basic AG:

Handel ist Wandel – und Kultur

Was die basic AG mit Sitz in München 1997 begann, war eine kleine Revolution: Sie verschrieb sich dem Motto „Bio für alle" und setzte es mit modernen Läden und einem breiten und tiefen Sortiment um. Neue Käuferschichten sollten für Bio begeistert werden. Acht Jahre später gibt es 14 Filialen in zehn Städten, und der Umsatz stieg 2004 um 20 Prozent auf bestehender Fläche und um 37,3 Prozent insgesamt auf 39 Mio. Euro. Das Experiment ist gelungen und hat eine neue Ära der Bio-Vermarktung eingeläutet.

Wir schreiben das Jahr 1998. In München-Schwabing,

Schleißheimer Straße 158 bis 162, zeigen vier Männer, was sie sich unter moderner Bio-Vermarktung vorstellen. Die Männer sind keine Unbekannten: Georg Schweisfurth rief mit seinem Vater, dem ehemaligen Herta-Besitzer Karl-Ludwig Schweisfurth, das Öko-Projekt Herrmannsdorfer Landwerkstätten ins Leben. Richard Müller gründete Chiemgauer Naturfleisch, ist dort Geschäftsführer und war
Mitbegründer des Bundesverbands Naturkost Naturwaren (BNN). Johann Priemeier wiederum ist Inhaber und Geschäftsführer der Antersdorfer Mühle, und auf den Vierten im Bunde, Hermann Oswald, geht der Epos-Fachgroßhandel für ökologische Gastronomie zurück, wo Oswald als Geschäftsführer arbeitet. Diese vier Freunde gestalten auf 650 Quadratmeter einen Markt, in dem sich auch Kunden wohl fühlen sollen, die bislang nicht oder selten zu Bio gegriffen haben. Ideologisch geprägte Verkaufsstrategien soll es nicht geben. Der Slogan ist provokant und heißt: „Bio für alle". Umgesetzt wurde er in einem Markt namens „basic", der hell und farbenfroh, mit den unverkleideten Rohren an der Decke und den Regalen aus Metall schnörkellos, mit gelbem Boden und blauer Decke
mutig und mit seinem breiten und tiefen Sortiment an Ware in geprüfter Bio-Qualität einmalig ist. Vor allem die Auswahl an Fleisch, Wurst und Käse – alles in Bedienung – gibt es so noch nirgendwo zu haben.

Natürlich ist die Bio-Szene verschreckt. Naturkostläden klagen über Kundenschwund und bangen ums Überleben. Denn die Verbraucher zeigen sich angetan von dieser Veränderung, die einer Revolution gleich kommt. Und der Zulauf wird größer, als die Frauenzeitschrift „Brigitte" von basic gar als einem „Bio-Aldi" schreibt.

Preise auf Niveauder NK-Läden

Herbst 2005: Mittlerweile sollte sich das Verhältnis zwischen den Bio-Läden alter Schule und basic wieder normalisiert haben. Zum einen war die Aussage vom „Bio-Aldi" übertrieben – die Preise liegen um 20 bis 30 Prozent über dem Niveau des LEH (Fleisch eher darüber) und entsprechen – so die Auskunft des Unternehmens – in der Masse dem der Naturkost-Läden. Ausnahme sind die insgesamt 100 Produkte der basic-Eigenmarke namens „basic", die im Preiseinstiegsbereich angesiedelt sind und somit günstiger als Herstellermarken sind.


Außerdem gibt es Aktionspreise und die „basic-Preise" als Dauerniedrigpreise. Zum anderen hat das Münchner Unternehmen Bio-Kunden gewonnen, die – einmal auf den Geschmack gekommen – ihren Einkauf dann auch mal woanders erledigen. Und zum Dritten kann selbst im Bannkreis von basic ein Geschäft florieren, das auf gute alte Kaufmannstugenden setzt und seine Stammkundschaft fürsorglich bedient.

