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Was das Bio-Herz begehrt

LPG Biomarkt offeriert in historischem Gebäude ein riesiges Sortiment

In Bezirk Kreuzberg schlägt das Bio-Herz Berlins. Die LPG Biomarkt GmbH ist zweimal dort vertreten, die Bio-Company ebenfalls. In der Marheinecke Markthalle wird an mehreren Ständen Bio-Frische angeboten. Es herrscht eine hohe Bio-Dichte. In den 70-er Jahren wurden die ersten Bio-Läden gegründet. Beherrscht wird die Szene heute aber von modernen Bio-Supermärkten, die mehr Supermarkt als Naturkostgeschäft sind, aber eine eigenständige Prägung haben und sich vom klassischen Lebensmitteleinzelhandel nicht nur im Sortiment abheben, sondern auch im Ladenbau.

Die LPG mit den Inhabern und Geschäftsführern Ludwig Rieswick und Werner Schauerte betreibt vier Bio-Märkte in Berlin, zwei davon sind in Kreuzberg beheimatet. Am Mehringdamm an einer Hauptverkehrsader hat sich die LPG an historischer Stätte niedergelassen. Das denkmalgeschützte Gebäude war  ehemals Pferdestall der preußischen Armee und beherbergte später die Zossen, die Zugpferde, die einst den Straßenbahn-Waggons vorgespannt wurden. Der Fußboden mit Gefälle, die Rinne und die Ringe an der Wand zum Anketten der Pferde, zeugen von der ursprünglichen Verwendung. Die gewölbten Decken werden von Säulen  getragen. Der Markt sieht nach Schrot, Korn und Saft aus. Hier täuscht der erste Eindruck, wie das Eintauchen ins Sortiment lehrt. Bio-Lebensmittel und Naturwaren in riesiger Auswahl füllen die Regale.

Unglaubliche Vielfalt

Der Markt besticht mit 18.000 Artikeln durch Sortimentsbreite und Tiefe. Das Bio-Herz bekommt, was es begehrt. 70 Parkplätze ermöglichen bequemes Einkaufen. Außerdem werden an die Kunden Lastenfahrräder verliehen für ein Euro am Tag, um die Einkäufe umweltschonend nach Hause zu bringen. Hier kann der wöchentliche Groß-Einkauf erledigt und Getränke in Kisten abgesetzt werden. Entsprechend hoch ist der Bon.

Die Fläche ist in mehrere Räume aufgeteilt. Ein Überblick über den gesamten Markt  ist nicht möglich. Dies führte zu einem anderen Einkaufsgefühl als im standardisierten Supermarkt mit der Innenarchitektur des 21. Jahrhunderts. Persönlicher und bodenständiger und wärmer wirkt der Steinbau als Beton, Glas und Kunststoff  der heutigen Industrie-Bauten. Der Rundgang führt zuerst an der großzügigen Naturwaren-Abteilung vorbei. Naturkosmetik steht hier im Mittelpunkt. Hier sind Marken wie Weleda, Logona, Lavera und Tautropfen vertreten. Verkauft wird  selbstverständlich mit Beratung. Auch Männerserien zum Beispiel von Speick sind vorhanden.

Ökologische Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel, der auf dem Bio-Markt bekannten Marken  Ecover  und Almavin werden geführt. Nahrungsergänzung von Fitne und Naturheilmittel von Bioforce aus der Schweiz stehen im Regal. Naturtextilien zählen ebenfalls zum Sortiment. Alles, was der Kunde sucht, ist vorhanden. Die LPG beherbergt eine ausgewachsene Natur-Drogerie im Bio-Supermarkt. Von Sonnenmilch, über Schnuller, Spülmittel, Strampelanzug bis zu  Spielsachen mit Ökosiegeln sind vorhanden. „Bei uns gibt es das umfangreichste Sortiment an Kinderartikeln, das es je in einem Biomarkt gegeben hat“, berichtet Werner Schauerte. Eine Spielecke für Kinder gibt es auch.

