Start / Ausgaben / BioPress 55 - Mai 2008 / Die grüne Konsum-Avantgarde

Die grüne Konsum-Avantgarde

Der LOHAS Lifestyle und sein Potenzial für den Bio- und Naturkosmetikmarkt

Ein neuer Lebensstil entwickelt sich zum Megatrend: LOHAS. Auf dem BioFach Kongress gab Dr. Eike Wenzel vom Zukunfts­institut in Kelkheim einen Einblick in diese stark wachsende Konsumkultur. Die fünf Buchstaben stehen für Lifestyle of health and sustainability und beziehen sich auf Menschen, die ihr Leben gesund und nachhaltig gestalten wollen. Seit mehreren Jahren sind sie als potenzielle Kunden auch für den Naturkostmarkt im Gespräch. Denn schon heute soll sich über ein Drittel der Bevölkerung in den westlichen Ländern zu den LOHAS zählen, und die Tendenz ist steigend.

"Bei den LOHAS handelt sich aber nicht um eine reine Zielgruppe, sondern um eine neue gesellschaftliche Leitidee", sagte Trendforscher Wenzel. Was sie antreibe, sei moralischer Hedonismus, sprich ein Streben nach Sinnlichkeit im Einklang mit inneren und äußeren Werten. Genuss und Nachhaltigkeit sollen miteinander im Einklang stehen. LOHAS haben ihre Ideale, blicken dabei dennoch den Tatsachen entgegen und fragen nach dem Nutzen.

Passendes Beispiel für die BioFach: Verbraucher, die sich dem Sowohl-als-auch-Gedanken der LOHAS verbunden fühlen, könnten beim Einkauf  beginnen. Das sei ein Weg, um zwar nicht die Welt, aber den Konsum zu ändern. Diesen Verbrauchern ist dabei Qualität und Umweltbewusstsein wichtiger als Discount. Wenzel konnte in dem Zusammenhang auf empirische Untersuchungen verweisen, wonach 75 Prozent der Deutschen ihre Stamm-Marke zugunsten eines Bioproduktes wechseln würden.

"Nur zwischen zwei Polen findet Entwicklung und Veränderung statt", sagte Wenzel philosophisch. LOHAS möchten ihre Individualität und Selbstverantwortung gewahrt sehen, wobei sie durchaus welt- und zukunftsoffen sind. Sie würden nicht im Gestern leben, hätten aber einen aktiven Vergangenheitsbezug, meinte Wenzel. "Die Menschen wollen hier und heute in der Welt sein, ihren Horizont erweitern und ihr Leben aktiv mitgestalten."

Werte wie Freundschaft, En­gagement, Authentizität und Spiritualität werden dabei zunehmen, prophezeite er weiter.

Schon jetzt stehen immer mehr Menschen wieder zu ihrer Familie, Religion und anderen Werteträgern. Die LOHAS suchen Gemeinsinn und Unterstützung - ebenso wie Entspannung und Well­ness. Auch auf die lebendiger gewordene Küche machte der Zukunftsforscher aufmerksam. Für den Konsum von Kosmetika bzw. möglichst zugleich schmackhaften und gesunden Lebensmitteln würden zudem neue Orte ins Zentrum rücken, etwa Naturkostgeschäfte oder Buchläden.

Von einer Vision zur Marktwirklichkeit

Die in Amerika geborene LOHAS-Bewegung spricht nicht nur den wohlhabenden Teil der Gesellschaft an, sondern zieht sich quer durch alle Schichten und Altersgruppen. Schon jetzt machen Bio-Lebensmittel,
Functional Food, Fitness, Well­ness sowie Gesundheitstourismus einen immer größeren Teil des zweiten, privaten Gesundheitsmarktes aus.

Ebenso wie das Interesse der allgemeinen Bevölkerung steigt, so auch das von Politik und Wirtschaft: Im September 2007 fand in der Frankfurter Brotfabrik die erste LOHAS Konferenz Deutschlands statt.

Zahlreiche Internet-Blogs sind entstanden und werden regelmäßig besucht. A.C. Nielsen und der Burda-Verlag greifen das Thema auf. Daher sollte es in der von Gerald A. Herrmann (IFOAM) geleiteten Diskussionsrunde auch um die Frage gehen, welche Auswirkungen der Megatrend auf das Marketing von Ökoprodukten hat.

Stellung zu dem 'neo-öko­logi­schen' Lebensstil nahmen Katharina Hahlhege von der Wala Heilmittel GmbH, Ressortleiterin Marketing und Vertrieb, Wolfgang Gutberlet, Vorstandsvorsitzender von tegut, Philipp Wyss, Leiter des Category Managements Frischprodukte/ Restaurants bei der Coop Switzerland, und Holly Givens, Public Affairs Advisor bei der Organic Food Association OTA.

