Bio-Plastik
Bio in Plastik – nur mit Bio-Plastik?
Die Bioszene galt lange Zeit als Vorbild für eine ökologische beziehungsweise nachhaltige Lebensphilosophie und sie ist es noch. Doch ist der aktuelle Wandel hin zu mehr Convenience auch tatsächlich zeitgemäß und zukunftsfähig?
Am Beispiel der Verpackung zeigt sich, dass die Zeiten von unverpackten Lebensmitteln vorbei zu sein scheinen. Vielmehr geht es um eine ansprechende und funktionelle, aber auch hygienisch einwandfreie und ökonomisch sinnvolle Verpackung. Wie steht es um das Bewusstsein der Biobranche in Bezug auf Müllvermeidung oder den Gebrauch wiederverwendbarer Materialien?
„Probieren Sie doch mal eine Tasse unseres Haustees!“ Der Begründer von Lebensbaum und Pionier der Biobranche Ulrich Walter schenkt seine Tees und Kaffees auf der Biofach stets in Tassen oder Teegläsern aus. Auch Yogi-Tea setzt auf Keramik-Tassen.
Während einige Aussteller auf der Biofach bewusst Mehrweggeschirr für ihre Verkostungen – zumeist Säfte, Tee oder Kaffee – anboten (z. B. Beutelsbacher, Bio-Lutz-Säfte, Bergland-Kräutertee, Ökotopia Tee oder Keiko), enttäuschte ein Großteil der Aussteller durch die Verwendung von Einwegbechern und –Tellern.
Besonders Milch, Jogurt, Sojadrinks, Tee, Kaffee und Säfte aber auch Wein, Eis und Salate wurde den Fachbesuchern zumeist in Einweg-Kunststoffgeschirr gereicht, was eine enorme Ressourcenverschwendung bedeutet und am Ende der Biofach zu einer hohen Abfallmenge führte.
Was ist der Grund für die – zumindest subjektiv empfundene – Zunahme an Einweggeschirr auf der Biofach? Natürlich besticht das Geschirr durch seine kostengünstige Beschaffung und leichte Entsorgung.
Der zusätzliche Aufwand des Spülens und des Transports erfordert ökonomische wie personelle Ressourcen. Ein weiterer Grund könnten ökonomische Verluste durch den hohen finanziellen Einsatz der Beschaffung und möglicher Verluste durch Bruch oder Schwund des Mehrweg-Geschirrs sein.
Doch bei Yogi-Tea spielt das keine Rolle: Es würden nur sehr wenige Tassen am Ende der Biofach fehlen und das ausgeklügelte Spülsystem hätte sich bislang durchaus bewährt.
Auch bei Lebensbaum sprechen die Vorteile für das Mehrwegsystem, denn aus stilvollen Tassen und Gläser schmecken Tee und Kaffee gleich viel besser. Zudem wäre das immense Müllaufkommen eine Herausforderung, die gar einen zusätzlichen Raum für Einweggeschirr und Abfall notwendig machen würde.
Tipp: An dieser Stelle könnte die Nürnberg Messe dem Münchner Stadtratsbeschluss aus den 1990er Jahren folgen, nach dem bei Veranstaltungen auf öffentlichem Grund angebotene Speisen und Getränke nur in pfandpflichtigen, wiederverwendbaren Verpackungen und Behältnissen ausgegeben werden dürfen.
Die Biobranche muss Nachhaltigkeit ernst nehmen
Das Thema Verpackungsmüll sowie ein sensibler Umgang mit Kunststoffen in der Biobranche ist in den letzten Jahren stark vernachlässigt worden. Das Bewusstsein für nachhaltiges Handeln auf allen Ebenen sollte jedoch gerade hier eine größere Beachtung finden.
Der Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) empfiehlt seinen Mitgliedern den Verpackungsleitfaden des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) von 2011.
