Handel muss aktiver werden
Im Bio-Sortiment steckt ungenutztes Potenzial
Unternehmensberater Christoph Soika hielt ein Plädoyer für mehr Anstrengung in der Bio-Vermarktung im LEH. Die ungenutzten Möglichkeiten und die Dynamik des Marktes verdeutlichte er mit einer Langzeitbetrachtung der Umsatzzahlen. Er kritisiere die zu schmalen Sortimente, die kundengerecht ausgebaut werden müssen. Der Lebensmitteleinzelhandel soll nach seiner Auffassung den Markt aktiver gestalten, um die Wachstumschancen zu nutzen.
Impulsvortrag: Christoph SoikaDer Bio-Markt verlief in den vergangenen zehn Jahren höchst dynamisch, ja geradezu explosiv. Unternehmensberater Christoph Soika zeigte auf dem 3. Bio Handels-Forum die Entwicklung des Marktes auf. Auf der Basis von 1997 wuchs der gesamte Bio-Markt in den fünf Jahren bis 2002 um 103 Prozent; in den nächsten fünf Jahren bis 2007 um 258 Prozent. Bei den Marktanteilen diagnostizierte Soika deutliche Verschiebungen.
1997 war der Naturkostfachhandel (NFH) mit 31 Prozent bedeutendster Vertriebskanal vor dem LEH mit 28 Prozent. 2002 hatte der LEH mit 35 Prozent Marktanteil den Fachhandel bereits überholt, der auf 26 Prozent kam. 2007 liefen bereits 53 Prozent der Bio-Produkte über den konventionellen Kanal. Die Marktanteile des Fachhandels schrumpften trotz starken Umsatz-Wachstums (570 Millionen € im Jahr 2000/1,17 Milliarden € im Jahr 2007) auf 22 Prozent, weil der LEH noch stärker wuchs (680 Millionen € im Jahr 2000/2,8 Milliarden € im Jahr 2007). Für Soika war das durchaus erstaunlich: "Das ist geschehen trotz einseitiger Sortimente in den Supermärkten, trotz Mehrfachbelegungen bei vielen Artikeln, trotz überhöhter Preise." Der Unternehmensberater schloss daraus "das Potenzial ist grösser als vermutet".
Vom Publikum kam reges InteresseBisher kam der Pull (Zug) von Kundenseite. "Es wurden die Umsätze gemacht, die der Handel nicht verhindern konnte", wurde Soika deutlich. Er empfahl dem Handel, Bio-Lebensmittel zu pushen: "Der Handel muss aktiver gestalten und mit den Herstellern zusammenarbeiten". Für Soika zählt nicht was ist, sondern das, was möglich ist. Das Potenzial sieht er bei weitem noch nicht ausgeschöpft.
Dazu muss die Fachkompetenz des Verkaufspersonals im Handel gestärkt werden. Arzt, Apotheke und Reformhaus kommen als Ernährungsberater in Frage. Aber auch dort, wo gekauft wird, im Supermarkt kann der Allergiker informiert werden. Bei der schwindenden Bedeutung der Reformhäuser ist das eine Perspektive für den qualitäts-orientierten Handel.
An die Bio-Hersteller richtete er die Frage, ob es richtig sei, sich dem LEH zu verweigern wegen der Drohung, im Fachhandel ausgelistet zu werden? Das eröffnet den konventionellen Markenartiklern mit Bio-Range Marktchancen und schafft Raum für Importe.
Nach wie vor sind die Bio-Sortimente im LEH einseitig. Zum Beispiel fehlt oft frisches Weißbrot, stattdessen wird auf weniger umsatzträchtiges Vollkorn gesetzt bei Bio. "In den Bio-Süßwaren steckt ein Riesenpotenzial. Bei tagesfrischen Salate herrscht Fehlanzeige", nannte Soika die Versäumnisse. Kleine nicht wahrnehmbare Angebote bringen keinen Erfolg: "40 Sorten Bio-Käse müssen in die Theke, dann läuft es. Der Kunde kennt das Bio-Siegel.".
Zudem sind Bio-Produkte beim Verbraucher mit dem Image behaftet, teuer zu sein. "Darf Bio wirklich 20 Prozent teurer als die konventionelle A-Marke sein?"
Für den Berater ist die A-Marke die Schmerzgrenze. Er begründete dies mit den Elementen der Preisgestaltung. Bio-Rohstoffe sind teurer, dafür muss für Marketing und Vertrieb weniger ausgegeben werden. Die anderen Faktoren wie Arbeit und Verpackung sind bei konventioneller und biologischer Produktion gleich. Er plädierte für eine Partnerschaft zwischen Herstellern und Handel. "Wenn mit Herz und Verstand an die Sache heran gegangen wird stimmt die Wertschöpfung", schloss Soika.
Anton Großkinsky