Bio-Schmankerln auf der Wiesn
Bald ist es wieder so weit: Millionen Menschen reisen aus aller Herren Länder nach München zum Oktoberfest, das in diesem Jahr am 17. September beginnt. Zugegeben, das weltweit größte Volksfest ist keine weitere BioFach. Doch wäre es ein Irrtum zu denken, es erschöpfe sich im Biertrinken und Mutproben, gegen die Bungee-Springen wie ein Zeitvertreib für Kinder wirkt. Der Trend zu Bio ist auch auf der Wiesn sichtbar, und wer will, kann sich ein komplettes Menü zusammenstellen. 2005 sind 16 Anbieter von Bio-Lebensmittelmittel mit von der Partie.
Auf 31 ha buhlen in diesem Jahr rund 230 Schausteller, 74 Gastronomiebetriebe und 328 Marktkaufleute um die Gunst der Besucher – und das könnten durchaus mehr als 6 Millionen werden. 2004 kamen während 16 Tagen 5,9 Millionen Menschen auf die so genannte kleine Wiesn; auf dem Gelände der Theresienhöhe fand zeitgleich das Zentrale Landwirtschaftsfest statt. 2005 hat das Oktoberfest wieder die gesamte Fläche zur Verfügung und dauert sogar einen Tag länger – auch am 3. Oktober, dem Tag der deutschen Einheit ist Gaudi auf der Wiesn möglich.
Der Besucher sei gewarnt: Einfach ist es nicht, sich auf der Wiesn zu orientieren. Nur dem Bio-Fan wird es leicht gemacht: Wo es Bio-Schmankerl gibt, ist im offiziellen Wiesn-Plan eingezeichnet, und voraussichtlich wird auch das „Wiesn-Magazin“ die „Öko-Betriebe“ nennen. So kann man sich im Voraus sein Menü zusammenstellen und sich gezielt den Weg durch die Menschenmassen bahnen. Wobei der Begriff „Öko-Betriebe“ freilich ein bisschen hoch gegriffen ist. Denn bei den meisten dieser Verkaufsstellen überwiegt das Konventionelle, und wenn zum Beispiel bei den gebrannten Mandeln die Früchte aus Öko-Anbau stammen, so gilt dies möglicherweise nicht für den Zucker. Aber das Bio-Angebot ist ein großer Schritt, der vor zehn Jahren eingeleitet und von den Medien mit hämischen Kommentaren begleitet wurde. Mittlerweile ist bei diesem Thema Ruhe eingekehrt.
Auch gibt es auf der Wiesn kein Bio-Bier. Es sind nur Münchner Brauereien zugelassen, und von ihnen bringt es keine auf oktoberfesttaugliche Mengen mit Zutaten aus ökologischem Anbau. Kein Wunder bei dem Durst der Besucher: Sie tranken 2004 nicht weniger als 6,1 Millionen Maß Bier. Eine Maß entspricht – in der Theorie – einem Liter, aber nur der Föhn ist für den echten (und somit immer ein wenig grantelnden) Münchner ein so großes Ärgernis wie die Einschenkmoral auf dem Oktoberfest. Dabei soll sie schon viel besser geworden sein ... Das ist auch zu hoffen, denn 2005 wird die Maß zwischen 6,80 und 7,25 Euro kosten (2004: 6,65 Euro bis 7,10 Euro).
Trotzdem Lust auf die Wiesn 2005? Dann erinnern wir uns ein wenig an das vergangene Jahr. Für den Bio-Kunden gab einiges zu entdecken.
Das Motto: „Bio-Hammer beim Ammer“
Wie die Maß Bier gehört zum zünftigen Wiesn-Besuch ein Hendl – von Nichtmünchnern „Brathähnchen“ genannt. Im vergangenen Jahr wurden während der Riesenparty 487.649 dieser Tiere verzehrt. Etwa 20.000 davon waren in Bioland-Qualität und wurden beim „Ammer“ verkauft. Seit 1885 ist die Hühner- und Entenbraterei auf der Wiesn – seit sechs Jahren auch mit Bio-Ware. Und die wurde offensiv angepriesen: Ein fröhlicher Bio-Gockel auf einer Leinwand über dem Zelt und grüßte von weitem.
Im Zelt und im Straßenverkauf: Die Hendl gibt es nur in Bio-Qualität.
Wer beim Ammer ein Hendl orderte, bekam automatisch Bio. Und zwar sowohl zum Mitnehmen als auch drinnen im Zelt an den schön gedeckten Tischen. Doch damit nicht genug. Etwa 50 Prozent der Gerichte auf der Speisekarte bestanden aus Bio-Zutaten: Weißwürste, Wiener, Leberkäs, Radi und Radieserl (auf hochdeutsch: Rettich und Radieschen), diverse Salate, Blaukraut, Kartoffeln, Brot, Butter ... Selbst beim Nachtisch kam der Gast mit dem „Kleinen Bio-Bratapfel“ oder den „Bio-Rumfrüchten mit Honigsahne“ auf seine Kosten. Und den Durst löschte Bio-Apfelsaft.
