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Fairer Handel – mit selbst-bestimmten Produzenten

Die Forderungen des Kleinbauern-Netzwerks SPP Global
 

Fairer Handel – mit selbst-bestimmten Produzenten © SPP Global
Kaffee-Verkosterin und Verkäufer in der peruanischen Kooperative Sol&Café

SPP Global, ein internationales Netzwerk ökologischer Kleinproduzentenorganisationen, machte auf der Biofach 2020 auf die sozialen Probleme auch innerhalb des Fairtrade-Handels aufmerksam. Außerdem wies die Organisation auf eventuelle fatale Folgen der Revision der EU-Öko-Verordnung für Kleinerzeuger hin.

Das 2006 gegründete Netzwerk SPP Global bringt kleine ökologische Erzeugerorganisationen mit internationalen Käufern zusammen und hat in den letzten drei Jahren ein jährliches Marktwertwachstum von rund 50 Prozent erzielt. Momentan sind es 150 Erzeugerorganisationen in 28 Ländern und 44 Käufer in 18 Ländern in Europa, Nordamerika, Lateinamerika und Asien.

Auf der diesjährigen Biofach-Veranstaltung vertreten waren unter anderen die Asociación Barrilense de Pequeños Productores de Guatemala, die Federación Comercializadora de Café Especial de Guatemala sowie die Organisation Exportadora de Café Especial de Guatemala SA.

Die Forderung von SPP Global an Einzelhändler und Importeure gleichermaßen lautete, die dringende Notwendigkeit der Zahlung der tatsächlichen Produktionskosten vor allem von Bio-Kakao, Kaffee und dem Vollrohrzucker-Erzeugnis Panela für den Lebensunterhalts der Erzeuger zu erkennen. Die Handels- und Verarbeitungsbranchen sollten „den Preis zahlen, nicht die Konsequenzen“. Damit wurde darauf hingewiesen, dass die negativen Folgen eines sozial nicht ausgewogenen Handelssystems auch die Beschaffungssicherheit beeinträchtigen können – selbst im Fairtrade-System.

Forderungen SPP Global

Der Exekutivdirektor des SPP Global, Jerónimo Pruijn, stellte im Rahmen der Biofach-Konferenz eine zeitgleich lancierte SPP Erklärung und deren drei zentrale Botschaften vor:

  • Das SPP schreite mit Mindestpreisen voran, die deutlich über den niedrigen Marktpreisen für landwirtschaftliche Produkte wie Kaffee, Kakao und Panela liegen.
  • SPP Global sende einen Notruf bezüglich der Risiken, die die neuen Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft für ökologische Produkte für Millionen von Kleinerzeugern der Welt bedeuten.
  • Das SPP fordere, dass den Erzeugern wirklich nachhaltige Preise gezahlt werden, um fatale Folgen für die ganze Welt zu vermeiden.

So fasst Jerónimo Pruijn die SPP-Ziele zusammen: „Wir streben nach der Anerkennung unserer hochwertigen Produkte, nach einem würdigen Leben und einem gesunden Planeten für alle, in Partnerschaft mit engagierten Unternehmen und Verbrauchern. Eine unabhängige Zertifizierung unterstützt uns dabei.“ Er betonte auf Nachfrage, dass die Kritik nicht grundsätzlich gegen das Fair Trade System und die darauf aufbauenden Labelprogramme gehe: „Wir richten uns an die Fair Trade-Bewegung insgesamt, unsere Forderungen aktiv aufzunehmen, insbesondere bezüglich der Erhöhung der Mindestpreise.“

Fairtrade in Bauernhand

Im Gegensatz zu den meisten Fairtrade-Akteuren befindet sich SPP vollständig im Besitz von kleinen Bio-Erzeugern. Diese haben daher alle Kontrolle über die Entscheidungsfindung bezüglich der anzuwendenden Standards und Regeln. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, delegiert das SPP die Zertifizierungsprozesse an unabhängige Stellen - was dem Markt mehr Sicherheit gibt. Im SPP definieren die Erzeuger selbst, was ein wirklich fairer Handel ist, der ihnen ein menschenwürdiges Leben ermöglicht.