Auch die großen Anbauverbände haben Vorgaben für Hersteller entwickelt, die der BÖLW ebenfalls in einem Dokument zusammengefasst hat. Die Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller (AöL) arbeitet gerade in einem Arbeitskreis an Empfehlungen zum Einsatz von Kunststoffen aus nachwachsenden Rohstoffen im Verpackungsbereich, deren Ergebnisse aber wohl erst Anfang 2015 nachzulesen sein werden.
Verpackungsmaterialien aus nachwachsenden Rohstoffen spielten als Alternativen zu den herkömmlichen, erdölbasierten Kunststoffen auf der diesjährigen Biofach eine zunehmend große Rolle. Eine Reihe von Herstellern präsentierten Verpackungsideen aus verschiedensten Rohstoffen: von Palmblatt-Tellern über Regenponchos aus Kartoffelstärke bis hin zu Salatschalen aus Zuckerrohrfasern.
Diese neuartigen Verpackungsmaterialien finden nun immer häufiger ihren Weg in die Biobranche – häufig als Frischobstschale oder Verpackungsfolie.
Ist nachwachsend gleichbedeutend mit Verdrängen?
Auf den ersten Blick eine vielversprechende Möglichkeit, herkömmliche Kunststoffe zu ersetzen. Doch scheint die Branche nicht überzeugt und bleibt vorsichtig. Denn eine Reihe von Fragen bleibt ungelöst: Wie zukunftsfähig sind diese neuen Materialien? Ist der Einsatz von Rohstoffen, die auch Lebensmittel sein können, zur Herstellung kurzlebiger Verpackungen ethisch vertretbar?
Doch nicht nur Hersteller und Verarbeiter, auch der Einzelhandel muss sich mit dem Thema der Verpackungen auseinandersetzen. Noch immer sind im LEH - insbesondere in der Obst und Gemüse-Abteilung – zumeist herkömmliche Plastiktüten zu finden. Sie gelten als relativ stabil und werden zu Hauf an die Kundinnen und Kunden weitergegeben.
Doch ist es nicht langsam Zeit, sich von den Plastiktüten zu verabschieden? Selbst die EU-Kommission hat im vergangenen Jahr gar ein Verbot der Plastiktüte gefordert. Welche Alternativen gäbe es denn?
Die Papiertüte
Da derzeit keine garantierte Lebensmitteltauglichkeit für Papiertüten aus Altpapier bescheinigt werden kann, bleibt nur das Frischfaserpapier als Einkaufstragetasche, für die Frischetheken und Obst-/ Gemüseabteilungen.
Doch auch wenn aus vorbildlich bewirtschafteten Wäldern hergestellt, müssen Bäume dafür gefällt werden. Bei einem Jahres-Papierverbrauch in Deutschland von rund 250 Kilo pro Kopf ist das eine große Anzahl an Bäumen!
Der Stärkebeutel aus Kartoffeln, Mais oder Zuckerrohr?
Nach den bisher vorliegenden Ökobilanzen können diese neuartigen Beutel teilweise besser abschneiden als andere Alternativen, doch zeigt die ganzheitliche Betrachtung ein negatives Bild. Insbesondere bei Mais als Rohstoff handelt es sich häufig um gentechnisch verändertes Saatgut, welches in Monokulturen unter massive Einsatz von Wasser, synthetischer Düngemittel und Pestiziden angebaut wird.
Der Zuckerrohranbau ist vielfach geprägt von Menschenrechtsverletzungen, Landkonflikten und Flächengenerierung durch Regenwaldab- holzung. Insgesamt stellt sich die Frage nach Flächenkonkurrenzen zum Anbau von Lebensmittel für den menschlichen Verzehr und somit die globalen Auswirkungen auf die Welternährung.
Daran schließt sich der ethische Zwiespalt an, Nahrungsmittel für die Herstellung kurzlebiger Einwegtüten zu verwenden, während knapp eine Milliarde Menschen an Hunger leiden. Zudem besteht das Problem der Entsorgung. Meist bestehen die Beutel zu einem großen Anteil noch aus erdölbasierten Bestandteilen und nur zu einem kleineren Anteil aus dem sogenannten nachwachsenden Rohstoff.