Wala sieht sich mit ihrer Naturkosmetiklinie Dr. Hauschka schon seit 40 Jahren als Begleiter der LOHAS. Ihre Kundinnen würden bei ihnen die ge­wünschte Kombination von Qualität, Modernität und ethischem Mehrwert finden, sagte Katarina Hahlhege.

Auf einen langjährigen Erfahrungsschatz blickt auch die Coop Schweiz zurück. Seit 1993 arbeitet die Genossenschaft mit Bio Suisse zusammen und bietet alle ihre Naturaplan Bio-Produkte mit der Knospe an. Über 1500 Artikel füllen die Regale. Daneben bietet die Coop Bio-Baumwolltextilien sowie Kosmetikprodukte der Marke Naturaline an und vertritt umweltpolitische Interessen. Laut Philipp Wyss mache das Un­ter­nehmen mit Bio fast eine Milliarde Euro Umsatz. "Wir sehen, dass Bio heute Lifestyle bedeutet", sagte Wyss.

Daher führten sie auch entsprechende Artikel wie Bio-Sandwichs für unterwegs oder Bio-Sushi und Bekleidung, die nicht nur öko, sondern auch modern ist. Dem Wunsch nach Fairem Handel komme man gleichfalls entgegen, sei es bei Importen oder durch nachhaltige heimische Produktion. Entsprechende Produkte werden zusätzlich zur Bio-Qualität als regionale Erzeugnisse ausgelobt. Firmen­intern steht Nachhaltigkeit ebenfalls oben an. So wolle man zum Beispiel in 15 Jahren komplett CO2-neutral sein. Ein spezieller Fond unterstütze die eigenen Handelsmarken und kleinere Lieferanten.

Die Nachhaltigkeit global zu unterstützen hat sich auch die OTA zum Ziel gesetzt. Die Mitgliederorganisation repräsentiert alle Bereiche der ökologischen Industrie in Nordamerika und fördert den Handel mit Produkten aus ökologischem Anbau. Mit hohem Einsatz und Erfolg, wie Holly Givens bekräftigte.

Grüne Unternehmensphilosophie gegenüber Greenwashing: Wolfgang Gutberlet schlug einen etwas nachdenklicheren Ton an. Er spüre bei den Menschen die Sehn­sucht nach einer höheren Ebene, erkenne aber auch die Gefahr, dass der Bio-Gedanke 'verwaschener' werde. Wie damals in der Anfangszeit der Öko-Bewegung oder als Bio bei tegut Einzug fand, sollte man in langen Zeiträumen zu denken, empfahl der erfolgreiche Marketingmann. Nur so könne man dauerhaft Erfolg haben. "Wie können wir das Aufgebaute retten und bewahren?", fragte er daher in die Runde.  "Was können wir über Produkte hinaus anbieten?" Gutberlet schlug vor, den Begriff Bio generell zu schärfen. 

Unterstützung fand er unter anderem bei Wenzel, der meinte: "Man muss ein Gehör dafür entwickeln, was die LOHAS be­schäftigt." Ein Weg sei es, Mehrwert deutlich zu machen, meinte Frau Hahlhege, beispielsweise indem man so­ziale Aspekte betont und die Geschichte hinter den Produkten erzählt. So­wohl bei dem erfahrenen Na­turkosmetik-Hersteller als auch bei vielen anderen Bio-Unternehmen finden sich hierfür einprägsame Beispiele.

Das Thema Regionalität wurde in der Runde ebenfalls angesprochen, wobei Moderator Hermann das Wort ergriff. Könnte die Bevorzugung regionaler Produkte, egal ob Bio oder konventionell, dazu führen, dass eine mögliche Pestizidbelastung in Kauf genommen wird? Die Antwort ist fast zwingend: Auch die hohe Qualität biologischer Erzeugnisse muss offen ge­macht werden.

Wyss verwies im Hinblick auf die Öffentlichkeitsarbeit auf eine im Mai beginnende große Werbekampagne der Coop für das Naturaplan-Sortiment. "Die Konsumenten werden immer klüger", warf Wenzel ein. Authentische, glaubwürdige Bio-Marken seien jetzt eine zentrale Herausforderung. "Und Chance", wie Givens bemerkte. Man müsse die Verbraucher sowohl überzeugen als auch ihr Vertrauen und Community zu gewinnen, hieß es seitens Frau Hahlhege und Gutberlet. Einig waren sich alle Redner jedenfalls in dem Punkt, dass sich die Branche auf keinen Fall auf dem Erreichten ausruhen dürfe.

Bettina Pabel

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