Start / Ausgaben / BioPress 45 - November 2005 / Bio ist der Königsweg

Bio ist der Königsweg

Das Unser Land Netzwerk in Bayern entwickelte mit dem Handel eine beispielhafte regionale Vermarktung

Bio, regional und fair ergänzen sich ideal. Das Netzwerk Unser Land im Raum München beschreitet diesen Pfad und hat in jahrelanger Arbeit ein Erfolgsrezept für die Vermarktung ausgeklügelt. Neun Solidargemeinschaften aus den Landkreisen um die Landeshauptstadt haben sich zusammengetan, um Strukturen für einen besseren Absatz der landwirtschaftlichen Erzeugnisse zu schaffen. Das verhilft Bauern und Handwerkern im harten Konkurrenzkampf zu einem stabileren Einkommen und der Handel bekommt unverwechselbare Produkte. 2005 ist Unser Land in die Bio-Vermarktung im Lebensmitteleinzelhandel eingestiegen.

1994 hat alles angefangen mit der Solidargemeinschaft Brucker Land, acht weitere wurden in der Zwischenzeit gegründet. Die Lieferungen an den LEH begannen bereits 1995. Die Zusammenarbeit mit neun Erzeugergemeinschaften war aber nicht LEH-gerecht. Viel Aufwand für wenig Ware machte keinen richtigen Spaß. Für die Supermärkte war das Verfahren zu kompliziert. Im neuen Jahrhundert wurde dann der organisatorische Sprung nach vorne gemacht, in dem der Dachverein Unser Land ins Leben gerufen wurde. Der Verein mit Sitz in Nassenhausen vor den Toren Münchens wird getragen von den gesellschaftlichen Säulen Kirche, Verbraucher, Handwerk/Handel, Landwirtschaft sowie Umwelt und legt die Richtlinien für die Erzeugung fest, wie die Vorsitzende Elsbeth Seiltz erklärt.


Für die Vermarktung der landwirtschaftlichen Produkte wurde die Unser Land GmbH in Fürstenfeldbruck mit Geschäftsführer Konrad Loder gegründet. Verkauf, Logistik, Abrechnung und Qualitätssicherung werden von der GmbH, erledigt. Damit wurde die organisatorische Voraussetzung geschaffen für eine erfolgreiche Partnerschaft mit dem Handel, der einen einzigen Ansprechpartner bekam.

Premium-Produkte mit Charakter

Durch die gemeinsame Vermarktung im Netzwerk werden größere Mengen erfasst, was die Verfügbarkeit für den Handel erhöht und die Zahl seiner Lieferanten begrenzt. Der Handel erhält Premium-Artikel mit Charakter, und der Verbraucher in der Großstadt kann einen Bezug zu den Erzeugnissen der Bauernhöfen aus dem Umland entwickeln.

Unser Land orientiert sich an der Nachfrage und steuert den Anbau entsprechend. Damit wird ein Überangebot, das die Preise drückt von vorn herein vermieden. Wenn mehr Salat statt Weißkraut gefragt ist, werden die Weichen gleich richtig gestellt. „Der Handel braucht einen Ansprechpartner, der die Warenströme beeinflussen kann", erläutert Agraringenieur Richard Mickasch, Zweiter Vorsitzender des Dachvereins und Beirat in der GmbH. Eine angebotsorientierte Strategie führt leicht zur Produktion der falschen Produkte oder Mengen.

Die Unser Land-Richtlinien sind strenger als die gesetzlichen Vorgaben und erlauben weder chemische Pflanzenschutz-Mittel noch gentechnische verändertes Saatgut. „Es ist ein Übergang zu Bio", meint Mickasch. Einige der Bauern sind inzwischen über diese Brücke gegangen. Für den Bio-Anbau hat das Netzwerk keine eigenen Regeln formuliert. „Das richtet sich nach der EU-Verordnung und den Vorschriften der Verbände", erklärt Mickasch.

Weichen auf Bio gestellt

Mit der Einführung der Bio-Produkte im Januar 2005 berücksichtigte Unser Land die Wünsche der Verbraucher und verbreitert in einem Segment mit hohen Wachstumsraten die wirtschaftliche Basis für die Mitglieder. Lager- und Winter-Gemüse wie Karotten, Kartoffeln, Sellerie, Weißkohl und Zwiebeln bereicherten zunächst die Münchner Supermarktregale. Die Ware ist entsprechend der Gepflogenheiten im LEH abgepackt. Die Bio-Kartoffeln in der hochwertigen Tüte; die Karotten im Beutel, die Zwiebeln im Netz, und der Sellerie ist mit einer Banderole gekennzeichnet. Neben dem Unser Land Markenzeichen wird das Bio-Siegel verwendet. Unser Land offeriert festkochende, vorwiegend festkochend und mehlige Bio-Kartoffeln. Bisher werden im LEH fast ausschließlich festkochende Sorten angeboten. Da ist Unser Land eine echte Bereicherung für die Minderheit, die ihre Schupfnudeln und Knödel noch selbst macht.


