Bio + Fair ein starkes Team
Die Ablehnung von spekulativem Börsenhandel mit Lebensmitteln wächst deutlich. Das erhöht die Chancen für Bio+Fair-Produkte. Vor allem Genussmittel wie Kaffee und Schokolade stehen hoch im Kurs, wobei der Anteil an nur Fairtrade-gesiegelten Produkten zurückgeht.
Immer mehr Verbraucher möchten wissen, unter welchen ökologischen und sozialen Bedingungen ihre Lebensmittel hergestellt werden. Kein Wunder, dass Unternehmen mit einem glaubwürdig kommunizierten Öko-Engagement auch 2010 wieder ihren Umsatz steigern konnten. Besonderer Nachfrage erfreuen sich nach wie vor Produkte aus der Region und aus Fairem Handel. Der Fair-Gedanke soll sich dabei möglichst über die gesamte Wertschöpfungskette vom Erzeuger bis zum Verkaufspersonal erstrecken.
In Deutschland sind mittlerweile zwischen 1300 und 1500 Fair Trade-Produkte auf dem Markt. Mit einem Anteil von 32 Prozent am Gesamtumsatz steht Kaffee nach wie vor an erster Stelle: Ebensolche zweistellige Zuwachsraten wie Kaffee erzielten auch wieder Tee (42 Prozent), Zucker (14 Prozent), Kakao und Schokolade (16 Prozent).
Hohes Vertrauen in Siegel
Viel spricht dafür, dass der Mehrwert einer Kombination von Bio und Fair die Chancen für die Produkte erhöht. Um die Kundenkreise in Weltläden und Naturkostgeschäften näher zusammen zu bringen, wurde im September die Kampagne „Öko + Fair ernährt mehr!“ gestartet. Dabei vorgestellte Untersuchungen beweisen, dass die Erträge der Kleinbauern durch Einhaltung von Sozial- und auch Öko-Standards steigen können. Zugleich verbessern sich mit angemessener Unterstützung die Produktqualität und die Produktionskapazität, was wiederum den Lebensmittelmärkten zu Gute kommt.
Im vergangenen Jahr kauften die Deutschen für 340 Millionen Euro Ware mit dem Fairtrade-Siegel, das auf den Kriterien der Fairtrade Labelling Organizations basiert und in Deutschland von TransFair vergeben wird. Auch Non-Food Artikel können das bekannte blau-grün-schwarze Zeichen tragen. Während das Fairtrade-Siegel ausschließlich Produkte mit Rohstoffen aus südlichen beziehungsweise Entwicklungsländern kennzeichnet und sich nicht auf Unternehmen übertragen lässt, gehen das Fair for Life- und das Naturland Fair Siegel darüber hinaus.
Das Fair for Life-Siegel für soziale Verantwortung und Fairen Handel wurde von der Schweizer IMO mitentwickelt. Im globalisierten Markt gewinnen beide Kriterien bei der Auswahl von Geschäftspartnern zunehmend an Bedeutung, heißt es bei dem Marktforschungsinstitut. Das Siegel soll andere Fair-Zertifizierungssysteme ergänzen und ist daher auch für Non-Food sowie in allen Ländern weltweit einsetzbar.
Viel Anklang findet auch das im vergangenen Jahr eingeführte Naturland Fair System, das mittlerweile über 300 Produkte tragen. Dabei können sowohl einzelne Produkte, wie die Milchprodukte der Molkerei Berchtesgadener Land, zertifiziert werden als auch Erzeuger, wie die italienische Bauernkooperative TerraBio, und Unternehmen wie der Unternehmensverbund der Hofpfisterei mit der Öko-Metzgerei Landfrau, Stocker’s Backstube und der Meyermühle. Demnächst wird vermutlich auch Fisch die Liste an Nutzern erweitern.
Unabhängig davon, welches und ob überhaupt, zeigen Kaufleute mit dem Angebot von fair gehandelten Produkten soziales Engagement und die konkrete Anwendung einer glaubwürdigen CSR-Strategie. Wichtig für den Erfolg ist aber auch, dass sie Bio + Fair-Produkte als attraktives Sortiment mit Mehrwert präsentieren.
