Bio für Ältere

Bis zum Jahr 2020 wird die Gruppe der über 60-jährigen fast 30 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Zum Kaufverhalten der aktiven Älteren, gemeint sei die Generation 55plus, gibt es bislang wenig Studien, dennoch sollte der Handel diese Zielgruppe nicht vernachlässigen. Immerhin liegt die geschätzte Kaufkraft bei über 400 Milliarden Euro. Inwieweit gehen Hersteller und Handel auf die Situation ein?


Die Generation 55plus isst meist weniger, achtet aber mehr auf Qualität und eine gesunde, ausgewogene Ernährung. Sie zeigt vielfach ein ausgabefreundliches, genussorientiertes Konsumverhalten. Jetzt können sich diese Verbraucher guten Ge- wissens etwas gönnen, worauf sie früher vielleicht verzichten mussten. Sparsam sind alle in der Hinsicht, möglichst kein Geld zu verschwenden. Wo sie mit Qualität und Mehrwert rechnen, geben sie gerne auch mehr aus. Vergleiche und Gespräche spielen dabei eine wichtige Rolle. Einerseits offen für Neuheiten, wünschen sie andererseits Beständigkeit statt ständig wechselnder Trends. Da sich vor allem ältere Menschen mit ihrem räumlichen Umfeld identifizieren, greifen sie ebenso zu bekannten wie zu regionalen Marken. Erfolgreich kommt dem zum Beispiel Einzelhändler Feneberg aus dem Allgäu mit der Marke Von Hier entgegen. Das Label kennzeichnet Bio-Produkte von über 400 Herstellern.

"Schmeckt wie früher"

Best Ager kochen oft noch regelmäßig und gut. Nicht mehr jeden Tag, aber durchaus gern, essen sie Fleisch und Wurst-waren. Nach der Erfahrung von Bakenhus Biofleisch gehören Rindfleisch wie Schmorbraten, Roastbeef und Filet zu den bevorzugten Artikeln. Auch rustikale Artikel wie Leberwurst, Rotwurst, Sülze seien gefragt. "Wir haben den Vorteil, das traditionelle Fleischerhandwerk mit moderner Technik so umzusetzen, wie es seit altersher betrieben wurde", sagt Rainer Breuer. Ihre Kunden lobten daher zu Recht, dass das Bio-Fleisch wie früher schmecken würde.

Zu den Produkten, die ältere Menschen ebenfalls ansprechen könnten, gehören Eintöpfe. Die Fleischwerke Zimmermann er-gänzen ihre bisherigen Sorten jetzt durch einen Linseneintopf mit mundgerechten Würstchenscheiben und Erbseneintopf mit Schinkenwürfeln. Die Produkte haben zugleich unter der Marke Biobalance einen neuen modernen Marktauftritt bekommen, wobei unter anderem der geringe Fettgehalt hervorgehoben wird. Sie werden in 400 Milliliter-Dosen, also etwa zwei Portionen, mit Ringpullverschluss angeboten und sind in wenigen Minuten fertig erwärmt. Je eine feine Erbsen-, Tomaten-, Möhren- und Kartoffel-Cremesuppe in der gleichen Dosentechnik gibt es auch von einem klassischen Reformhaushersteller unter der Marke Bitamo, die der Bio-Systemlieferant für den LEH bioVlog auf der letzten Anuga vorgestellt hat.


Kff, Kurhessische Fleischwaren, bietet ebenfalls Suppen an, deren Inhalt sichtbar in Gläsern abgefüllt ist. Beide Unternehmen sind ansonsten für ihre Fleischerzeugnisse bekannt. Von Zimmermann zum Beispiel Bratwurst im SB-Kühlregal oder Leberwurst-Spezialitäten und Mini-Frikadellen als Schnell­dreher. Das Programm runden Wurstkonserven und Frischteigwaren ab. Konserven ergänzen auch bei kff die umfangreiche Auswahl an Wurst- und Fleischerzeugnissen im Fächerpack, am Stück oder im Glas. Unter der Marke Buchonia können sich die Partner aus 26 Artikeln ein individuelles Paket zusammen stellen und wenn gewünscht als Eigenmarke vertreiben. Zur BioFach kommen außerdem drei Brühwurstprodukte mit Joghurt auf den Markt, deren Fettgehalt unter zehn Prozent liegt.

