COSMOS – Neuer unabhängiger Standard für Naturkosmetik
Mit zweistelligen Zuwachsraten pro Jahr war Naturkosmetik in den vergangen Jahren ein wesentlicher Wachstumsträger im Kosmetikmarkt. Das dynamische Wachstum hält weiterhin an. In Europa, Nordamerika und Asien ist in den kommenden Jahren mit zweistelligen Wachstumsraten zu rechnen. Die Anteile am Gesamtkosmetikmarkt werden weiter deutlich zunehmen. Das größte Wachstum ist in Frankreich zu verzeichnen. Hier liegen die Zuwachsraten der letzten beiden Jahre zwischen 30 und 40 Prozent.
Im immer größer werdenden Angebot an natürlichen, pflanzlichen und biologischen Kosmetika stellt das BDIH-Prüfzeichen für kontrollierte Naturkosmetik seit fast einem Jahrzehnt eine vertraute Konstante dar. Eingeführt wurde es im Februar 2001 durch den BDIH in enger Zusammenarbeit mit namhaften Naturkosmetikherstellern. Seit der Einführung wurden etwa 5.000 Produkte zertifiziert.
Wertewandel in der Gesellschaft
Seit der Jahrtausendwende hat ein fundamentaler Wertewandel auf Bio-Konsumentenseite stattgefunden. Während in der Vergangenheit eine eher konsumkritische Haltung bei Bio- und Naturkosmetikkäufern vorherrschend war, stehen heute Genuss, Selbst-Aufwertung und Wellness im Vordergrund. Gleichzeitig stehen diese Motive im Einklang mit ethisch motiviertem Konsum. Dieses neue Käuferverhalten mit hoher Werteaffinität zu Gesundheits- und Nachhaltigkeitsthemen ist eine wesentliche Basis für das zweistellige Wachstum bei Naturkosmetik.
Verwässerung der Qualitätskriterien.
Doch dieses dynamische Wachstum und die Ansprache neuer Käufergruppen hat gleichzeitig zu einer immer undogmatischeren Einstellung und damit zu einer unklaren Definition von Begriffen wie „Bio“ und „Natürlichkeit“ geführt. Ergebnis dieses Käuferverhaltens sind einerseits unklare Auslobungen, das Hervorheben von Biobestandteilen in ansonsten konventionellen Naturkosmetikprodukten und daraus resultierend eine Verwässerung der Qualitätskriterien von Naturkosmetik. „Gerade im LEH oder SEH, aber auch in Drogerien, die nicht nur zertifizierte Naturkosmetik bzw. Biokosmetik im Angebot haben, ist es für die KäuferInnen in den letzten Jahren zunehmend schwierig geworden, auf den ersten Blick ein echtes Bioprodukt von einem nur natürlichen Produkt zu unterscheiden.
Auch die Vergabe einer Vielzahl an Labels für Naturkosmetik hat bei den meisten Naturkosmetikkäufern eher zur Verwirrung als zu mehr Klarheit geführt. Die Auseinandersetzung der Medien mit den verschiedenen Naturkosmetik-Labels hat bisweilen ebenfalls zu einer negativen Wahrnehmung des Themas geführt“, meint Jörg Demuth, Geschäftsführer von ANIKA und Initiator der Naturkosmetik-Harmonisierungsgruppe.
Harmonisierung und mehr
Nachdem sich die oben beschriebenen Trends bei Naturkosmetik bereits im Jahr 2003 abzeichneten, haben der BDIH (Deutschland), BIOFORUM (Belgien), COSMEBIO & ECOCERT (Frankreich), ICEA (Italien) und die SOIL ASSOCIATION (Großbritannien) nach sechs Jahren intensiver Arbeit und einer dreimonatigen öffentlichen Diskussion und detaillierter Verhandlungen die Veröffentlichung des so genannten COSMOS-Standard, einem neuen harmonisierten europäischen Naturkosmetikstandard bekannt gegeben. Die Ziele des neuen Standards gehen über die Harmonisierung von Minimalanforderungen für Naturkosmetik zwischen den europäischen Fachverbänden weit hinaus. Das langfristige Ziel des COSMOS-Standards ist es, durch die Anregung von Veränderungen bei Herstellungsstrukturen und Verbrauchsgewohnheiten aktiv zur Etablierung einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen“, kommentiert Riccardo Anouchinsky von ICEA.