Zart schmelzender, fairer Schokogenuss auf dem Vormarsch
Schaut man sich auf dem Markt um, fällt auf, dass Genießerprodukte hier besonders stark vertreten sind. Und Genuss heißt, dass diese auch von hoher sensorischer Qualität sein sollten – und sind. Bestes Beispiel ist Schokolade. Nicht nur in der Adventszeit kann sich der Kaufmann mit den vielen Varianten in bio + fair profilieren. Ob von Zotter und BioArt aus Österreich, Naturata, Gepa oder anderen, sprechen die Schokoladen und Schokoladenartikel eine breite Käuferschicht von jung bis alt an.
Äußerst kreativ und trendig präsentieren sich die zwei Erstgenannten. BioArt ist zum Beispiel bekannt für ihre markanten, doppelt gesiegelten 70 Gramm-Tafeln, die seit dem Sommer mit der neuen Art- und Trend-Collection ergänzt werden. Individuell und auffällig gestaltet von dem Lifestyle-Designer Mike Flache, richten sich die jeweils drei Sorten mal mehr an anspruchsvolle Schokoladen-Genießer und mal eher an junge Fans.
Die Verschmelzung von Kunst und Genuss soll dabei auch im übertragenen Sinn gelten: Fair gehandelte Produkte förderten das Leben der Menschen in den Ländern des Südens. Die Kunst läge darin, diese hierzulande mit purem Genuss zu unterstützen, heißt es bei BioArt. Wie schon die bisherigen Produkte, etwa die Sprüche- und Motto-Serie, eignen sich die neuen Sorten gut als Mitbringsel. So erklärt sich auch das breite Distributionsnetz, das vom Groß- und Einzelhandel über Drogerien bis zu Cafés, Blumengeschäften und Buchhandlungen reicht.
Eher den klassischen Schokoladenfreund sprechen die Tafeln von Naturata an. Das Fairtrade-Zeichen findet sich nicht auf allen, aber doch auf vielen Sorten, so auch den neuen laktosefreien Sorten und der Indien Edelbitter. Naturata hat dabei neben den Erzeugern auch den unvermeidlichen langen Transport des Kakaos im Blick und kompensiert deshalb über MyClimate zusätzlich den anfallenden CO2-Ausstoß.
Die Gepa vermarktet jetzt im dritten Jahrzehnt ausschließlich faire Produkte. Sie vereinigt EU-weit den größten Umsatz auf sich und will den Fair-Gedanken ebenfalls ausweiten. Zur BioSüd stellt sie die ersten Schokoladen mit fairer Bio-Alpenmilch vor. Fairer Bio-Kakao und -Vollrohrzucker verbinden sich hier mit Naturland Fair-Alpenmilch von der Molkerei Berchtesgadener Land. Faire Preise also nicht nur für die Kleinbauern in Südamerika und Südostasien, sondern auch für rund 300 Naturland-Biobauern im Alpenvorland.
Infolge der stark gestiegenen Kakaopreise musste der Preis leicht erhöht werden, was sich aber nicht auf den Absatz auswirken dürfte. Dafür sorgen die aromatischen Kompositionen, etwa Physalis-Milchschokolade, sowie die hochwertige Gestaltung der Tafeln.
Am Beispiel der Schokoladen lässt sich zudem eine weitere Änderung im Gepa-Konzept erkennen: Das Handelshaus will nunmehr auf das Fairtrade-Siegel verzichten und setzt stattdessen auf das Gepa-Logo in Gold. Nach vielen Jahrzehnten erfolgreichen Handelns stehe die Marke schon an sich für fairen Handel, heißt es erklärend.
Kaffee, Tee, Schokolade, Confiserie, Kakao, Honig, Fruchtsaft, Zucker, Trockenfrüchte, Nüsse, Reis, Quinoa, Nudeln, Wein, Gebäck, Reiswaffeln, Müsliriegel. So vielseitig sieht das Angebot der Gepa insgesamt aus. Allein mit ihren zahlreichen Kaffeesorten macht die Gepa 45 Prozent des Umsatzes.
