Bio wird frischer
Kaiser’s Tengelmann führt Fleisch, Wurst und Geflügel aus kbA ein
Bio boomt bei allen Lebensmittel-Ketten in deutschen Landen. Das bringt Bewegung in die oft eintönigen Sortimente. Auch die Kaiser’s Tengelmann AG (KTAG) setzt in ihren Supermärkten neue Akzente. Der für den ökologischen Landbau zuständige Bereichsleiter Paul Daum baut im Bio-Jahr 2005 auf Frische und Regionalität. Früchte, Fleisch und Milchprodukte werden um neue Artikel ergänzt. Geflügel von Grünes Weser Ems (GWE), Frischfleisch von Altdorfer, und O+G aus der Region machen Bio bunter.
725 Mal gibt es in Deutschland den Vollsortimenter Kaiser’s Tengelmann. Im Norden laufen die Supermärkte unter dem Namen Kaiser’s, im Süden unter Tengelmann. Der Konzern beschränkt sich mit diesem Format auf den Vertrieb in vier kaufkräftigen Ballungsgebieten: Berlin, Nordrhein, Rhein-Main-Neckar und Oberbayern. Tengelmann ist fast ausschließlich in den Innenstädten zuhause. Hohe Frequenz bei kleinem Bon ist da die Regel. Märkte mit Parkplätzen, wo der Kofferraum voll geladen werden kann, sind die Ausnahme.
Für Bio-Produkte ist Paul Daum zuständig. Der Agraringenieur muss das Sortiment in das Gesamtkonzept einfügen. „Wir sind und bleiben ein Nachbarschaftsgeschäft", erläutert Daum. Ein Vollsortiment mit hohem Frische-Anteil wird vom Nahversorger verlangt. „Da liegt unsere Stärke", bekräftigt Daum. Das gilt auch für Lebensmittel aus kbA: „Obst und Gemüse läuft am besten. Eier sind gefragt und frische Mopro".
Bio ist Qualität in der gehobenen Preisklasse
Am Anfang der Bio-Vermarktung im Lebensmitteleinzelhandel stand Tengelmann. 1986 ging das Unternehmen mit der Eigenmarke Naturkind auf den Markt. Die großen der Branche haben nachgezogen. Die einstige Führungsrolle hat der Konzern abgegeben. Regionale Filialisten mit weit mehr als 1.000 Bio-Produkten haben das Handelshaus inzwischen überholt.
300 Bio-Produkte führt der Filialist insgesamt, davon sind 180 Naturkinder. Ergänzt wird das Sortiment durch bekannte Marken in Bio-Qualität wie Zimmermann, Fairtrade von der Gepa und in Oberbayern von einer regionalen Schiene. Der Bio-Anteil dürfte bei rund zwei Prozent des Umsatzes liegen, den die AG im Geschäftsjahr 2004 auf 2,5 Milliarden Euro bezifferte.
„Wir haben von Beginn an gute Erfolge gehabt und bis heute das Sortiment den Kundenbedürfnissen entsprechend ausgeweitet," resümiert Daum. In der Artikelzahl hinkt die KTAG den meisten Mitbewerbern hinterher, nicht jedoch bei Frische und Qualität. Für Daum, der für das Qualitätsmanagement in Deutschland zuständig ist, heißt Bio Premium und ist überwiegend in der gehobenen Preis-Klasse angesiedelt. Eine Preisdifferenzierung gibt es im Tengelmann Bio-Sortiment (noch) nicht. Das Niveau entspricht etwa dem der Konkurrenz. Zum Beispiel kostet der 125-Gramm-Beutel Mozzarella 0,99 Euro.
Aktuell fehlt derzeit mit Bio-Orangensaft ein Schnelldreher. Nach Qualitätsproblemen wurde er ausgelistet und bisher noch kein Nachfolgeprodukt gefunden, das die hausinternen Kriterien erfüllte. Für Daum steht Qualität ganz oben in der Liste.