Das aber wird für immer mehr Ladner notwendig: Nicht nur, dass basic ab Dezember 2005 14 Standorte in zehn Städten hat und mit bis zu jährlich sechs Neueröffnungen ehrgeizige Expansionsziele verfolgt. Sondern auch deshalb, weil das Unternehmen selbst die Entwicklung zum Bio-Supermarkt angestoßen hat, was zum Beispiel mit Rewe ganz neue Spieler in die Liga holte und die Gangart verschärfen könnte (siehe bioPress, Ausgabe 43). Doch sagt Josef Spanrunft: „In Bio steckt viel Potenzial. Es wird in Zukunft noch mehr Kunden geben. Alle werden wir uns im Wettbewerb weiterentwickeln."

Zunehmend wichtig: Gute Mitarbeiter


Josef Spanrunft, 51, ist seit 2003 Vorstand Vertrieb. Die Gründer der nicht börsennotierten AG konnten das, was sich zu einem erfolgreichen und munter filialisierenden Handel mit Bio-Produkten entwickelte, nicht mehr adäquat neben ihren angestammten Bereichen betreuen. Mit Ausnahme von Johann Priemeier, der vorerst weiter als Finanzvorstand arbeitet, zogen sie sich aus dem Tagesgeschäft von basic zurück und stehen dem Unternehmen als Beiräte bei strategischen Fragen und als Ideenlieferanten zur Seite. Wobei zum Beispiel Georg Schweisfurth im wahrsten Sinne des Wortes weiterhin seine Handschrift aufdrückt: Er entwickelt das Outfit für die neuen Märkte und lässt es sich nicht nehmen, die Tafeln mit den Hinweisen aufs Sortiment und andere Informationen selbst zu schreiben. Auch Richard Müller hat mit Schulungen für die Mitarbeiter eine Aufgabe übernommen, die zunehmend wichtiger wird.

Denn die Anforderungen an die Mitarbeiter sind in einem filialisierten Unternehmen und in Märkten mit rund 8.000 Artikeln anspruchsvoller als im kleinen Bio-Laden. Zum Beispiel gibt es keinen Inhaber mehr, der selbst im Laden steht, vertieftes Wissen mitbringt und auf Kosten der eigenen Freizeit etwa Krankmeldungen kompensiert. Daher werden bei den Großen der Branche eventuelle Einsparungen im Einkauf schnell wieder von Personalkosten aufgefressen. Gute Mitarbeiter in ausreichender Zahl sind aber auch deshalb notwendig, weil bei den basic-Kunden – gewünschtermaßen oft unerfahrene Bio-Verwender – Kenntnisse nicht automatisch vorausgesetzt werden können und Antworten zur Warenkunde abrufbar sein müssen. Als Beispiel nennt Josef Spanrunft das makrobiotische Sortiment oder die Naturkosmetik, die sehr beratungsintensiv seien.

Und noch eine Entwicklung ist neu: Immer mehr Bio-Märkte als früher buhlen um Arbeitskräfte, die Kenntnisse sowie Affinität zur Ware mitbringen und ein angenehmes Klima im Markt verbreiten. „Zuvorkommende Behandlung der Kunden ist wichtiger als ein Flyer", findet Spanrunft. Daher legen die Münchner großen Wert auf Fortbildung und darauf, dass junge Menschen (derzeit 35) in den Märkten ausgebildet werden. Schließlich brauchen auch neue Filialen personellen Input. Allerdings profitieren auch die Mitbewerber von der Qualifizierung – basic-Mitarbeiter seien gefragt, schmunzelt Spanrunft.