Für Personen, die mit einem zu hohen Cholesterinspiegel kämpfen, stellen pflanzliche Aufstriche eine aromatische Alternative dar. Hier lassen sich unter anderem die Bionor-Aufstriche und Pasteten in handlichen Gläsern und Dosen von CoSa Naturprodukte bzw. Tartex/Dr. Ritter nennen. Sie betonen mit Bezeichnungen wie Gourmet-Creme oder Zwiebel-Schmalz mal mehr den Lifestyle- mal mehr den Traditionscharakter. Bio-Brotaufstriche in einer Preisstellung für den LEH wurden für die Marke Bitamo ebenfalls entwickelt. Zehn Geschmacksrichtungen bieten für jeden etwas: Tomate-Basilikum, Ruccola, Paprika-Mais, Kichererbse, Curry-Ananas, drei Ausprägungen auf Sonnenblumen-Basis und in Anlehnung an Altbekanntes'Wie Zwiebel­­­­­­­­­­­­­schmalz', 'Wie Teewurst' und 'Wie Leberwurst'. Auch sie sind über bioVLog zu beziehen.

Zeitgemäß, gesund und geschmackvoll

Eine wichtige Quelle für Vitamine, Mineral- und Ballaststoffe sind Backwaren, besonders wenn sie ohne komplexe Backhilfsstoffe gebacken werden. Traditionelles Backhandwerk mit Sauerteig oder Backferment steht auch bei Bio-Bäckereien in Einklang mit der Technik. Zu den etablierten Anbietern gehört Pema mit dunklen geschnittenen Sorten wie Sprossen- oder Barbara Rüttig-Brot. Die Serien Vita und Diät gibt es sogar einzeln verpackt und als gemischte Brotbox.
Die Bäckerei Herzberger bietet ihr großes Sortiment ebenfalls zur Selbstbedienung, aber auch für die Theke an.

Geschäftsführer Eckhart Schlinzig stellt fest, dass halbgebackene Produkte mittlerweile bei allen Generationen gefragt seien. Die Älteren finden bei dem Fuldaer Unternehmen beispielsweise Spezialbrot mit Dinkel oder ohne Hefe, Roggen-Vollkorn, ebenso wie das beliebte Mischbrot. Günstig für die vielen Singlehaushalte ist die Möglichkeit, geschnittene oder kleine Laibe zu erhalten, Toastbrot gar im 250 Gramm-Paket. Die Palette komplettieren diverse Brötchen, Kuchen und Feingebäck.

Schedel verkauft dagegen TK-Backwaren, teilweise in Klein-packungen, meist aber in Großgebinden zum individuellen Fertigbacken in der Backstation. Zum Angebot aus Vollkorn-Dinkelfitnessbrötchen mit Äpfeln und Bananen, rustikales Dinkelbrot und Co. gehören auch vitaminreiche, kalorienreduzierte sowie fettarme Produkte. Die gefrorenen Roggenbrötchen von Coppenrath & Wiese kommen der Generation 55plus gleichfalls entgegen. Derzeit führt das Unternehmen einen Dinkel-Apfelkuchen in sechs Einzelstücken ein, die sich gut einzeln auftauen lassen.

Bio hebt das Image

Die Keksfabrik Hans Freitag hat bei der GfK eine Studie zu ihren Käufern in Auftrag gegeben. Dabei zeigte sich, dass erfreulich viele ältere Verbraucher ihre Bio-Kekse kauften. Dieser nicht explizit geplanten Entwicklung wollen sie mit dem neuen feinmürben Dinkel-Teegebäck Rechnung tragen. Anita Freitag-Meyer meint jedoch, dass das klassische Konditoren-Schwarz-Weiß-Gebäck für eine breite Käuferschicht interessant sei. So wie zum Beispiel der Kinderkeks auch Ältere erreiche, die für ihre Enkel eine vollwertige Nascherei suchen. Die frischgrünen Beutel tragen ein großes Foto der jeweiligen Sorte und des verwendeten Getreides, die Bezeichnung ist in unterschiedlichen Farben hinterlegt.

Die Schrift der übersichtlich gestalteten Packungen für das neue Bio-Programm des Backmittelherstellers Ruf ist ebenfalls angenehm groß gehalten. Bei Puddingpulver, Backmi-schungen, Weinstein-Backpulver, Grießbrei und mehr stehen Markenname und Bio-Auslobung gleichberechtigt nebeneinander. So wolle man den kombinierten Vorteil des bekannten attraktiven Preises und die besondere Qualität betonen, sagt Heinz Wacker vom Marketing. Neben der Produktabbildung finden die Verbraucher eine schrittweise Zubereitungsanweisung.