Anschauliche Verpackungsangaben sollen die Geschichte hinter den Produkten transparent machen, weshalb die Herkunft genau beschrieben und durch Zitate, Fotos und Internet-Links ergänzt wird. Verbraucher sollen so ganz praktisch und ohne größeren Aufwand Produzenten im Süden durch den Kauf der fairen Produkte unterstützen können.
Im Gegensatz zur Gepa lassen Unternehmen wie Darboven und Wertform ihren Kunden freie Wahl zwischen Bio, Fairtrade oder Bio + Fair. Lebensbaum gehört wie Naturata zu denen, die ihr Bio-Angebot um einzelne Fair-gekennzeichnete Produkte erweitern.
Beispielsweise führt Lebensbaum neben Ceylon Schwarztee einen Plantagenkaffee aus Mexiko mit Transfair Siegel. Allerdings kauften sie generell im Rahmen fairer Partnerschaften ein, betont das Unternehmen. Das eigene Lieferantenentwicklungssystem garantiere, dass die Betriebe Arbeits- richtlinien, Standards und Normen einhalten. Zum Part von Lebensbaum gehören dann faire Preise, langfristige Abnahmegarantien sowie finanzielle Unterstützung bei ökologischen und sozialen Projekten.
Wie oft in der Bio-Branche, unterstützen sie zusätzlich den Bau von Kindergärten und ähnliche Projekte. Neben den entsprechenden Informationen auf den Verpackungen, Flyern oder Displays kommuniziert auch Lebensbaum solche Aktivitäten vermehrt über das Internet und ein eigenes Kundenmagazin.
Nur gute Produkte werden gekauft
Tee zählt zu den klassischen Fair Trade-Produkten und wird von der Gepa, El Puente, Lebensbaum und vielen anderen, oft erfahrenen Unternehmen angeboten. So finden sich unter dem umfangreichen Teeangebot von Fairtrade gekennzeichneter Schwarz- und Grüntee sowie afrikanischer Rooibos in vier aromatischen Geschmacksrichtungen.
Die Rede vom guten Glas Wein lässt sich gleichfalls auf das Plus Fair oder/und Bio übertragen. Zu den bekannten Anbietern gehören vor allem Stellar Organic mit Fairtrade Bio-Wein aus Südafrika und Peter Mertes. Letztere sind mit 20 bis 30 Weinen aus dem Bereich Bio und Fair Trade im Markt, die überwiegend von Vertragswinzern hergestellt und in der eigenen Kellerei abgefüllt werden.
Nach Mertes Beobachtung werden die von Verbrauchern aller Altersklassen und Berufsgruppen gekauft. Der Lebens- mitteleinzelhandel eben- so wie der Getränkefachhandel wüssten inzwischen, dass diese Weine eine feste Absatzgröße bilden. Dazu passt das Statement von AiLaike Natural Be, die mit ihren neuen handgemachten Bio+Fairtrade Eistees die Szenegastronomie und den SEH erobern wollen: Auch der herkömmliche Handel reagiere auf eine sich verändernde Nachfrage. Das habe schließlich schon das Beispiel Bio gezeigt.
Aufgrund der stetig steigenden Nachfrage nach fair gehandelten Produkten könnte dabei auch die produzierende Industrie vermehrt fair gehandelte Rohstoffe einsetzen. Immerhin darf ein Produkt schon gekennzeichnet sein, wenn ein Fünftel der Rohstoffe aus fairem Handel stammt, was zum Beispiel bei Apfel-Mango-Saft, Schoko-Keksen oder Lebkuchen leicht der Fall sein kann.
So kommen zum Beispiel die Bio und FairTrade-Bohnen von Naturkost Weber vorwiegend über die verarbeitende Industrie und Hersteller in den Handel. Soja, Erdnüsse, Kidneybohnen und demnächst Sojasauce bezieht das Import- und Handelsunternehmen von einer kleinen Bio-Kooperative in der Inneren Mongolei.
Fair gehandelte Bohnen zählen zu den wenigen Produkten, die bislang kaum zu bekommen waren, was vor allem an fehlenden Standards lag. FLO-Richtlinien für Sojaprodukte gibt es zum Beispiel erst seit 2009. Weber hat hier Pionierarbeit geleistet und ist nach eigenen Angaben aktuell der einzige Lieferant weltweit.