Daher liegen die SPP-Preise im Allgemeinen deutlich über den Marktpreisen und auch über anderen Fairer-Handel Referenzen: Es gibt Fair Trade-Optionen mit viel niedrigeren Mindestpreisen als das SPP. „Wenn das SPP weiterhin stetig wächst, ist das auf das starke Engagement von SPPs Einkäufer-Firmen und ihrer Verbraucher zurückzuführen, denn sie verstehen die Notwendigkeit, dass der faire Handel wirklich fair sein muss“, ergänzt Jerónimo Pruijn die Entwicklungsperspektiven. Beim SPP sind alle Produkte physisch bis zu ihrem Ursprung rückverfolgbar. Bei Mischprodukten muss ein hoher Prozentsatz der Zutaten von Kleinerzeugern stammen.

Revision der EU-Öko-Verordnung bedroht Gruppenzertifizierung
Wichtiges Thema bei SPP Global ist zurzeit die Revision der EU-Öko-Verordnung und die Folgen für ihre Mitglieder. Über mehrere Jahrzehnte hinweg hätten die Prüfung und Zertifizierung der internen Kontrollsysteme von Kleinerzeugerorganisationen Hunderttausenden von Kleinerzeugern den Zugang zu den Märkten für ökologische Produkte ermöglicht. Dies wäre unerreichbar, wenn sie einzeln zertifiziert werden müssten – dies ist bei den großen Herstellern und bisher bei den kleinen europäischen Herstellern der Fall.

Die neue europäische Verordnung EU 2018/848 für den Bio-Sektor, die am 1. Januar 2021 gültig werden sollte, sehe eine Reihe von Änderungen vor, die den Zugang von Kleinerzeugern im Süden ernsthaft behindern könnten.

Positiv sei, dass europäische Kleinerzeuger nun erstmals als Gruppe zertifiziert werden können. Doch einige Artikel, die für die sich im Prozess der Verabschiedung befindliche sekundäre Verordnung vorgeschlagen werden, hätten bei Realisierung erhebliche negative Auswirkungen.

Steigende Zertifizierungskosten

Erstens müssten Bio-Kleinerzeuger-Organisationen für jede Gruppe der ersten Ebene, aus der sich Organisationen der zweiten Ebene zusammensetzen, und für jede Verarbeitungs- oder Vermarktungseinheit, die Teil derselben Kleinerzeugerorganisa- tion ist, separate Zertifikate haben. Zweitens werde eine mögliche Grenze von 500 oder 1.000 Erzeugern pro zertifizierbarer Einheit diskutiert. Jede Gruppe müsse ausschließlich aus Erzeugern bestehen, die die Kriterien der maximalen Größe erfüllen und ökologisch zertifiziert sind. Drittens erwäge die Verordnung eine Änderung der Berechnungsmethode für die Festlegung der Stichprobe von Erzeugern und Parzellen, die vor Ort zu prüfen sind. Das wirke sich direkt auf die Zertifizierungskosten für diese Erzeuger aus.

Wenn dieses Maßnahmenpaket so umgesetzt werde, wie es anscheinend in der sekundären Gesetzgebung vorgesehen sei, würden enorme Schäden für eine beträchtliche Anzahl von Kleinerzeugern in Lateinamerika, Afrika und Asien erwartet – die seit vielen Jahren ihren Markt in Europa aufgebaut hätten. Die Kosten der Zertifizierung würden so stark steigen, dass sie diese Zertifizierung aufgeben müssten und damit den Zugang zum europäischen Markt verlieren würden.

Peter Jossi

 

SPP Global
SPP Global definiert seine Zielsetzung:
„Dass die Organisationen der Kleinproduzenten einen lokalen und globalen Markt aufbauen, der die Identität und die wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und ökologischen Beiträge ihrer Produkte und Organisationen wertschätzt, in einer Beziehung, die auf Zusammenarbeit, Vertrauen und Mitverantwortung beruht zwischen Männern und Frauen, die Kleinproduzenten, Käufer und Konsumenten sind.“
Die Vision sei:
„Dass die Organisationen der Kleinproduzenten sicherstellen, dass lokale und globale Märkte und Gesellschaften den Beitrag ihrer Produkte, ihrer Organisationen und ihrer Verbündeten zu einer ausgewogeneren Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur und Umwelt schätzen und belohnen.“
Informationen und Quellen: 
https://spp.coop/?lang=en
Erklärung „Zahlen wir den Preis, nicht die Konsequenzen“
Biofach 2020:
https://spp.coop/wp-content/uploads/2020/02/ DE_DECL_CONF_SPP-Biofach_V3.pdf
 
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