Bei Rila Feinkostimporte geben einfache Piktogramme Orientierung, beispielsweise ob ein Produkt vegetarisch oder glutenfrei ist. Das Portefolio des Vollsortimenters umfasst 'alles, was man braucht und noch dazu mit Mehrwert'. Die über 180 Artikel reichen vom Saucenbinder über Gemüsefond bis zum mediterranen, vegetarischen Brotaufstrich, gängigen Schnelldrehern neben Spezialitäten und Nischenprodukten.

Gefrorene Convenience


Für Gesundes zu jeder Jahreszeit sorgt das Angebot in den Tiefkühltruhen. Gemüse bieten Unternehmen wie Frosta oder Demeter Felderzeugnisse an. Zum Angebot von Demeter gehören zum Beispiel Blattspinat, Brechbohnen, Grünkohl oder Frühlingsgemüse im Karton. Sie ersparen zeitaufwändiges Putzen und schmecken knackig frisch. Noch mehr Convenience findet man beispielsweise bei M+P Tiefkühlkost. Die Bio Range umfasst Kartoffelgratin, Nudelgerichte und Milchreis mit Kirschen. Wie es heißt, werden die bekannten Rezepturen gut angenommen.

Kartoffeln zählen nach wie vor zu den Klassikern auf dem Speiseplan von Senioren, wobei sie durchaus mal zu interessanter Convenience greifen. Wer backt sich schon noch allein Kartoffelpuffer? Demzufolge haben die Markenwerke aus Hamburg diese Altersgruppe durchaus im Blick, wenn sie auch keine speziellen Produkte entwickeln. Ihre Faltschachteln sind übersichtlich und informativ gestaltet und leicht zu öffnen. Hinsichtlich der Qualität wird betont, dass man ganze, frisch geschälte Bio-Kartoffeln ohne Zusatzstoffe einsetze.


Für die Generation 55plus sollte das Essen gesund sein, aber vor allem schmecken, lecker aussehen und leicht zuzubereiten. Fisch wartet hier mit wichtigen Inhaltsstoffen wie Jod, Fluor oder Omega-3-Fettsäuren auf. Das Bio-Sortiment von Deutsche See mit Fisch und Meeresfrüchten aus ökologi-scher Aquakultur sowie Feinkostsalaten steht gleichermaßen für nachhaltigen Umgang mit den Ressourcen wie für Genuss.

Im November gaben die Bremerhavener eine Umfrage zum Thema Bio-Fisch bei TNS Emnid in Auftrag. Demnach kaufen ältere Menschen generell mehr Fisch, und darüber hinaus auch mehr Bio als jüngere. Bei Senioren seien vor allem die naturbelassenen Filets beliebt. Bachforelle, Lachs oder Kabeljau lassen diesen kocherfahrenen Konsumenten noch viel Spielraum für die eigene Weiterverarbeitung.

Obst und Gemüse auf den Tisch

Frischkost versorgt den Körper auf natürliche Weise mit einer gesunden Mischung an Vitalstoffen. Bio-Obst und Gemüse verspricht dabei eine frische, bunte Auswahl ohne Pestizide. Die meisten Supermärkte führen ein Grundsortiment von 15 bis 20 Artikeln, welche über die herkömmliche Logistik mitgeliefert werden. Neben international agierenden Unternehmen stehen in der Regel ortsansässige Frischlieferanten bereit. Eine gute Kontaktmöglichkeit sind nicht selten die
Großmärkte.

Der Empfehlung viel zu trinken, kommen auch ältere Menschen lieber nach, wenn es schmeckt. Bio-Säfte haben in Sachen Aroma und Vitalstoffgehalt viel zu bieten, sei es Naturbelassenheit, Qualität der sonnengereiften Früchte oder schonende Verarbeitung. Voelkel zum Beispiel, gehört seit vielen Jahren mit der LEH-Marke Öko-Ernte und der Fachhandelsmarke Voelkel zu den erfolgreichen Herstellern. Personen, die nicht so schwer tragen können, finden neben den dominierenden  Glasflaschen Apfel- und Orangensaft sowie Gemüsesäfte zudem in EloPaks, die vornehmlich vita verde dem LEH anbietet.