Die biologischen Produkte, die im LEH lange Zeit im Schatten standen, werden bei Tengelmann seit eh und je im Handzettel beworben. Eine Doppelseite ist ihnen regelmäßig gewidmet. Der Verkauf wird mit Aktionen gefördert wie bei jedem anderen Produkt. Ein halber Liter Olivenöl kostet dann 3,99 statt 4,99 Euro oder der Bio-Ketchup 1,49 statt 1,69 Euro. Um Glaubwürdigkeit zu schaffen, hatte die AG lange Zeit ein eigenes Bio-Zeichen, das dann vom Künast-Siegel abgelöst wurde. Verbandssiegel hält der Tengelmann-Manager im Supermarkt nicht für hilfreich: „Der Kunde kennt sie nicht".
Bio aus eigener Herstellung
Der Konzern stellt sogar einige Bio-Produkte in eigenen Produktionsbetrieben her. Das abgepackte Naturkind-Brot und aufbackbare Brötchen kommen aus der hauseigenen Großbäckerei, der Bio-Kaffee von der Kaffeerösterei Viersen, die zum Konzern gehört. Bio-Obst und -Gemüse hat der Vollsortimenter innerhalb des letzen Jahres von einem Dutzend Produkte auf rund 30 ausgeweitet. Tengelmann unterhält in Spanien und Italien Büros mit eigenen Einkäufern, mit dem Ziel besondere Qualität an den POS zu bringen. „Bei Frische sind wir stark, und wir werden sie weiter stärken", macht Daum klar.
Das Bio-Sortiment wird aktuell um Fleisch erweitert. Altdorfer liefert in der Testphase Schweinefleisch und Wurst in SB. Die Produkte laufen aktuell unter der Hersteller-Marke. Der Konzern hat eigene Fleischwerke und hätte es auch unter der Eigenmarke Naturkind machen können. Die Entscheidung für Altdorfer kristallisiert sich bisher als richtig heraus. Mit den bisherigen Ergebnissen ist das Haus zufrieden. Daum hatte zuvor Bio-Rindfleisch getestet. „Das wurde vom Kunden nicht angenommen". Beim Schwein sei zudem die Beschaffung leichter, meint Daum, der vor seiner Zeit bei Tengelmann in der Fleischbranche arbeitete.
Bio-Geflügel von GWE aus Emstek in Niedersachsen, einem Unternehmen Heinrich Tiemanns, bereichert seit Beginn des Jahres die Kühlregale der Tengelmann-Märkte. Hähnchen- und Putenteile sollen die Verbraucher auf den Bio-Geschmack
bringen. Mit nur zehn Tagen Laufzeit ist das Frisch-Geflügel ein schwieriges Produkt. Dennoch zieht Daum die Frische der einfacheren TK-Variante vor. Die Eier bekommt Tengelmann ebenfalls von Tiemann, der mit Wiesengold der größte Bio-Eier-Lieferant der Republik ist. Die Erzeugnisse der glücklichen Hühner werden gerne abgenommen von der Großstadt-Kundschaft. Bisweilen gibt es sogar Versorgungsengpässe.
In einigen Märkten im Raum München mit Backstationen gibt es frische Bio-Backwaren in Selbstbedienung aus Teiglingen von Schedel (biopress Nr.44, S. 16). Im LEH ist Bio-Brot meist beschränkt auf haltbare Ware. Die Backstationen setzen sich immer mehr durch im Handel. Mittlerweile gibt es schon rund 10.000 Tausend. Tendenz steigend. Tengelmann ist einer der ersten, der sie für Bio nutzt und sich damit einen Vorsprung gegenüber dem Wettbewerb erarbeitet hat.
