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Mikrobiom im Boden: Schlüssel für gesunde Pflanzen

bioPress im Gespräch mit dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau

Mikrobiom im Boden: Schlüssel für gesunde Pflanzen © Quelle: Natacha Bodenhausen
Mitarbeitende bereiten die Ernte der Maisproben für das Projekt Mikrobiom-Diagnostik vor.

Wie führt der Ökolandbau zu einer Stärkung des Mikrobioms im Boden? Welchen Effekt haben Pestizide, synthetische Dünger und Monokulturen? Und kann man Bio-Erzeugnisse am Geschmack erkennen? bioPress hat beim Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) nachgefragt. Die Mikrobiom-Experten Natacha Bodenhausen vom Departement für Bodenwissenschaften und Valentin Gfeller vom Departement für Nutzpflanzenwissenschaften berichten frisch aus der Forschungspraxis. 

bioPress: Frau Bodenhausen, Herr Gfeller, was passiert im Boden, was in den Pflanzen? Welche Rolle spielt das Mikrobiom? Und was passiert, wenn es dauerhaft geschädigt wird?

Bodenhausen: Viele Mikroorganismen im Boden gehen eine Symbiose mit den Pflanzen ein, zum Beispiel stickstofffixierende Bakterien oder Mykorrhiza-Pilze. Sie sind sehr wichtig für das Wachstum und die Nährstoffe der Pflanze. Viele Mikroorganismen spielen außerdem eine wichtige Rolle für die Resistenzbildung gegen Krankheiten. 

Gfeller: Mein Forschungsfokus ist momentan die Erbsenbodenmüdigkeit. Wenn man zu häufig Erbsen auf demselben Boden anpflanzt, führt das zu einer Anreicherung von Pathogenen: Sie können sich besser vermehren und die Pflanze schlussendlich stark schwächen oder sogar zum Absterben bringen. Es konnte aber bereits vermehrt in Laborversuchen gezeigt werden, dass es Mikroben im Boden gibt, die die Pflanze wirklich dabei unterstützen, sich gegen pathogene Organismen zu wehren. Allgemein gilt: Wenn die Biodiversität größer ist, ist auch die Wahrscheinlichkeit größer, dass Pathogene keinen negativen Einfluss haben. Das ist auch ein Grund, warum Fruchtfolgen sinnvoll sind. 

Bodenhausen: Wir haben am FiBL mehrere Langzeitversuche. Im sogenannten DOK-Versuch vergleichen wir beispielsweise seit mehr als 40 Jahren die Unterschiede zwischen biologischer, biodynamischer und konventioneller Bewirtschaftung. Auch das Mikrobiom wurde mit mehreren Studien untersucht. Dabei hat sich gezeigt, dass die Biodiversität der Bodenorganismen bei Bio und biodynamisch höher ist und die Felder dadurch resilienter sind gegen biologischen Stress wie Pathogene, aber auch gegen abiotischen Stress wie Trockenheit. 

bioPress: Gibt es Forschung darüber, wie sich das Mikrobiom auf die Nährstoffaufnahme der Pflanzen auswirkt? Und wie sich das durch Pestizideinsatz verändert?

Gfeller: Die Nährstoffinhalte der Pflanze können durchaus durch das Mikrobiom beeinflusst werden. Es gibt im Moment viele Laborstudien, die zeigen, welche wichtige Rolle das Mikrobiom für die Nährstoffgehalte spielt. Bei Studien auf dem Feld hat man es dagegen mit viel mehr Variabilität zu tun. Da sieht man dann auf einmal keine Effekte, weil es vielleicht ein regnerisches Jahr war oder die ‚falsche‘ Pflanzensorte angebaut wur-de. Das heißt, im Labor wurde schon viel gezeigt, was auf dem Feld noch nicht bestätigt wurde.

Bodenhausen: Wir betrachten oft den Nährstoffgehalt, Stickstoff oder Phosphor… Der Vitamingehalt wurde im DOK-Versuch noch nicht gemessen. Bei dem Versuch handelt es sich um einen Systemvergleich: Pestizide, Düngung… es wird alles zusammen betrachtet. 

Gfeller: Wir haben kein Projekt mit Pestiziden, unser Fokus liegt mehr auf positiven Interaktionen. Was ich aus der Literatur weiß, ist ebenfalls: Es kann Effekte geben von Pestiziden oder auch synthetischen Düngemitteln aufs Mikrobiom, aber es gibt auch Studien, wo keine gefunden wurden. Mikroorganismen können sehr schnell darin sein, solche Substanzen wieder abzubauen. 