Frische Küche im Bio-Bistro

Ein Bio-Cafe neben dem Brotstand lädt zu Kaffee und Kuchen ein. Zusätzlich bietet das  Bio-Bistro sechs verschiedene Hauptgerichte. Nur Eines enthält Fleisch. Die anderen sind vegetarisch oder gar vegan. Die Preise reichen von 1,50 bis 5,90 Euro. Ein Blick in die Küche offenbart: Hier wird frisch gekocht. Jeden morgen wird Ware aus den Regalen im Markt, geholt und das Gemüse selbst geschnitten. Tiefkühlkost und vorverarbeitete Ware haben keine Chance. Bio-Spitzenkoch Konrad Geiger hat das Frisch-Koch-Konzept entwickelt. 
In der Weinabteilung stehen 230 Tropfen, die von den drei Großhändlern Riegel, Vivolovin und Naturgenuss geliefert werden. Natürlich steht Bio-Champagner da von Fleury und Ruffin, der mit 26 Euro preislich im Bereich der herkömmlichen prickelnden Getränke liegt. Ein halbes Dutzend Proseccos und ein Dutzend Sekte ergeben ein rundes Sortiment. Selbst Piccolos werden angeboten.

Die europäischen Weinnationen und Übersee mit Argentinien, Chile, Neuseeland, Australien und Südafrika geben sich ein Stelldichein. Der Preiseinstieg liegt bei 2,49 Euro. Der Weintrinker kann aber auch 36 Euro los werden. In der Preisklasse um die 30 Euro wird durchaus verkauft, besonders rund um Fest- und Feiertage. Das sind keine Museumsstücke. Jeden Samstag kann Wein probiert werden. Die LPG hat sich einen Ruf verschafft und eine Stammkundschaft an Weintrinkern erarbeitet.

Doch nicht genug. Auch Spirituosen werden präsentiert. Rustikal auf einer Kommode und im Küchen-Büffet aus der Vor-Einbau-Zeit stehen Bio-Edelbrände von Humbel, Bio-Zwetschgenwasser von Tarpa aus Ungarn, Bio-Liköre von Dwersteg. Cognac, Whiskey, Wodka, Tequilla, Tresterbrand und Calvados, da bleibt kein Wunsch offen.

Frische ist Trumpf

Frische dominiert ganz klar im Sortiment. Bedienungstheken für Wurst, Fleisch, Käse  und Brot sind zentrale Elemente. Obst und Gemüse schlägt sich im Schnitt 1,5 mal pro Tag um. 180  Bio-Käsesorten sind zum Beispiel gelistet. Täglich wird bestellt. Eine Nachtschicht wird gefahren zum Einräumen. Hier herrscht fast 24-Stunden-Betrieb. Bei Bio schläft Kreuzberg nie. Hier geht ein Feinkost- und Frische-Publikum ein und aus, ebenso wie junge Familien und Singles. Die Kunden-Frequenz ist hoch: Im Schnitt passieren täglich 1.500 Berliner die Eingangstür.

Frischwaren werden vorrangig regional bezogen. Bei Obst und Gemüse sind es stolze 40 Prozent nach Auskunft der Geschäftsleitung. Eier, Milch und Backwaren sind ebenfalls in Berlin und Brandenburg  zu beschaffen.  „Wir haben Marmeladen, Käse und Pommes aus Brandenburg im Angebot“, teilt Geschäftsführer Rieswick mit. Für den Kaufmann ist es selbstverständlich, dass die LPG die Charta „fair & regional. Bio Berlin-Brandenburg“ unterzeichnet hat. Das ist ein Zusammenschluss Brandenburger Bio-Hersteller und -Verarbeiter. „Damit fördern wir nicht nur die Öko-Landwirtschaft in Brandenburg, sondern schonen gleichzeitig die Umwelt durch kurze Lieferwege“, erklärt Rieswick.

Bei der LPG gibt es Preise für Mitglieder und Nichtmitglieder. Mitglieder zahlen einen Monatsbeitrag und bekommen dafür Rabatt. Mehr als 11.800 Berliner besitzen den Mitgliedsausweis. Schon die Preise für Nicht-Mitglieder sind moderat. Ein Kilo-Äpfel in der Daueraktion liegt bei 1,95 und Bananen bei 1,85 Euro. Lidl lohnt sich in diesem Fall nicht.  Der Filialist, der behauptet, alles außer teuer zu sein, nimmt drei Euro für das Kilo Bio-Äpfel.
15 Jahre ist die LPG im April alt geworden. Das Unternehmen wächst weiter. Neue Standorte sind in Planung. „Von der Krise spüren wir noch nichts. Wir haben im ersten Quartal 2009 noch zugelegt“, teilt Rieswick mit.

Anton Großkinsky

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