Start / Ausgaben / BioPress 53 - November 2007 / Bio ist für alle da

Bio ist für alle da

Experten waren sich im Bio-Kompetenzzentrum auf der Anuga weitgehend einig

Der Gesamt Bio-Markt wächst in Deutschland im Jahr 2007 erneut deutlich zweistellig, wie Markus Rippin von Agromilagro Research zum Auftakt der Vortragsreihe im Biokompetenzzentrum auf der Anuga ausführte. Im ersten Halbjahr hat der Naturkostfachhandel im niedrigen zweistelligen Bereich zugelegt und der LEH gar um mehr als zwanzig Prozent und hat damit seine führende Rolle in der Bio-Vermarktung ausgebaut. „Bio für alle, geht nur mit allen." Mit diesen Worten leitete Carol Haest vom IFOAM Trade Forum die Podiumsdiskussion über „Bio-Vollsortimente im Supermarkt" im Rahmenprogramm auf der Anuga 2007 in Köln ein. Das Podium war sich einig, dass der LEH Bio braucht und dass Bio den LEH braucht, um sich im Mainstream zu etablieren.
Von li. n. re.: Prof. Ulrich Hamm, Leo Lammert, Markus Petereit und Christoph Soika


Carol Haest führte in das Thema ein und moderierte die Runde.
Als Impulsgeber für Lebensmittel aus biologischem Anbau im Supermarkt sieht Haest den Wettbewerb mit Aldi und Co. „Der Discount hat eine Negativspirale ausgelöst. Der Handel verteidigt sich dagegen mit Bio-Sortimenten", erläuterte Haest, der auf 20 Jahre Bio-Handelserfahrung bei Delhaize aus Belgien zurückblickt. Durch die geringeren Strukturkosten im Vergleich zum Naturkostfachhandel hat sich der LEH Vorteile erarbeitet: „Bio ist schick und preiswerter geworden".

Prof. Ulrich Hamm von der Uni Kassel bestätigte von wissenschaftlicher Seite, dass „Bio beim Verbraucher angekommen ist". Der Experte für Lebensmittelmarketing erklärte, 60 bis 80 Prozent der Kunden kauften auch Bio-Produkte. „Bio für alle: Ja natürlich", fasste Hamm zusammen. Er schränkte aber ein, dass nur ein kleiner Teil ausschließlich und regelmäßig zu Bio greife.


Der Bio-Marktexperte sparte nicht mit Kritik am Handel. Das augenblickliche Wehklagen über knappe Rohstoffe relativiert der Professor aus Kassel: „Seit 2000 sagen wir dem Handel, er müsse auch sourcen". Die Landwirtschaft braucht Umstellungszeit, der Hersteller Abnahmesicherheit. Einen funktionierenden Spot-Markt gibt es nicht. Hamm verdeutliche dies an einem Vergleich: „Aldi verkauft in sechs Wochen mehr Bio-Kartoffeln als der Fachhandel in einem Jahr".

Für Unternehmensberater Christoph Soika aus Petersberg hat Bio einen Platz in allen Vertriebswegen: „Der Handel lernt seine Tugenden anzuwenden: Der Discount füttert an; der LEH zeigt Breite und der Fachhandel zusätzlich Tiefe".

Der selbstständige Lebensmittelkaufmann Markus Petereit aus Bernkastel-Kues musste jede Menge Hürden überwinden, bis er ein attraktives Bio-Sortiment in seinem E-aktiv Markt anbieten konnte. „Bio-Produkte haben wollen ist etwas anderes als sie zu bekommen", schildert er die Erfahrung aus seiner Anfangszeit.


Die Edeka Südwest bot im nur ein bisschen Eigenmarke, Fachhandelsmarken blieben ihm versagt. Petereit wedelt mit einem Papier: „Inzwischen gibt es einen eigenen Bio-Ordersatz mit 1.000 Produkten. Die Großhandlung hat sich gewandelt". Nur im Zusammenspiel mit der Vorstufe kann das überdurchschnittliche Engagement des Händlers Früchte bringen. Mit der Hotelfachschule veranstaltet er Kochshows und geht in Kindergärten, um sinnvolle Zwischenmahlzeiten für die Pausen zu propagieren.

Marktkauf Geschäftsführer Leo Lammert räumte ein, dass die Großfläche in puncto Bio „geschlafen" habe. „Der Discounter war schneller", blickt er selbstkritisch zurück. Mittlerweile zählt der Geschäftsführer die Bio-Vermarktung zu den Kernkompetenzen des SB-Warenhauses. Er demonstriert das am Fall des Marktkaufes im Bielefelder Stadtteil Gadderbaum. Von den 30 Millionen Euro Lebensmittelumsatz werden dort zehn Prozent mit rund 3.000 Bio-Produkten getätigt: „Die Großfläche kann Bio darstellen". Der Handelsmanager setzt dabei auf Differenzierung im Sortiment und im Preis. „Wir brauchen alle Preisklassen in Bio; den Einstieg, die Mitte und Premium". Die Fläche dazu ist vorhanden im SB-Warenhaus.

Anton Großkinsky

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