Bio im Vending
Eu’vend 2007 in Köln deutete Ernährungswende in den Verpflegungsautomaten an
Bio-Lebensmittel halten Einzug in Verkaufsautomaten, wie auf der Eu’vend in Köln vom 20. bis 22. September zu sehen war. Einige Bio-Hersteller zeigten Füllprodukte für den Automaten. Bionade aus Ostheim ist sogar Mitglied im Bundesverband der Deutschen Vending Automatenwirtschaft (BDV) mit Sitz in Köln. Bisher sind die Verkaufsmaschinen bis auf wenige Ausnahmen allerdings biofrei.
Einige Bio-Hersteller wagen sich auf den Vending-Markt mit 2,4 Milliarden Euro Umsatz und einem nicht bezifferbaren kleinen, aber steigenden Bio-Anteil. Hipp, Vita verde, Sinalco, Schirmer, Dr. Suwelack, Dieter Hein, Meica und Govinda waren zum Beispiel auf der Automaten-Messe vertreten. Der Verkaufsautomat kennt keinen Feierabend. Das macht diese Dienstleistung so nützlich. Gleichwohl harmonierten Bio-Lebensmittel und Automat in der Vergangenheit nicht.
Müsli aus dem Verpflegungsautomaten als gesundes Frühstück bei der Arbeit„Die Automatenwelt scheint Bio-Produkten fern zu sein. Aber überall finden sie heute Bio-Produkte, und die Automatenbetreiber haben die gleichen Kunden wie die Supermärkte. Also müssen wir einfach Bio anbieten", erklärt BDV-Geschäftsführer Norbert Monßen. Kalorienreiche, süße Dickmacher kommen auf Knopfdruck heraus. Die drei C dominieren: Candy (Süßwaren), Coffee und Cola sind die Produkte, die in der Vergangenheit erfolgreich waren. „Aber die Welt ändert sich", so Monßen. In Betrieben mit hohem Frauenanteil sieht der Verband ein Chance für Bio. „Die Frauen erledigen überwiegend die Lebensmitteleinkäufe in den Familien und greifen auch zu Bio", berichtet Monßen. Beim Automat im Betrieb werden sie sich ähnlich verhalten. Von fünf Schokoriegeln, kann durchaus einer durch Bio-Energiebällchen ersetzt werden. Von drei süßen Limonaden, eine durch Bio-Apfelsaftschorle.
„Die Aufsteller müssen mit Fingerspitzengefühl vorgehen", mahnt Monßen. Ein Gerät komplett mit Müsli-, Fruchtriegeln und Gemüsesaft zu bestücken geht in der Regel nicht. Mit gelernten Produkten in Bio-Qualität Hunger auf mehr machen, empfiehlt der Verband. Das Kultgetränk Bionade macht hier eine Ausnahme: Ein großer Operator stellt einen komplett mit dem Trunk aus der Rhön bestückten Automaten auf, wie Marketingchef Michael Garvs berichtet.
Die Mehrzahl der Geräte steht als Getränkeautomat in den Betrieben. Mit Produktionszeiten rund um die Uhr halten die Öffnungszeiten der Kantinen nicht Schritt. Die Nachtschicht ist oft ganz auf die Versorgung aus dem stummen Verkäufer angewiesen. Deshalb muss auf Knopfdruck mehr als Cola und Limo in den Schacht fallen. Da haben dann auch Würstchen, Hackfleischbällchen und belegte Brötchen eine Chance.
Dr. Suwelack stellt biologischen Fairtrade Instant-Kaffee für Getränkeautomaten herAußerdem werden Kantinen geschlossen, da zahlreiche Betriebe nicht mehr bereit sind, die Verpflegung ihrer Mitarbeiter zu bezuschussen. Hier gibt es dann nur noch Automaten. Dadurch wachsen die Ansprüche über die Funktion Kaffee- und Cola-Spender hinaus. Der BDV hat einen Ernährungssauschuss, um Empfehlungen und Tipps zu erarbeiten.
Bei wachsendem Ganztagesangebot in Schulen gewinnen auch dort Automaten an Bedeutung.
Eltern und Lehrer machen Druck, die Automaten mit gesunder Kost statt Süßwaren zu bestücken. Da kommt dann auch die Forderung nach Bio-Produkten. Die Schüler sind oft gegenteiliger Ansicht und zeigen ein traditionelles Kaufverhalten. Daher muss parallel Aufklärung ohne erhobenen Zeigefinger betrieben werden.
Der BDV hat zur Demonstration einen Bio-Automaten aufgestellt. Vivani-Schokolade, Felix-Riegel, Bode-Erdnüsse, Bio-Minis von Meica und Bio-Sinalco sind für Kinder und Jugendliche eine Alternative zu Schokoriegeln und coffeinhaltiger Brause. Die 0,33-Liter-Elo Packs von Vita verde sind zum Beispiel automatengerecht. Geschäftsführer Philip Friedberg vertrat sein Unternehmen persönlich auf der Eu’vend.
Die Studenten und Wissenschaftler sind im Ernährungsverhalten progressiv. An Hochschulen lässt sich Bio-Kaffee aktuell gut verkaufen. Die modernen Automaten sind flexibel und erlauben eine zweistellige Artikelzahl. Die elektronisch gesteuerten hochtechnisierten Verpflegungsautomaten fordern geradezu Bio-Produkte. Bei zehn Kaffee-Varianten muss es ein oder zwei Bio-Wahlmöglichkeiten geben.