„Alle Hendl stammen aus Bayern. Zehn Bioland-Erzeuger produzieren nur für die Wiesn“, erklärte Geschäftsführerin Claudia Trott. Josef Schmidbauer, Inhaber des Gastronomiebetriebs, hat sich zwar auch auf Bio-Enten spezialisiert, doch auf dem Oktoberfest briet er Enten nur aus konventioneller Aufzucht. „Sonst wäre es zu teuer“, kommentierte Claudia Trott. Die halben Hähnchen kosteten 2004 im Straßenverkauf 8,30 Euro – das waren im Vergleich zu den konventionellen Wettbewerbern etwa zwei Euro mehr. Im Zelt musste für die Portion 13,50 Euro berappt werden – laut Claudia Trott drei bis fünf Euro mehr als woanders auf der Wiesn. Dafür bekam der Gast aber mehr Fleisch, denn die ganzen Bio-Tiere wiegen etwa 200 g mehr als die Artgenossen aus üblicher Haltung. Und „Bio hat eine Superqualität“, schwärmte die Geschäftsführerin. Und mit Alfred Fahr stand sogar ein Fachmann von „United Cooks of Nature“ in der Küche.
Warum das alles? Der Traditionsbetrieb, der jetzt in der fünften Generation geführt wird, setzte schon immer auf Qualität. Bei den Hähnchen sahen sie die Ammer-Verantwortlichen nicht mehr im gewünschten Maß gegeben. Zwar seien die Gäste zunächst wegen des Preises skeptisch gewesen, erzählte Claudia Trott, doch mittlerweile seien sie begeistert. Der Geschmack hat überzeugt.
Punkte für die Umweltfreundlichkeit
Ein Bio-Angebot kommt auch bei der Stadt München gut an. Die Zulassung wird jedes Jahr neu vergeben – schließlich ist es ein außerordentlich attraktives Geschäft, bei dem 2003 etwa 450 Mio. € umgesetzt wurden. Deshalb gibt es für die Bewerbung ein Punktesystem, das bereits 1995 um das Kriterium „ökologische Verträglichkeit“ erweitert wurde. Dazu zählen Bio-Lebensmittel ebenso wie biologisch abbaubares Hydrauliköl bei den Schaustellern, schadstoffarme Zugmaschinen oder Energiesparmaßnahmen. Schon 1997 bekam München den Bundesprojektpreis „Umweltkonzept für Großveranstaltungen“. Und diese Denkweise war auf dem Oktoberfest 2004 in Details erkennbar: So konnte man zum Beispiel an einer Schießbude auf metallene „Öko-Sterne“ zielen. Anders als bei den Plastikröhrchen, die normalerweise die Rosen und andere Objekte der Begierde halten, gingen die Öko-Sterne nicht kaputt und produzierten keinen Abfall.
Bio und Dirndl sind kein Widerspruch
Doch weiter zu den Bio-Schmankerln, die mittlerweile ja nicht nur unter Umweltaspekten, sondern vor allem als kulinarischer Genuss verkauft werden.
Beim Stand von Lämmle-Zimmermann gibt’s Bio von Chiemgauer Naturfleisch. Wer will, kann dazu Bio-Pommes ordern.So war im vergangenen Jahr nahezu das gesamte Programm der „Rollenden Metzgerei“ von Otto und Johanna Heckl in Bio-Qualität: Alle Bratwürste und die Currywurst, Ketchup, Sauerkraut, Pommes frites, Brötchen, Senf. Lediglich bei Limo & Co. machten die Heckls Konzessionen. Dieses Jahr aber, so ist von der Landeshauptstadt München zu hören, hat Heckl komplett auf Bio umgestellt.
Qualität überzeugt, dachten sich die Inhaber, als sie 2003 zum ersten Mal mit diesem Angebot zur Wiesn kamen. Sie geben allerdings zu, dass sie den Schritt durchaus als unternehmerisches Wagnis sahen. Denn die Heckls vermuteten, dass das alte Klischee „Bio = Körnerfutter“ noch in den Köpfen der Wiesn-Besucher spukt, und Johanna Heckl betonte im Vorgespräch am Telefon, dass sie keinen Jutesack, sondern ein Dirndl trägt. Die Erfahrung zeigte denn, dass „die Gäste das Angebot ganz toll finden“, so die Inhaberin. Der Preis? Das Niveau sei auf dem Oktoberfest ohnehin hoch – und mehr zahlen als bei anderen Ständen müsse der Bio-Freund nicht. So kosteten vier Nürnberger Bio-Bratwürste mit Bio-Senf in der Bio-Semmel 3 Euro.