Andere Zertifizierungskörperschaften, die nicht Mitglieder der Harmonisierungsgruppe sind, können sich für die Verwendung des COSMOS- Standards bewerben. Das Verfahren für die Bewerbung und Autorisierung beginnt am 30. September 2009.
„Mit einer solch wichtigen Entwicklung, die wir als wichtig für alle Schlüsselteilnehmer der Branche ansehen, öffnen wir den COSMOS-Standard auch für neue Mitglieder über Organisationen von Rohstofflieferanten, Kosmetiklaboren und Herstellern sowie Zertifizierungsagenturen“, schließt Harald Dittmar vom BDIH.
COSMOS: Looking beyond organic
Ursprungsgedanke und Ziel für die Schaffung eines neuen, international harmonisierten Standards war es gewesen, die internationalen, immer stärker exportorienteten Märkte transparenter und die Produkte vergleichbarer zu machen. Zugleich hatten alle vom ersten Tage an beteiligten Naturkosmetikanbieter das Ziel, Bio voranzubringen und das Profil von echter Biokosmetik in der Masse der Naturkosmetik-Produkte zu schärfen. Der engagierte Naturkosmetik-Hersteller hat daraufhin die Geschäftsführer der europäischen Naturkosmetik-Zertifizierer angesprochen.
„Vom ersten Treffen an waren Engagement und Energie für die Ebnung eines gemeinsamen Weges wahrnehmbar“, berichtet Demuth weiter, der das Ausscheren einer Gruppe von Naturkosmetik-Herstellern unter der Gruppiereung Natrue gewissermaßen auf der Zielgeraden sehr bedauert. „Leider hat es bis zur Einigung auf einen Standard sehr lang gedauert. Natürlich mussten kulturelle, aber auch technische und sprachliche Grenzen überwunden werden, denn „écologique“ und „organic“ sind im Sprachgebrauch einiger Beteiligter nicht unbedingt identisch. Und nicht zuletzt hat unser Konsenssystem, das sich mit Mehrheitsbildung im demokratischen Sinne nicht zufrieden geben konnte, da bei uns sowohl kommerzielle Zertifizierer als auch Interessenverbände Mitglied sind, auch sehr viel Zeit in Anspruch genommen.“
So seien die Maßstäbe der britischen Sol Association zu Beginn der Verhandlungen so streng gewesen, dass man auf der Basis keine Naturkosmetik nach heutigen Maßstäben mehr hätte herstellen können. Nach Auffassung der deutschen Delegation kann auf bestimmte Inhaltsstoffe in modernder Naturkosmetik nicht verzichtet werden, denn schließlich sind die Zielgruppe ja nicht nur Bio-„Extremkäufer“.
NaTrue – für das Vertrauen in Bio- und Naturkosmetik
Die Mitglieder von COSMOS betrachten ihre Arbeit gewissermaßen als Weichenstellung für eine private Richtlinie für Menschen, die jeden Tag mit den entsprechenden Rohstoffen arbeiten. Obwohl der Standard nun in seinen Inhalten festgeschrieben wurde, muss er nun noch von den beteiligten Verbänden und Firmen ratifiziert werden. Auch an den letzten administrativen Feinheiten die Zertifizierung betreffend wird derzeit noch gefeilt, was von der Konkurrenzorganisation Natrue bisweilen kritisch hervorgehoben wird.
Aber auch die Tatsache, dass es sich nach Auffassung der Naturkosmetik-Hersteller, die sich bereits im letzten Jahr zum Verband NaTrue zusammengeschlossen haben, bei dem neuen COSMOS-Standard lediglich um eine Selbstverpflichtung der Hersteller handelt, ist aus Sicht von NatTue nur unzureichend, um Naturkosmetik voranzubringen. Im Verband NaTrue sind sechs Naturkosmetikhersteller gemeinsam angetreten, um durch die Geschäftsstelle in Brüssel gezielt die europäische Gesetzgebung beeinflussen zu können.
Die Schaffung eines politischen Rahmens für Naturkosmetik ähnlich wie bei Biolebensmitteln wird hier als effektiver angesehen als lediglich die Selbstverpflichtung und Zertifizierung der Hersteller. Die mit dem NaTrue-Label ausgezeichneten Produkte sind bereits seit über einem Jahr auf dem Markt. Das Label wird in drei Stufen vergeben: Für Naturkosmetik, Naturkosmetik mit Bioanteil und reine Biokosmetik.