Kaffee ist ein Hauptprodukt in der Automatenwirtschaft. Eine Reihe von Röstern hat Füllprodukte für die Kaffeeautomaten im Programm. Dr. Suwelack ist ein traditionsreicher Hersteller von gefriergetrocknetem Kaffee und ist mit seinen Produkt weltweit vertreten. Im Sortiment ist auch ein Fairtrade Bio-Kaffee. Der Hersteller aus Billerbeck arbeitet mit Markenartiklern zusammen und sieht in Schulen, Unis, Behörden und Konzernen einen zukünftigen Markt.
Schirmer aus Dortmund, unter den zehn größten Röstereien in Deutschland, vertreibt einen fair gehandelten Bio-Kaffee. Bio-Kaffee ist nach Meinung von Verkaufsleiter Christian Meinecke im Vending noch nicht populär, obwohl die Nachfrage beim Endverbraucher da ist. Die meisten Operator müssen für die Idee aber noch gewonnen werden. „Wir sind hier hergekommen, um Bio anzuschieben", erzählt Meinecke. ICS aus den Niederlanden bietet automatengerechte Bio-Kaffees an, ebenso Darboven und die Gepa. Ramon Klaus von ICS sieht im Automatengeschäft einen Wachstumsmarkt für Bio-Kaffee.
Die Deutsche Sinalco aus Duisburg steht für AFG, bedeutet der Name doch ohne Alkohol. „Es gibt keinen besseren Begriff für Erfrischungsgetränke", betont Vertriebsdirektor Gregor Stepper. Mit einer neuentwickelten Bio-Range will Stepper nicht nur in den LEH einziehen. „Wir wollen mit Bio auch in die Automaten. Wir wachsen in diesen Markt", gibt der Verkaufsdirektor als Losung aus. Bei zwei Produkten wird mit Bio-Agavendicksaft gesüßt statt mit Zucker. Für einen Euro kommen sie aus dem Schacht. „Marken haben Kompetenz. Wir sind gefordert, Bio zu transportieren", stellt sich das Unternehmen als Aufgabe. Die Apfel-Lemongras-Limo und Apfel-Minz-Schorle in der 0,5 Liter PET-Flasche sind automatengerechte Produkte, die von Geschmack und Aufmachung Zuspruch bei einem breiten Publikum finden könnten.
Hipp-Gläschen aus dem Automaten als biologische Zwischenmahlzeit für die Frau von heute als Alternative zu SchokoriegelnDoch Getränke allein reichen bei fehlender Kantine nicht für die Versorgung am Arbeitsplatz. Da muss auch Essbares auf Knopfdruck verfügbar sein. Dieter Hein liefert Bio-Würste und Hackfleisch in automatengerechter Verpackung für den kleinen Hunger in der großen Pause. Die kühlpflichtigen Produkte können kalt oder heiß verzehrt werden. Viele Betriebe haben die Nachtverpflegung auf Automat umgestellt und zusätzlich Mikrowellen aufgestellt, damit sich die Beschäftigen ihre Mahlzeit erhitzen können. „Der Automat übernimmt teilweise Kantinenfunktion. Vending ist ein wachsender Markt für uns. Bei Wurst und Fleisch sind wir führend", erklärt Manfred Pfeiffer, Verkaufsleiter bei Dieter Hein.
Die Bio-Mini Winis von Meica in kindgerechter Aufmachung sind zwar nicht speziell für den Autoamten gedacht, passen aber von der Größe. Meica unterstützt das Produkt mit Fernsehwerbung, damit Hänschen Bio lernt und nicht erst Hans.
Hipp zeigte auf der Messe einen komplett mit Bio-Baby-Gläschen und -Fruchtschorlen in der Ein-Weg-Flasche bestückten Automaten. Der Baby-Kost-Hersteller weiß, dass 20 Prozent seiner Produkte von Erwachsenen verzehrt werden. Aktuell läuft ein Test an einer Realschule und an einem Gymnasium.
Schlemmerli aus Heddesheim ist mit den drei Bio-Produkten Räucherlachs, -Forelle und Sauerkraut auf dem Markt. Für die Automatenverpflegung werden belegte Brote und Salate produziert, allerdings noch nicht in biologischer Qualität. Aber das kann sich schnell ändern. Innendienstchefin Karin Ehresmann sieht aktuell noch Preisbarrieren. Auch die könnten bald überwunden werden.
Eu´vend-Produktmanagerin Nicole Endewardt vom Veranstalter Kölnmesse registrierte reges Interesse an Bio von Seiten der Automatenwirtschaft. Die Betreiber setzen auf Innovation. Auch Bio-Hersteller zeigen sich grundsätzlich geneigt. Konkret wagen sich aber nur wenige an das Thema. Ein Betreiber im Rheinland hat selbst mit dem Belegen von Bio-Brötchen begonnen, weil sich kein Caterer fand. „Da gibt es vielleicht noch Barrieren im Kopf", vermutet Endewardt. Gilt doch Automatenfutter als wenig gesund. In Frankreich sind sie in der Schule gar verboten. Doch draußen am Kiosk verpflegen sich die Schüler nicht unbedingt mit Vollwert-Kost. Statt Verbot wäre eine kindgerechte Befüllung geboten. Hänschen kann noch lernen, was biologisch isst. Hans tut sich im späteren Leben damit schon viel schwerer.
Anton Großkinsky