Bodenhausen: Feldversuche sind allgemein schwierig, weil es so viel Diversität im Boden gibt. Schon innerhalb von ei-nem Feld kann sich das Mikrobiom sehr stark unterscheiden. 

bioPress: In der Bio-Branche gehen wir fest davon aus, dass die chemische Landwirtschaft den Boden kaputt macht, dass er versandet, seine Haftungsfähigkeit verliert. Untermauern Ihre Studien das?

Bodenhausen: Ja, das stimmt. Aber die Struktur des Bodens hat nicht nur mit Pestiziden zu tun, sondern auch mit Regenwürmern und vielen anderen Faktoren. Biologische Landwirtschaft ist ja nicht nur die Freiheit von Pestiziden, sondern zum Beispiel auch biologische Düngung, Gründüngung, die die Struktur des Bodens ändert. 

Gfeller: Im DOK-Versuch wurde sehr schön gezeigt, dass Düngung mit Mist oder Gülle im Vergleich zu chemischen Düngemitteln einen relativ großen Effekt aufs Mikrobiom hat. Zwischen den Anbaumethoden mit Hofdünger gibt es nur kleinere Unterschiede. Wobei man sagen muss, dass die Richtlinien in der Schweiz allgemein ziemlich streng sind, also auch für die Konventionellen. Wir haben hier eine andere Situation als zum Beispiel in den USA, mit Monokulturen und superintensiver Landwirtschaft. Das verkleinert wohl auch die Unterschiede zwischen den Mikrobiomen verschiedener Anbaumethoden. 

bioPress: Je nachdem, wie der Boden gefüttert wird, entwickelt sich also das Mikrobiom. Ist am Ende dessen Balance ausschlaggebend?

Gfeller: Ja, und die Diversität. Für Resilienz braucht es eine Kombination aus Diversität und Balance, der Ausgewogenheit der Gemeinschaft. Das wurde auch in Bezug auf die menschliche Gesundheit bereits gezeigt. 

Bodenhausen: Wenn Pathogene ein Biom dominieren, es also aus dem Gleichgewicht ist, spricht man von einer Dysbiose. Ganz viele verschiedene Organismen im Darm sind am besten. Wenn eines sehr dominant ist, kann das gefährlich sein. 

bioPress: Pestizide alleine scheinen nach Ihren Studien nicht das Entscheidende. In der konventionellen Landwirtschaft gehen sie allerdings häufig mit Monokulturen einher… 

Bodenhausen: Stimmt, deshalb bildet der DOK-Versuch die Realität vielleicht nicht ganz 1:1 ab. Unser dort untersuchtes konventionelles System betreibt nämlich die gleiche 7-Jahres-Fruchtfolge wie das biologische. Andernfalls könnten die Unterschiede noch viel größer sein.

Gfeller: Wir haben keine Studien, wo wir den Effekt von Pestiziden alleine testen. Es geschieht immer im Zusammenhang mit den Anbau-Methoden, die sich aber noch in vielen weiteren Aspekten unterscheiden. 

bioPress: Gibt es Studien dazu, ob Erzeugnisse aus der Bio-Landwirtschaft anders schmecken als solche aus konventionellem Landbau?

Bodenhausen: Am FiBL gibt es keine Forschung dazu. Was wir wissen, ist, dass Pflanzen eine Art Immunsystem haben und sich gegen Pathogene verteidigen können. Sich selbst zu verteidigen, wie sie es bei Bio müssen, ist gut für die Pflanze. Dann werden mehr Sekundärmetaboliten produziert und es gibt auch mehr Geschmacksstoffe, wie man es zum Beispiel bei Bio-Karotten selbst merken kann.

Gfeller: Studien zum besseren Geschmack von Bio kenne ich keine. Die meisten Belege für einen mikrobiellen Einfluss auf die Geschmackschemie von Pflanzen beruhen auf Studien, bei denen Pflanzen bestimmten Bakterien- oder Pilzstämmen ausgesetzt wurden. So kann die Beigabe von lebenden Bakterien oder Pilzen zum Pflanzensubstrat etwa den Vitamin-C-Gehalt in Tomaten und Erdbeeren erhöhen und die Antioxidantien in Basilikum und Paprika steigern. Außerdem wurde kürzlich gezeigt, dass die chemische Zusammensetzung von Senfkör- nern und somit deren Geschmack vom Bodenmikrobiom abhängt.