Neues Thema: Filialisierung

Das Thema Mitarbeiter ist in der Bio-Branche nicht anders als im konventionellen Bereich – wie überhaupt bekannte Entwicklungen des LEH nun im Naturkostsektor anzustehen scheinen. Auch
Filialisierung ist ein eher neues Thema der Öko-Branche – für Spanrunft jedoch vertrautes Terrain. Er sagt von sich, dass er den LEH „mit der Muttermilch aufgesogen habe", hat viele Jahre für die Tengelmann-Gruppe gearbeitet und beobachtet natürlich, was sich bei den LEH-Riesen tut. So sagt er zum Beispiel, dass die Verbraucher zum Discounter gehen, wenn sie billig einkaufen wollen, und zum Bio-Markt, wenn sie hohe Qualität wünschen. So stammt das Umsatzplus – für 2005 rechnet er mit 55 Millionen Euro – denn auch von neuen Kunden auf bestehenden Flächen und von Hausfrauen und -männern, die ihren Bio-Konsum ausweiten. „Alles, was man zu sich nimmt oder auf die Haut gibt, wird stärker nachgefragt", weiß Spanrunft: Obst und Gemüse, Molkereiprodukte, Kosmetika und natürlich Fleisch und Wurst wegen der besonders auffallenden besseren Qualität. Vom Bio-Trend weniger betroffen sind Wasch- und Putzmittel. Ein Beweis mehr, dass beim modernen Bio-Kunden weniger ökologische Aspekte das Kaufverhalten bestimmen als seine Freude am Genuss und seine Sorge um das Wohlergehen.

Thema Nummer 1: Die Standorte

Die Innenstädte, aus denen sich andere Lebensmittelanbieter zunehmend zurückziehen oder die diesbezüglich schon ganz verwaist sind und oft einen deprimierenden Mix aus Klamotten-Shops und anderen Billiganbietern zeigen, gehören zu den bevorzugten Standorten von basic. Man will dorthin, wo die Menschen wohnen und arbeiten. Das heißt aber auch: hohe Mieten. Obwohl sich die Situation bei den Mietkosten wieder etwas entspannt hat, zahlt basic im Durchschnitt aller Standorte zwischen 11 und 15 Euro pro Quadratmeter.

Im vergangenen Jahr eröffnete basic jeweils einen Markt in Hamburg und Düsseldorf, 2005 kamen bereits der dritte Markt in München, der erste in Essen – er wurde auf der diesjährigen Anuga bereits mit dem Goldenen Selly in der Kategorie größer 300 Quadratmeter ausgezeichnet – und jeweils der zweite in Frankfurt und Köln hinzu. Zudem wird am 8. Dezember in Dortmund der erste basic an den Start gehen. Die basic-Keimzelle, der Markt in München-Schwabing, soll ebenfalls noch in diesem Jahr umgebaut und vergrößert werden – sofern die Baugenehmigung erteilt wird. Eine derartige Entwicklung kann aus dem operativen Geschäft gezahlt werden, sagt Spanrunft, „sechs Märkte im Jahr sind zu stemmen". Im Visier sind nach wie vor die Großstädte, die mit mehreren Standorten besetzt werden sollen. Und auch der Osten der Republik soll kein weißer Fleck auf der basic-Landkarte bleiben.


Die AG-Verantwortlichen haben – gemäß dem alten Kaufmannssprichwort „Handel ist Wandel" – ihre eigene Zeitrechnung. „Seit Hamburg" ist zum Beispiel der Backshop mit Kaffee zum Soforttrinken, Snacks, kalten Getränken und frischen Säften in der Vorkassenzone angesiedelt (mit guten Erfahrungen), „seit Düsseldorf" ist die Regalierung etwas höher und es gibt runde Gondelköpfe, „seit München III" gibt es zusätzlich zum normalen auch einen bunten, leichten Einkaufswagen aus Plastik (der, sofern er nicht gut mit Ware bestückt ist, allerdings leicht kippelt). „Wir behalten den Stil und entwickeln ihn weiter", erklärt Handelsprofi Spanrunft. Dieser Stil ist unverwechselbar, wird aber zum Beispiel mit Bildern an den Wänden variiert.

Auch das Warenangebot ist mit rund 8.000 Artikeln überall ähnlich, wobei es natürlich regionale Lieferanten gibt. Über sie entscheidet die Zentrale. Auch das Warenwirtschaftssystem wird zentralseitig gepflegt.

