Ein Produkt deutscher Ess-Kultur
Bio-Senf aus Schwäbisch Hall from-field-to-fork
{mosimage}Mit Bio-Senf von Hohenloher Feldern hat die Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall (BESH) den Markt bereichert. Acht Sorten werden hergestellt und in 190 Milliliter Gläser abgefüllt zum Endverbraucherpreis von 4,90 Euro. Die Feinkost-Senfe werden in der gehobenen Gastronomie und in Delikatessen-Geschäften abgesetzt. Die Hohenloher Bauern arbeiten nach dem strategischen Ansatz from-field-to-fork (vom Feld zur Gabel). Die Stufen Erzeugung und Herstellung in der Wertschöpfungskette sind in einer Hand, wie BESH-Vorstandsvorsitzender Rudolf Bühler erläutert. Zu Bio-Wurst und -Fleisch gibt die Bäuerliche jetzt noch ihren Senf dazu.
Auf dem Acker fängt alles an. Die leichten Löss-Böden in Hohenlohe sind ideal für die Pflanze. Im Mai, also recht spät, wird gesät. Die gelben Blüten sind vielen Spaziergängern bekannt. Die einjährige Pflanze wird häufig zur Gründüngung benutzt. Als Gewürzpflanze ist Senf auf deutschen Äckern eher selten anzutreffen. Die Saat wird meist aus Osteuropa importiert, auch für Bio-Senf.
Die rasch wachsende Pflanze wird Ende August gedroschen. Bei der Ernte muss es selbstverständlich trocken sein. „Senf ist eine gutmütige Kultur“, charakterisiert Bauer Bühler das Gewächs.
Für den Doppelzentner werden rund 190 Euro gezahlt. Bei Hektar-Erträgen von 20 Doppelzentnern ist das lukrativ. „Der Gewürzanbau ist eine zusätzliche Einkommensquelle für die Bauern“, betont Bühler.
Gewürzanbau in Hohenlohe
Die BESH hat auf Initiative von Rudolf Bühler den Gewürzanbau in Hohenlohe eingeführt. Neben Senf wird noch Koriander und Kümmel gesät. Landwirte des Anbauverbandes Ecoland aus Hohenlohe haben sich vor fünf Jahren zu einer Gewürz-Gruppe zusammen geschlossen. „Wir wollen den Gewürzanbau dauerhaft etablieren. Das ist eine Sache von Jahrzehnten“, betont BESH-Vorstand Bühler. Zu den drei Kulturen Kümmel, Koriander und Senf könnten in den nächsten Jahren weitere dazu kommen - vielleicht Kräuter, wagt Bühler einen Ausblick. Die Gewürze werden in der eigenen Metzgerei in der Wurst verwendet, im Gewürz-Sortiment Spicy Village im Handel vermarktet und zu Senf verarbeitet.
Weiße, gelbe, braune und schwarze Körner gibt es. Dabei gilt, je dunkler desto schärfer. Sie Senfsaat selbst ist noch nicht scharf. Die Körner werden gemahlen und mit Wasser vermischt. Erst durch die Fermentierung entsteht die Schärfe. Hinzu kommen Salz, Essig, Süßmittel und Kräuter, die der Würzpaste Geschmacksnoten hinzu fügen.
BESH-Metzgermeister Dieter Mayer, der Mann mit dem Händchen für Gewürze in der Wurst, entwickelte auch die Rezepturen für das Senfsortiment. Die BESH gibt dem Bio-Senf mit seinem Ursprung in Hohenlohe eine Heimat und fügt der handwerklichen Herstellung einen weiteren Wert hinzu. Echt Hällischer Senf heißt die eingetragene Kollektiv-Marke. 15 Jahre muss die Marke mindestens geführt werden, dann kann die Gemeinschaft bei der EU einen Antrag auf geschützte Herkunft stellen. Produkte mit geschütztem Ursprung (g.U.) oder geschützter geografischer Angabe (g.g.A) sind regionale Produkte mit tatsächlichem Mehrwert. Vom Kollektiv erarbeitete Richtlinien legen Standards fest, die kontrolliert werden. Jeder Hersteller kann sich danach zertifizieren lassen.
