk zu besichtigen und traditionelle rumänische Gerichte zu verkosten. Mit der Pandemie ist dem Gastronom die Kundschaft weggebrochen. Das Personal der Schiffe sei damals entlassen worden – „und jetzt finden sie keine Leute mehr“. 

Das Museum war eine Maßnahme, um wieder Besucher anzuziehen. Ein buntes Potpourri aus historischen Gegenständen wurde hier zusammengetragen: von alten Hohner-Akkordeons über vergoldete Spiegelkommoden bis hin zu Skulpturen aus der Kolonialzeit. Einen besonderen Einblick in die rumänische Kultur gewährt das Dachgeschoss, wo eine Sammlung aus rumänischen Trachten zusammen mit handgewebten Teppichen bestaunt werden kann. Sogar zwei Betten von rumänischen Königinnen werden hier aufbewahrt: von Elisabeth zu Wied (19. Jahrhundert) und von Maria von Rumänien (20. Jahrhundert). „Nach der Revolution wurde alles geplündert. Das erste Bett haben wir bei Zigeunern wiedergefunden“, berichtet Dinescu. 

Wer einen unverstellten Einblick in die rumänische Kultur inmitten der Donaulandschaft gewinnen und natürliches Essen erleben will, ist im Port Cultural Cetate an der richtigen Adresse. 

Lena Renner

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