Die Rollenden Metzgerei bot einen weiteren Clou: Im hinteren Teil des Standes wird die Ware frisch gefertigt – man kann dabei sogar zuschauen. Und noch einmal fleischliche Genüsse in Bio-Qualität – gleich gegenüber vom Löwenbräu-Festzelt: „Chiemgauer Naturfleisch“ las der Gast am Stand von Lämmle-Zimmermann und bekommt hier Bio-Ochsenfleisch, -Bratwürsten und -Pommes. 2005 neu bei den Bio-Anbietern: die Wurstbraterei Oberlader, die zudem Bio-Saftschorlen kredenzen wird.
Gebrannte Mandeln und andere Leckereien
Eine süße Knabberei gefällig? Die Bude von Mühlich und Schlottmann bot gebrannten Mandeln konventioneller Herkunft, doch die „Exoten“ – Macadamia, Cashew, Walnuss, Kürbiskerne und Kokoschips – waren Bio. „Die Nachfrage ist da“, war die lapidare Antwort auf die Frage nach dem Warum.
Stammkunden kannte auch Helga Geier, Mitinhaberin von „Geiers Mandelküche“ und überzeugte Bio-Verwenderin. Seit 1965 ist die Familie mit einer Bude auf dem Oktoberfest vertreten, und seit sechs Jahren gibt es verschiedene Nüsse, Magenbrot und Popcorn in Bio-Qualität. Die 100-g-Tüte mit gebrannten Bio-Mandeln – von den Geiers selbst aus Spanien importiert – war 50 Cent teurer als die mit konventionellen Kernen. Und diese gingen auch besser. Aber Helga Geier will zu Bio locken und Pionierarbeit leisten.
Helga Geier von Geiers Mandelküche: „Pionierarbeit“.
Eher persönliche Gründe nannte Brigitte Zimmermann-Weber. Sie litt unter Allergien und hat Spritzmittel im Verdacht. Deshalb stellte sie vor drei Jahren ihre Ernährung ganz auf Öko-Kost um und erzählte, dass sie sich sofort besser fühlte. Kein Wunder also, dass sie auch aufs Oktoberfest mit einem Bio-Sortiment kam. Das war allerdings immer noch der kleinere Teil des Angebots auf dem 10 m langen Stand, und bisweilen musste sie sich von den Wiesn-Besuchern abwertende Sprüche anhören. „Die meisten von ihnen wollen zwei, drei Maß Bier trinken, alles andere ist egal“, sagte Brigitte Zimmermann-Weber. Sie weiß aber auch, dass Familien ihr Angebot schätzen – und alle gesundheitsorientierten Besserschmecker konnten sich bei Zimmermann mit Sonnenblumen- und Kürbiskerne, Schoko-Zimt-Mandeln, Studentenfutter, Gummibärchen und Magenbrot in Bio-Qualität eindecken.
So, und jetzt noch eine Waffel – die gab es am Stand von Kiebl nur in Bio – und eine schöne Tasse Kaffee! Dafür wurde das „Hexenhäusl“ von Christine Krembs angesteuert.
Tradition und Bio: Das passt zusammen.Sie servierte „München-Kaffee“, fair gehandelt und ökologisch erzeugt. Auch diese Frau ist eine bekennende Bio-Verwenderin und sagte über ihren Wiesn-Auftritt: „Ich mache es aus ideellen, nicht aus geschäftlichen Gründen.“ Angebot an Milchgetränken stellte sie komplett um, und prompt fühlt sich so mancher konventionelle Landwirt auf den Schlips getreten, weil er meint: „Unsere Milch ist auch gut!“. Christine Krembs focht das nicht an. Und sie ist, wie auch die anderen erwähnten Bio-Anbieter, 2005 wieder dabei. Na denn, viel Spaß!
Ilse Raetsch
Bio-Betriebe auf der Wiesn 2005
· Hühnerbraterei Ammer: Hendl und viele andere Speisen im Festzelt
· Rollende Metzgerei Heck: Fleischspieße, Bratwürste und Steaksemmeln in Öko-Qualität
· Bernd Ebert: Bio-Bratwürstl
· Wurstbraterei Lämmle-Zimmermann: Bio-Bratwürstl
· Wurstbraterei Oberlader: Bio-Wurstwaren, Bio-Saftschorlen
· Nicole Aschenwald: Kartoffelpuffer, Gemüseburger und Bratwürste
· Mandelstand Wachinger: Bio-Mandeln, -Erdnüsse und -Kürbiskerne
· Waffelbäckerei Kiebl: Bio-Waffeln.
· Hexenhäusl: Bio-Lebkuchen und -Milch
· Süßwarenstandl Karl Novacovic: Bio-Mandeln
· Wolfgang Rosner: Bio-Mandeln
· Kurt Geier: Bio-Mandeln und -Erdnüsse
· Peter Schlottmann: exotische Nüsse
· Ingrid Zimmermann-Weber: Bio-Kerndl
· Norbert Lange: glasierte Bio-Früchte
· Familie Guderley: Bio-Schleckereien