Beispiel: Der neue Markt in München

Der neue Markt in München hat eine ganz besondere Adresse. Das Haus ist ein Projekt des renommierten Architekten Stephan Braunfels, der beispielsweise auch die Pinakothek der Moderne in München, die Regierungsgebäude „Paul Löbe Haus" und „Maria Elisabeth Lüders Haus" in Berlin oder den Büro- und Messeturm in Köln-Deutz gebaut hat. Das Haus in München stand allerdings acht Jahre leer. Ein Grund ist sicher, dass bei dem Abschnitt des Mittleren Rings – Münchens Stau- und Stressmeile –, an dem der neue Markt liegt, vor etwa drei Jahren mit der Untertunnelung begonnen wurde, was noch mehr
Lärm, Schmutz und Autokolonnen bedeutete. Weitere vier, fünf Jahre wird die Buddelei noch dauern, doch soll sie in absehbarer Zeit nur noch unterirdisch stattfinden. Josef Spanrunft gewinnt der Situation ohnehin Gutes ab: Da die Autos verlangsamt vorbei fahren müssen, können die Insassen den neuen basic-Markt wahrnehmen. Ein witziges Riesenplakat wirbt zudem für Sympathie. Und dann, wenn der meiste Verkehr erst einmal unter der Erde ist, dürfte es ein sehr attraktiver Standort sein. Die 23 Mitarbeiter der Zentrale wird es freuen: Sie haben im Juni dieses Jahres die Räume in der Etage über dem Markt bezogen.

Es riecht gut, wenn man basic München III betritt. Die frisch gepressten Säfte im Eingangsbereich bei der Back- und Snacktheke signalisieren mit ihrem Aroma appetitliche Frische. Die basic-Farben blau (Decke) und gelb (Boden) sind eher gedämpft, auch hat der Markt hier nicht die für manch andere Standorte typischen unverputzten Rohrleitungen an der Decke. Dafür aber, wie „seit Düsseldorf", eine elegant-dezente Beleuchtung der Regale von unten und den allgegenwärtigen Eindruck von Kompetenz, Wertigkeit und Kultur.

Geht der Kunde nach rechts, kommt er nochmals an Brot und Backwaren in SB und einer Aktionsfläche vorbei zu Obst und Gemüse und in die gekühlte Zone. Hier liegen in einem durch Glas abgeteilten Raum bei 15 Grad Celsius Obst und Gemüse – und ideenreich stehen da auch ein paar Kästen Bier mit perfekter Temperatur für den eiligen Genießer. Bei 19 Grad Celsius geht es weiter in die große Abteilung mit SB-Mopro und -Wurst, gekühlter Convenience und TK-Produkten in zwei großen modernen Truhen sowie einem Leergut-Rücknahmeautomaten.

Im restlichen Markt herrschen angenehme 21 Grad. Attraktion ist natürlich die 13 Meter lange Theke mit frischem Fleisch (im Standardangebot sind Schwein, Rind, Kalb, Lamm, Hähnchen und Pute), Wurst und Käse sowie eine kleine Truhe mit Käse in Pre-Pack. Vor den Theken stehen Körbe mit ergänzenden Produkten – Nudeln etwa oder Wein. Die Kunden können sich eventuelle Wartezeiten mit der gedanklichen Komposition von Speisefolgen vertreiben – und werden gleich mal animiert.

Ansonsten: Ware in Hülle und Fülle, eine übersichtliche Kundenführung, gute Kennzeichnung zum Beispiel der glutenfreien Produkte, angenehm leise und vom Marktleiter selbst zusammengestellte Musik (ohne Werbeunterbrechung) in einzelnen Abteilungen. Im Eingangsbereich hängt ein Korkbrett, an der Fragen und Wünsche der Kunden mit den Antworten der Zuständigen pinnen. Viel Lob ist zu lesen und oft der Wunsch nach noch mehr basic in München. Dieser Markt der Extraklasse hat vier Wochen nach seiner Eröffnung ganz offensichtlich schon viele Fans.

Ilse Raetsch

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