Glaubwürdigkeit von echten Bioprodukten wird gestärkt
Zwar wählen COSMOS und Natrue unterschiedliche Ansätze, sind aber grundsätzlich beide dafür angetreten, um Bio in der Naturkosmetik voranzutreiben und den Anteil der echten Biokosmetik zu steigern. So gib es im Naturstandard von COSMOS keine Möglichkeit, Bio in der Produktbezeichnung auszuloben – außer über die Kennzeichnung einzelner Biozutaten mit Sternchen.
Ein als Biokosmetik ausgelobtes Gesamtprodukt muss zu 95 Prozent der agrarischen Rohstoffe und der Rohstoffe der ersten physikalischen Verarbeitungsstufe aus Bioprodukten bestehen. Chemisch veränderte Substanzen, die aber natürlichen Ursprungs sind, wie z.B. Glycerylstearat dürfen bis zu fünf Prozent in den Bioprodukten vorhanden sein.
Jörg Demuth geht aber stark davon aus, dass sich der Standard sehr stark in Richtung von reinen Bioprodukten entwickeln wird. Als ersten und wichtigsten Schritt betrachtet der engagierte Geschäftsführer von ANIKA die Ratifizierung der Richtlinie durch alle beteiligten Verbände mit einer Übergangszeit von zwei bis drei Jahren. Neuprodukte werden ab jetzt grundsätzlich nach dem neuen Standard zertifiziert. „70 Prozent der 11.000 Produkte unserer Arbeitgruppenmitglieder sind biozertifiziert, der Rest sind Naturprodukte.
Verbände aus Brasilien, Japan, Schweden, USA und weitere haben ihr starkes Interesse signalisiert, Mitglieder in der Arbeitsgruppe zu werden. Es geht uns bei dem neuen Standard also nicht nur um die Qualität der Produkte, sondern um Vereinfachungen bei den Zertifizierungen im internationalen Handel“, fügt Demuth hinzu.
COSMOS-Logo ist ausbaufähig
Während der sechsjährigen Verhandlungen hat es zahlreiche Stolpersteine gegeben, so z.B. die Einstufung der Mengenanteile von Wasser oder Hydrolaten (Nebenprodukte aus der Destillation von ätherischen Ölen, die in Frankreich traditionell zur Körperpflege und als leichter Duft verwendet werden), die zum Teil einen Mengenanteil von 70 Prozent in einigen Körperpflegeprodukten ausmachen, aber nach Auffassung vieler Arbeitsgruppenmitglieder eben nicht auf den Bioanteil angerechnet werden können.
Auch der Umgang der Naturkosmetikhersteller in den USA mit dem Begriff „organic“ hat mit den strengen europäischen Biokriterien wenig zu tun. Wir meinen, dass den NaturkosmetikkonsumentInnen, nicht zuletzt denen im LEH, mit dem neuen COSMOS-Standard sehr geholfen ist. Gerade im LEH ist mit dieser Lösung eine bessere Preispolitik zu machen; hochpreisige Produkte stehen nicht mehr als scheinbar gleichwertige neben billigeren im selben Regal.
Das COSMOS-Logo, das sich ab 2011 auf jeder Verpackung zusammen mit dem Logo des Zertifiziererers befinden wird, macht diese eindeutige Zuordnung für alle Verbrauchergruppen sichtbar. Interessierte Firmen, die in keinem der an COSMOS beteiligten Verbände Mitglieder sind, können durch Ecocert zertifiziert werden.
Looking beyond bio
„Wir sind der Meinung, dass wir durch unsere ausgeprägte Mitgliederkultur sehr stabile Entwicklungen in Gang gebracht haben, die zu einem transparenten, aber auch noch ausbaufähigen Standard geführt haben“, so Demuth weiter. „Denn erst einmal steht die rohstoffbezogene Zertifizierung im Vordergrund, aber bereits jetzt beschäftigen sich die meisten Mitglieder intensiv mit der Nachhaltigkeit der Rohstoffbeschaffung und den dahinter stehenden CSR-Projekten, die mittelfristig Bestandteil des Zertifizierungssystems werden sollen“.
Petra Becker