Sonderweg mit regionaler Vermarktung
Zudem stellte die nationale Supermarktkette die Weichen mit der Vermarktung von „Unser Land" in Richtung Regionalität. Das Filial-Konzept lässt wenig Raum für regionale Besonderheiten. Mit der Solidargemeinschaft von Landwirten, die sich zu einer Vermarktungsorganisation zusammengeschlossen haben, wird ein bayerischer Sonderweg beschritten. „Unser Land" ist eine Erfolgsgeschichte. „Die Stadt-Land-Partnerschaft hat sich sehr, sehr gut entwickelt", erzählt der Bio-Verantwortliche bei Tengelmann. Mitte der 90-er Jahre begann der Verkauf regionaler Lebensmittel von Erzeugergemeinschaften aus dem Umland. Die Produkte waren damals schon Premium, wurden aber nicht nach den Richtlinien des
ökologischen Landbaus erzeugt. Inzwischen sind Bio-Produkte dazu gekommen, die sich prächtig verkaufen. Bio-Gemüse aus der Region wurde Ende Oktober eingeführt. Kartoffeln, Zwiebeln, Karotten und Kraut von „Unser Land" bereichern das internationale Sortiment in den Supermärkten um eine regionale Komponente. Auch Feinkost wie Senf und Mayonnaise sind in der Range. 150 Märkte der Gruppe in München und um München herum verkaufen die Lebensmittel aus der Region.
Neben Frische und Qualität ist die Präsentation der entscheidende Faktor für den Erfolg. Daum hält die Platzierung im Sortiment für den richtigen Weg. Auf den Kleinflächen besteht aber oft nur die Möglichkeit, einen Block zu bieten. In den großen Supermärkten wiederum wird Block und Sortimentsplatzierung gewählt. In einem Tengelmann im Münchner Süden beginnt Bio in der Obst-Abteilung. Auf die Ware wird mit einem Deckenhänger aufmerksam gemacht.
Stopper bei den Bio-Produkten
Danach passieren die Kunden den Bio-Block mit 150 Naturkind-Trockenprodukten. Die älteste der Bio-Handelsmarken hat zwar weniger Produkte aufzuweisen als die Sortimente der größeren Wettbewerber, die in die Fußstapfen traten, aber dafür ist die Zusammenstellung etwas pfiffiger und der Aufmachung haftet kein veraltetes Öko-Image an. Sauerkonserven wie Gurken und Rotkraut im Glas sind dabei, Apfelmus und Ketchup enthält die Range ebenfalls. Produkte, die anderswo vermisst werden. An einen Bio-Kaffee haben die Produktentwickler ebenfalls gedacht. Das heiß geliebte Getränk fehlt oftmals in Bio-Qualität in den Supermarkt-Regalen. Die Bio-Nudeln sind in italienischer Ausprägung entsprechend dem Esstrend der Nation. Die Eigenmarke wirkt durchdacht und an Kundenbedürfnissen orientiert.
Im Sortiment machen Regalstopper auf die biologischen Produkte aufmerksam. Erster Halt ist an der Reforma-Range. Nüsse, Kerne, Saaten, Trockenfrüchte und Schokoliertes locken die Bio-Kundschaft. Das Gepa-Regal mit 40 Produkten steht im Markt. Hier liegt Informationsmaterial aus für den Kunden, der mehr wissen möchte als den Preis der Ware. Das Handelshaus mit Sitz in Viersen/Nordrhein-Westfalen engagiert sich seit Jahren bei der fairen Woche, die im September wieder über die Bühne ging.
Bio-Wein, oft ein fehlender Artikel im Lebensmittelhandel, bietet die Kette ebenfalls an. Aus Deutschland stehen Weine der bei Ecovin zusammengeschlossenen Winzer zum Verkauf, die große Wein-Nation Frankreich schickt ebenso Repräsentanten wie das benachbarte Italien.
Traditionelle Marken-Hersteller mit Bio-Produkten bringen Farbe ins Bio-Sortiment. Von B wie Bonduelle bis Z wie Zimmermann. Dazwischen tummeln sich die Kölln-Flocken und die Seitenbacher Müslis in Bio-Qualität. Das Vertrauen der Kunden in die Marke wird auch auf die Produkte aus biologischem Anbau übertragen. So werden Skeptiker angelockt, um sie von der Echtheit des Bio-Versprechens zu überzeugen
Anton Großkinsky