Auch ausgefallenes wie Granatapfel ist darunter


Aktuell stellt Voelkel drei Smoothies in der Longneckflasche vor, bislang nur für den Fachhandel. Diese samtigen Ganzfruchtgetränke sind dank des hohen natürlichen Nährstoffgehalts eine gut bekömmliche Ergänzung für ältere Menschen, die ihnen zugleich nötige Flüssigkeit zuführt. Zwar mag der englische Name noch nicht allen geläufig sein, doch sprechen die Aufmachung und die Einordnung im Saftregal für sich selbst.

Um Säfte zu präsentieren, ist eine Sonderplatzierung sinnvoll, besonders wenn saisonale Artikel im Fokus stehen. Darunter fallen Getränke zum Fasten wie die von Biotta aus der Schweiz. Je nach Sorte wirken sie verdauungsanregend, entschlackend oder abwehrstärkend. So versorgt der aus Früchten, Gemüse und Molke bestehende Wellness Drink den Körper mit Vitalstoffen. Dagegen enthält Digest Pflaumen und Feigen, die für ihre positive Wirkung auf die Darmtätigkeit bekannt sind. Die Reihe lässt sich fortsetzen mit Tomaten-, Preiselbeersaft und mehr. Um möglichst viele Vorteile zu nutzen, können die Kunden zur kombinierten Wellness-Woche mit elf Flaschen, Tee und Leinsamen greifen.  

Aus der Praxis

Der Edeka aktiv Markt Petereit, Selly-Preisträger und ausgezeichnet vom Bundeszentralverband des deutschen Fachhandels für Senioren, zeigt ein ganzes Spektrum an Möglichkei-ten. Dabei betreffe das Konzept das gesamte Fachsortiment, nicht nur Bio, sagt Markus Petereit. Schon die Außenanlage bietet Vorteile für Ältere, etwa durch die Busanbindung oder breite Parkplätze.

Im Innenbereich erfreuen Automatiktüren und Sitzgelegenheiten. Kleinigkeiten machen den Einkauf angenehm. Sei es, dass in den unteren Regalbereichen regelmäßig die Waren vorgezogen werden oder dass ein Lieferservice zur Verfügung steht. Die Regalbeschriftung wird durch Lupen unterstützt, das Etikettenleitsystem weist speziell auf Sondersortimente wie gluten- oder lactosefreie Lebensmittel hin.

Trotzdem gebe es immer wieder Kunden, die die persönliche Beratung suchen, meint Petereit. Daher habe er einen Mitar-beiter speziell für die Zielgruppe der Senioren geschult. Eindrucksvoll präsentiert sich das breite Bio-Angebot, wobei beispielsweise die vorbereiteten frischen Salate dankbar angenommen würden. Petereit weiß, dass gerade ältere Menschen gern kleinere Mengen kaufen, statt Paprika im Dreierpack eben die Einzelschote.

Individuelle Portionen und Kleingebinde halten auch tegut-Geschäftsführer Thomas Gutberlet und Elke Rieckh, Biokonzept für sinnvoll. Honig im 250 Milliliter-Glas, Butter im 125 Gramm-Portionen oder Wein in 500 Milliliter-Flaschen, nennt die Expertin als Beispiel. Die von ihr gestalteten Vierlinden-Märkte erfreuten sich auch bei der Generation 55plus großer Beliebtheit. Elke Rieckh führt das auf ein breites Angebot, die ausgezeichnete Ladengestaltung  und die Servicebereitschaft der Mitarbeiter als Gründe.

Die Kunden profitieren von reichlich loser Frischware bzw. Bedientheken. Viele ältere Menschen nutzten den Einkauf zugleich, um unter Leute zu kommen. Es biete sich an, ihnen mehr als Bio-Lebensmittel zu bieten. Bei Vierlinden habe man insofern eine Kosmetikabteilung eingerichtet oder verkaufe zusätzlich Zeitungen. Nun stehe noch ein größeres Angebot an Nahrungsergänzungsmitteln aus. Überhaupt sieht sie Bedarf an mehr Gesundheitsinformationen - zusätzlich zu den Bio-Argumenten.

Thomas Gutberlet ergänzt, dass Menschen im Alter oft ihre Konsumgewohnheiten beibehalten. Die heutige Generation 55plus habe den Anfang der Bio-Bewegung miterlebt oder gar mitgestaltet. Daher kauften sie auch jetzt gern und ohne Hemmungen hochwertige Bio-Ware: "Sie können den Geldschleier durchschauen und fragen nach."

Bettina Pabel

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