Dabei wird ebensoviel Wert auf die Unterstützung der Bauern gelegt wie auf die Qualitätssicherung, unter anderem durch die eigene Verarbeitung vor Ort und die mehrfache GVO-Kontrolle. Ein Problem bei der Vermarktung sieht Weber allerdings in fehlenden Vertriebsstrukturen, denn für den Verkauf von Fairtrade-Produkten muss jedes Glied der Handelskette zertifiziert sein.
Basics mit doppeltem Mehrwert
Bislang war bei den Grundnahrungsmitteln wie Zucker und Reis das Bewusstsein für Bio und Fairtrade im normalen Handel noch nicht sehr groß, was sich aber gut ändern könnte. Vor allem bei Reis. Einerseits liegen Duftreis und andere Spezialreissorten im Trend, andererseits zeichnet sich das Bio-Angebot durch besondere Qualität aus. Die Kombination mit fairem Handel findet sich zum Beispiel bei Lotao, Davert und der Schweizer Reismühle Brunnen.
So bietet etwa Davert dem LEH unter der Marke Davita Fairtrade gesiegelten Bio-Himalaya Basmati Reis und -Jasmin Duftreis im 500 Gramm-Beutel. Um Details zu Daverts Erzeugerprojekten, den Produkten und auch Davert selber zu erfahren, können Verbraucher den bei dem Siegel stets aufgedruckten Fairtrade-Code auf www.TransFair.org eingeben.
Die Reismühle, eine Division der COOP, bezieht Reis als Halbrohprodukt von Partnern in Italien, Indien und Thailand. Mit modernsten Maschinen wird er am Schweizer Firmensitz veredelt und verpackt. Der Anteil an Fair plus Bio-Produkten beträgt bereits 15 bis 20 Prozent der Gesamtproduktion, wobei die Reismühle neben ihrer eigenen Marke auch viele Eigenmarken für das In- und Ausland produziert und die weiterverarbeitende Industrie bedient.
Lotao bietet unter der neuen Marke Sunria dagegen den ersten ökologisch angebauten Fairtrade Reis aus Indonesien an und zwar in drei attraktiven Sorten.
Nicht zuletzt sei darauf hingewiesen, dass sich Schnittblumen aus fairem Handel immer größerer Nachfrage erfreuen. Sie gelten mittlerweile als zweitstärkstes Fair Trade Produkt. Den Weg bereitet haben dieser Warengruppe nicht zuletzt die Medien, die immer wieder über den ansonsten enormen Pestizideinsatz und die menschenunwürdige Produktion berichten. Zu den überzeugten Anbietern gehört unter anderem Omniflora aus Neu-Isenburg.
Das Blumen Center versorgt den LEH in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit Rosen aus Ostafrika. Zwar läge ihr Marktanteil am Rosenumsatz in Deutschland nur bei 10 Prozent, an Fair Trade Rosen jedoch bei rund 90 Prozent. Gerade weil sie wenig Platz beanspruchen und ein perfekter Mitnahmeartikel im Kassenbereich sind, kann der Kaufmann sein Nachhaltigkeits-Engagement also auch ‚durch die Blume‘ ausdrücken.
Bettina Pabel
Trend zu ethischem Konsum
Nachhaltigkeitskonzepte werden mittlerweile allgemein gefragt, nicht zuletzt im qualitätsorientierten Lebensmitteleinzelhandel (LEH / SEH).
Eine Studie des Instituts für Handelsforschung belegt, dass Nachhaltigkeit zu einem entscheidenden Wettbewerbskriterium wird. Die Gesellschaft für Konsumforschung hat ebenfalls festgestellt, dass es in Deutschland einen Trend zum bewussten, ethischen Konsum gibt, weg von Quantität und hin zur Qualität. Dies schließt den Fairen Handel mit ein.
Laut TNS Infratest 2010 gehören sieben Prozent der Bevölkerung dem sozialökologischen Milieu an und sind insofern potenzielle Kunden für Bio und Fairtrade-Produkte. Weitere interessante Zielgruppen sind die Traditionsbewussten und die Liberal-Intellektuellen, ebenfalls mit je sieben Prozent der Bevölkerung.