Im Sommer wurde das Sortiment um Tomaten, Gurken und Salat ergänzt. Im Spätsommer folgten Gurken als Sauerkonserven im Glas. Weitere Sauerkonserven wie Rote Beete, Rotkraut und Sellerie sind geplant. Außerdem werden Bio-Sonnenblumenöl, Bio-Mayonnaise, Bio-Senf (in den Varianten süß, mittelscharf, körnig) und Bio-Senf-Dill-Sauce angeboten. Bio-Feinkost wird im Lebensmitteleinzelhandel ebenfalls noch klein geschrieben. Hier füllt die Solidargemeinschaft Lücken.

Die Feinkost produziert der Traditionsbetrieb Münchner Kindl. Theo Hartl und Eberhard König in Gröbenzell sind die führenden Bio-Senf Hersteller in Deutschland. Eine Schäferei in Puchheim erzeugt Bio-Lamm und einige Bäcker schieben Bio-Brote in den Ofen. Das regionale Angebot ist also keinesfalls langweilig.

Zweimal wöchentlich werden 400 Märkte angefahren. Die Zentrale unterhält keine eigenen Betriebsstätten. Lagern, sortieren, verpacken, kommissionieren und transportieren übernehmen die Bauern selbst und profitieren von den Synergien im Netzwerk. Einer baut ein CA-Lager für alle. Ein anderer betreibt ein Fuhrunternehmen für mehrere.

Beliefert werden der Fachhandel und an erster Stelle die Supermärkte Tengelmann, Edeka, Rewe, Spar und AEZ. Das Netzwerk ist im Raum München flächendeckend vertreten. Im Lebensmittel-Handwerk bei den Bäckern und Metzgern hat die Gemeinschaft ebenfalls zahlreiche Partner. Das Handwerk muss nach Auffassung des Agraringenieurs aufrecht erhalten werden: „Wenn das Handwerk gestorben ist, ist es aus mit der Entwicklung auf dem Land". Bäcker und Metzger verarbeiten die Rohstoffe zu Unser Land Brot und Wurst. Damit wird eine komplette regionale Wertschöpfungskette geknüpft. Verarbeiter wie Keltereien, die Säfte von Streuobstwiesen abfüllen, Getreide- und Ölmühlen sichern sich ihre Existenz über die regionale Vermarktung.

Der Verbraucher vertraut auf Echtheit und die Produktsicherheit. Die Wertschätzung drückt sich in Euro und Cent aus. Die Wertschöpfung bleibt in der Region und sichert den Bauern einen gerechten Lohn für die Arbeit auf dem Feld. Bei den kurzen Transport-Wegen wird zudem der Gedanke der Ökologie berücksichtigt.

Gemüse und Konserven

Die Landwirte stehen hinter der regionalen Vermarktung von Bio-Produkten. Andreas Hatzl produziert schon seit fünf Jahren ausschließlich Bio-Produkte auf 75 Hektar Fläche. Der 33-jährige war von Anfang an bei Brucker Land mit dabei.


Auch Johann Kraut, Gründungsmitglied von Brucker Land, ist einer der Vertragsbauern. „Diese Entwicklung ist die logische Konsequenz aus unserem Engagement. Sie repräsentiert die Weiterentwicklung des Netzwerks Unser Land", erklärt der 51-jährige Bauer. Auf seinen 60 Hektar Land baut er hauptsächlich Kartoffeln, Getreide, Dinkel, Soja und Erbsen an. 2005 stellt er seinen Betrieb komplett auf Bio um.

Dritter im Bunde der Bio-Landwirte ist Peter Grossmann-Neuhäusler aus Vierkirchen im Dachauer Land. „Ich bewirtschafte meinen Hof schon seit zehn Jahren biologisch. Bei Dachauer Land mache ich jetzt mit, weil die eigentliche Idee, aber auch die kurzen Transportwege überzeugen", erklärt der Besitzer eines 150 Hektar großen Betriebes. Auf seinen Feldern wachsen Karotten, Kartoffeln, Sellerie, Weißkohl, Gurken, Getreide und Erbsen.

Durch die Verzahnung von Erzeugung, Verarbeitung und Handel entstehen zudem attraktive Produkte für moderne Menschen. Für die Convenience wird Sauer- und Schweinebraten in der Folie mit einer Restlaufzeit von zwei Wochen angeboten. „In Bayern wächst bereits die zweite Generation heran, die in der Schule nicht mehr kochen gelernt hat", stellt Mickasch fest. Das begünstigt die Karriere von Fertiggerichten, die Premium, biologische Herstellung und regionale Erzeugung in sich vereinigen. Das Wachstum bewegt sich im oberen einstelligen Bereich. Die Partnerschaft zwischen Stadt und Land funktioniert bei diesem Modell.

Anton Großkinsky

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