Senf-Sortiment mit acht Artikeln
Das Sortiment von acht Artikeln ist unterteilt in die drei Basis-Artikel Black Mustard, Classic und Ganzkorn. Hinzu kommen die fünf Variationen Balsamico-Honig, Chili, Curry, Feigen, Grüner Pfeffer. Ein Teil der Gewürze stammt aus dem Ecoland-Gewürzprojekt in Indien. Den Honig für den süßen Senf gewinnt ein hohenlohischer Imker. Einige Zutaten wie Rohrzucker, Feigen, Balsamico und Salz müssen zugekauft werden. Die BESH hat das Guérande-Meersalz ausgewählt. Denn Salz ist nicht gleich Salz. Nur das handgeschöpfte aus der Bretagne war Metzgermeister Mayer gut genug.
Den Senf zur Wurst stellt die BESH jetzt selbst her.
Die Geschmacksrichtungen reichen von süß, mild, mittelscharf, scharf bis sehr scharf. „Das Sortiment steht, die wichtigsten Varianten haben wir. Eine neue Sorte ist aktuell nicht in der Entwicklung“, sagt Bühler. Die verschiedenen Bedürfnisse wie ein süßer Senf zur Weißwurst oder der Feigensenf zum Bio-Käse aus Geifertshofen in Hohenlohe sind abgedeckt. Eine Hauptsorte hat sich bisher nicht herauskristallisiert im Verkauf. Die Kundengunst verteilt sich relativ gleichmäßig. Nach einer Testphase führte die BESH das Sortiment 2008 ein.
Die Verarbeitung der Senfsaat erfolgt in einer Senfmühle im Remstal. „Wir wollen keine eigene Senfmühle aufmachen“, stellt Bühler klar. Wichtig ist der BESH, dass die Wertschöpfung in der Region bleibt.
Senftradition bis zur Antike
Der Senf aus der Familie der Kreuzblütengewächse kam in der Antike vor über 2000 Jahren aus Ägypten zu den Römern. Aus der Zeit ist ein Rezept für die Senf-Herstellung überliefert. Sie brachten ihn über die Alpen ins damalige deutsche Kaiserreich. Hier entstand eine ausgeprägte Senfkultur. Die Auswahl an Gewürzen war gering. Exotischer Pfeffer aus den Tropen war für die Bürger schier unerschwinglich. Was in der Heimat wuchs und gedieh, würzte die Speisen. Schärfe gaben Senf und Meerrettich von heimischen Äckern.
Senf ist meist als Paste bekannt. Rund 70.000 Tonnen werden in Deutschland jährlich produziert. Deutschland steht damit an zweiter Stelle hinter Frankreich. Der Bio-Anteil liegt im kleinen einstelligen Bereich.
Im Handel ist viel vom Gleichen: Tafelsenf mittelscharf in unterschiedlicher Verpackungsgestaltung, mit ähnlichem Preis und einheitlichem Geschmack. „In den vergangenen Jahren gab es eine Renaissance der Senfkultur“, hat Rudolf Bühler beobachtet. Viele kleine Senfmühlen sind entstanden, wie bei den Slow Food Messen offenbar wird. Handwerklich hergestellt mit mehr Geschmack und abwechslungsreicher als der Industriesenf gewinnt die Gewürzpaste immer mehr Freunde.
„Das Interesse ist stark. Die Umsätze wachsen stetig“, bemerkt Bühler. Im Moment werden die Vertriebskanäle Gastronomie, Großküchen und Feinkost-Geschäfte deutschlandweit bedient. Für die Großverbraucher gibt es ein 500-Milliliter-Gebinde. Kapazitäten für weitere Vertriebsschienen des qualitätsorientierten Handels sind vorhanden.
Anton Großkinsky