Messe
Organic Ukraine: Wir halten die Stellung an der Wirtschaftsfront!

Die ukrainische Biobranche ist seit Jahren bekannt für ihre starken Auftritte auf der Weltleitmesse Biofach. Mehr als 20 Unternehmen zeigten auch bei der ‚Summer Edition‘ vom 26. bis 29. Juli 2022 Präsenz.
Trotz der Schrecken des Krieges und der vielen widrigen Umstände zeigte eine zahlreiche Delegation des ukrainischen Bio-Sektors in Nürnberg ihr vielfältiges Angebot. Infolge des noch immer blockierten zivilen Flugkehrs entwickelten sich die Hin- und Rückreise für viele zu mehrtägigen Roadtrips durch den europäischen Hitzesommer.
Getreu dem aktuellen Claim „We need orders – not regrets!“ nutzte die ukrainische Delegation die vier Messetage für den aktiven Austausch mit Geschäftspartnern und Fachleuten aus der weltweiten Bio-Ernährungsbranche. Hochrangige politische Vertretungen wie der EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski sowie der deutsche Minister für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir, zollten mit ihrem Besuch am nationalen Pavillon der Ukraine Interesse und Respekt.
Zusammen mit Biofachleuten engagierten sich zudem offizielle ukrainische Vertreter wie Andrii Remizov, Acting Director des ‚Entrepreneurship and Export Promotion Office‘ im Kongressprogramm. Sie schilderten auf eindrückliche Weise die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs. ‚Bio-Ziele im Schatten des Krieges: Wie wirkt sich der militärische Konflikt auf die Agrarpolitik in der MOE-Region aus?‘ und ‚Ökologischer Landbau in der Ukraine fünf Monate nach Beginn des Krieges – Status Quo und Ausblick‘ waren die Titel zweier Highlights. Vernetzungsanlässe wie ‚Die Entwicklung des Bio-Sektors in Osteuropa beschleunigen‘ zeigten Perspektiven für zukunftsorientierte Kooperationen trotz schwieriger Rahmenbedingungen auf.
Verantwortung und Kooperationsbereitschaft zeigen
Zum Zeitpunkt der Biofach sorgte die Ankündigung sicherer Exportkorridore ab dem Hafen Odessa für Schlagzeilen, unmittelbar gefolgt von russischen Angriffen auf denselben Hafen. Kaum zur Überraschung der ukrainischen Ernährungsbranche, wie Anastasiia Bilych bestätigt. Die Fachfrau mit einem PhD in ‚Nachhaltige Entwicklung im Agrarsektor‘ kennt als Marketingverantwortliche der Bio-Agroindustrial Group Arnika Organic die Herausforderungen aus erster Hand. Den Handlungsbedarf bringt sie mit Winston Churchill auf den Punkt: „It is useless to say: We are doing everything we can. It is necessary to do what is necessary! (Es ist sinnlos zu sagen: Wir tun alles, was wir können. Es muss getan werden, was notwendig ist!)“ und ergänzt das historische Statement mit aktuellem Bezug: „We, at Arnika, do what we have to do and what needs to be done. We are holding our ground on the economic front. (Wir bei Arnika tun, was wir tun müssen und was getan werden muss. Wir halten die Stellung an der Wirtschaftsfront.)“
Als eines der grössten Bio-Agrarunternehmen Europas unterstützt Arnika Organic die Partnerunternehmen der ukrainischen Biobranche auf tatkräftige Weise, etwa mit logistischer Unterstützung bei der Suche nach funktionsfähigen Exportalternativen. Wichtig sei jetzt jedoch weit über die Ukraine hinaus die solidarische Kooperation aller Akteure, betont Anastasiia Bilych: „Jemand muss Verantwortung zeigen und die Führung übernehmen!“
Ukraine-Logistik: Starke Kooperationen und Verantwortungsbewusstsein
Zum Abschlusszeitpunkt dieses Artikels konnten erstmals nach langen Monaten wieder ukrainische Getreidelieferungen ab dem Hafen Odessa über den Seeweg exportiert werden. Das Ende Juli 2022 unter Vermittlung der UNO und der Türkei zustande gekommene Abkommen mit dem anspruchsvollen Ziel ‚sichere Lieferkorridore‘ stellt eine zaghaft positive, aber äußerst fragile Entwicklung dar. Ob und wann sich der Seeweg auch für Bioprodukte wieder normalisiert, muss sich noch weisen. Kurzfristig sind die Lieferslots und Lagerkapazitäten an den Häfen durch große ukrainische konventionelle Agrarholdings ausgebucht.
Gleichzeitig sorgt die Suche nach alternativen Lieferwegen namentlich via verstärkte Nutzung der Bahn- und Flussinfrastruktur für Schlagzeilen. Zumindest für den europäischen Zielmarkt bieten diese Optionen gerade für die Biovermarktung tatsächlich gewisse Zukunftsperspektiven. Dazu ist jedoch der Ausbau der Infrastruktur und eine entsprechende Investitionsbereitschaft – sowohl auf politischer wie privatwirtschaftlicher Ebene – der westlichen Kooperationspartner notwendig.
Die Fachleute sind sich jedoch einig (siehe Online-Seminar: ,Kriegen wir noch was raus?‘): Den bewährten und gut ausgebauten Seeweg ab den ukrainischen Seehäfen können diese Alternativen bestenfalls ergänzen, jedoch keineswegs ersetzen.
Peter Jossi