Auch kompostierbare Varianten werden bislang in der Vorsortierung der Kompostierungsanlagen händisch aussortiert und der thermischen Verwertung zugeführt. Sie verrotten in den bestehenden Anlagen nämlich nicht ausreichend verkompostiert – sie brauchen Wochen länger als der Kompostmüll – und auch ein spezielles Sortier- bzw. Recyclingsystem gibt es derzeit nicht.
Als sinnvolle Alternativen haben sich bislang keine der bestehenden Ansätze auf dem Markt platzieren können. Eine Faserrestenutzung wie beim Zuckerrohr ist ein Ansatz, Abfälle sinnvoll zu verwerten (zur Herstellung papierähnlicher Tüten und Schalen). Doch ist diese Idee nicht für den großflächigen Einsatz geeignet. Zudem sollten auch hier Nachhaltigkeits-Standards gelten, wie es beispielsweise der Bio-faire Handel vormacht.
Auch die Verwendung von Algen oder Pilzmycel als Ausgangsmaterial sind gut gemeinte, aber großflächig kaum umsetzbare Ideen. Es fehlt vor allem an finanzierten Forschungsprojekten, hier dringend notwendige, echte Alternativen (z. B. Mehrweg-Pfandsysteme) zu entwickeln.
Insbesondere für den Einzelhandel ist es wichtig, mit den Konsumenten zu kommunizieren. Es ist notwendig zu erklären, warum es keine kompostierbaren Beutel in der Obst & Gemüse-Abteilung gibt.
Das Bewusstsein in Bezug auf Müllvermeidung oder den Gebrauch wiederverwendbarer Materialien muss wieder geschärft werden. Vielleicht könnte das Wiederverwenden der Beutel und Taschen stärker gefördert werden, beispielsweise dadurch, dass die Beutel in Zukunft etwas kosten. Der Demeter Verband bietet stabile lebensmittelechte Mehrweg-Polyesternetze für Obst und Gemüse für den Einzelhandel an, deren Anschaffungskosten an die Kunden weitergegeben werden könnten.
In den Niederlanden sind in Bioläden vermehrt wieder Abfüllstationen loser Ware, wie Müsli, Flocken, Nudeln oder Nüsse zu finden und keinesfalls als rückschrittlich zu bezeichnen. Um auch in Zukunft den Vorbildcharakter für ein nachhaltiges Leben nicht zu verlieren, sollte insbesondere im Biobereich ein Umdenken stattfinden und hinsichtlich des Einsatzes von unvermeidbaren Verpackungsmaterialien weiterhin der Ausspruch gelten: „so viel wie nötig, doch so wenig wie möglich“, denn weniger ist letzten Endes mehr!
Andreas Beier
Die faire Flasche für die Tasche
Lieber Einweg statt Mehrweg? Trotz der Bekundung, die Verantwortung für Mensch und Natur bedeute langfristig (zu) denken und nachhaltig (zu) handeln, präsentieren Bio-Hersteller ihre Produkte in pfandfreien Glasflaschen.
In einem Getränkeverpackungsranking hinsichtlich der Ökobilanz fänden sich diese Einweg-Glasflaschen weit abgeschlagen hinter allen Mehrwegsystemen! Fazit: Verpackungswahl enttäuschend!
Info-Quellen
„Nachhaltige Verpackung von Bio-Lebensmitteln – Ein Leitfaden für Unternehmen“ (2011) unter: www.boelw.de/verpackung.html
sowie die „Bio-Verbandsvorgaben zur Verpackung - Positivlisten“ (2010) unter:
www.boelw.de/381.html?&0
Umdenken ist gefragt
Ein Bioladen in Vorarlberg (Österreich) macht es bereits vor: Papiertüten liegen zum kostenlosen Gebrauch in der Obst & Gemüse-Abteilung. Für Salate und ähnliches gibt es stabile, durchaus mehrfach nutzbare Beutel aus recyceltem Kunststoff zu einem Stückpreis von wenigen Cent. Die Kommunikation mit den Kunden ermöglicht eine größtmögliche Akzeptanz.