Ich denke, wenn man ein dysbiotisches (aus dem Gleichgewicht geratenes) Mikrobiom hat, dann hat das klarerweise auch einen Effekt auf das Wachstum und die Qualität der Erzeugnisse. Sind Erbsen beispielsweise von Wurzelfäule befallen, hat man eventuell am Ende nur eine sehr kümmerliche Ernte, die man nicht essen würde. Das hängt mit den Bodenmikroben zusammen. 

bioPress: Wie kann das Mikrobiom von der Landwirtschaft positiv beeinflusst werden?

Gfeller: Man weiß, dass die bereits erwähnten Sekundärmetaboliten, die wir auch riechen und schmecken, das Mikrobiom sehr stark beeinflussen können. Ich arbeite hauptsächlich mit dem Wurzelmikrobiom und dort konnten die Effekte sehr deutlich gezeigt werden. Auch was Pflanzen nach dem Anbau zurücklassen, beeinflusst die nächste Generation von Pflanzen in der Fruchtfolge. Man muss daher weiter denken als bis zur Pflanze, die man erntet.

Eine niederländische Studie hat gezeigt, dass die Intensität der Landwirtschaft den Haupteinfluss auf die Bodenfunktionalität hat. Der Unterschied zwischen Bio und Nicht-Bio war hier weniger groß als zum Beispiel zwischen Pflügen und Nicht-Pflügen. 

bioPress: Nun sprechen wir doch mit dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau… Welche Argumente für den biologischen Landbau können sie uns noch mitgeben?

Bodenhausen: Es gibt viele verschiedene Geschichten, die man erzählen kann. Bei einer Studie hat man zum Beispiel auf den Äckern von Landwirten, die schon seit 20 Jahren Ökolandbau betreiben, immer noch alte Rückstände von Pestiziden gefunden, die immer noch einen negativen Einfluss auf Mykorrhiza-Pilze, die in einer engen Symbiose mit den Wurzeln von Pflanzen leben, haben. Je mehr Pestizide, desto weniger symbiotische Pilze mit positivem Einfluss. Wir wissen, dass die Bio-Bewirtschaftung die bessere Wahl ist, aber es gibt noch viel Forschungsbedarf.

bioPress: Böden werden durch Landwirtschaft immer weiter abgetragen. Wie kann man ihren Zustand wieder verbessern?

Gfeller: Verarmte Böden kann man zum Teil wiederbeleben, wenn man neue Mikroben dazugibt. Was im Ökolandbau angewandt wird, ist das Ausbringen von Kompost und Gründüngung. Das kann das Mikrobiom positiv beeinflussen und dafür sorgen, dass die Pflanzen sich besser gegen Schädlinge wehren können.

Bodenhausen: Es braucht viel Zeit für die Mikroorganismen, das Material zu verdauen, und das ist eigentlich gut. Wenn man chemische Mineraldünger verwendet, führt das zu eher schnell wachsenden Mikroben, dafür ist der Effekt auch schnell wieder weg und der Kohlenstoffgehalt nimmt langfristig ab. Bio-Dünger unterstützen eher, dass Nährstoffkreisläufe dauerhaft aufrechterhalten werden.

In einem Versuch haben wir das Potenzial von Mykorrhiza-Pilzen gezeigt. Bei gesundem Boden hatte die ‚Impfung‘ mit den Pilzen keine positive Wirkung, aber bei krankem Boden – mit vielen pilzlichen Krankheitserregern – konnte der Ertrag um bis zu 40 Prozent gesteigert werden. Die Mykorrhiza-Pilze wirken also wie eine Art Schutzschild gegen Krankheitserreger.

Gfeller: Wenn man das Mikrobiom kennt, kann man auch besser vorhersagen, ob ein Produkt oder ein Kompost funktionieren kann oder nicht. Die Forschung dazu ist am Laufen.

bioPress: Welches Thema möchten Sie unseren Lesern noch mitgeben?

Gfeller: Sehr spannend finde ich die Züchtung von Varietäten, die besser mit dem Mikrobiom interagieren. Bei Bio-Züchtung von Anfang an ‚lernen‘ die Pflanzen schon, wenn sie gezüchtet werden, mit diverseren Bedingungen umzugehen. Da sehe ich großes Potenzial – auch für die Weiterentwicklung des Ökolandbaus.

Interview: Erich Margrander und Lena Renner
 

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