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Messe

Streiflichter der Biofach 2023

Bio-Vielfalt von Sonnenblumenhack bis zu Gulasch vom Bruderkalb

Streiflichter der Biofach 2023

‚Paving the path‘ – ‚den Weg bereiten‘: Unter diesem Motto traf sich die Bio-Branche vom 14. bis 17. Februar in den Hallen der NürnbergMesse wieder. Mit 2.765 Ausstellern aus 95 Ländern war die Biofach 2023 um 20 Prozent größer als die Sommer Edition. Knapp 36.000 Fachbesucher aus 135 Ländern konnten sich von über 400 Produktneuheiten überzeugen, sich auf der erstmaligen Sonderschau BIOimSEH Expertentipps für die Sortimentsgestaltung holen und sich vernetzen.

Aus Deutschland waren 764 Aussteller am Start, 72 Prozent sind aus dem Ausland angereist. Zum ersten Mal dabei waren der karibische Inselstaat Dominica sowie Liberia. Wie schon bei der Sommer-Ausgabe fand die Messe im hybriden Format statt: Parallel zur Präsenzveranstaltung konnten Besucher die digitale Eventplattform talque nutzen: zur Vorabplanung, zum Matchmaking oder zum Nachschauen der Kongressveranstaltungen, von denen die meisten auch livegestreamt wurden.

Vier Trends haben sich bei der diesjährigen Biofach herauskristallisiert: ‚New Glocal‘, das Ersetzen von Inhaltsstoffen durch heimische Zutaten; ‚Vegan meets Tradition‘, die vegane Neuinterpretation traditioneller Gerichte; ‚Less is More‘ – ‚Weniger ist mehr‘, von der Verarbeitung bis zur Verpackung; und ‚New Sweeteners‘, neue Süßungsmittel anstelle von Zucker.

Sirup in Fülle

Seit 20 Jahren Erfahrung im Sirup-Geschäft hat das pakistanische Unternehmen Shafi Gluco Chem. Über 50 Prozent seines Umsatzes erwirtschaftet einer der weltweit führenden Hersteller von Proteinen und Süßungsmitteln heute mit Bio-Produkten. Es gibt Reis-, Fruktose- und Tapioka-Sirup, Tapioka-Milchpulver, Reis-Mehl und -Proteine und mehr. Bisher einzigartig auf dem Markt sei die Tapioka-Milch, eine besonders erfrischende Milchalternative. Insgesamt produziert Shafi Gluco Chem über 50.000 Tonnen pro Jahr und fährt einen jährlichen Umsatz von über 50 Millionen US-Dollar ein.

Die gesamte Ware ist auch in Bio-Qualität erhältlich. Kunden können die Produkte in Größen von 25-Kilogramm-Papiersäcken bis zu Großraumbehältern mit 1.400 Kilogramm Fassungsvermögen bestellen. Verwendung finden sie in Getränken, Energieriegeln, Säuglingsnahrung, Fleischersatzprodukten – oder sogar in Shisha. Durch eine In-house-Lieferkette könne die Qualität der Produkte besonders gut überwacht werden. 300 bis 500 Mitarbeiter sind in der eigenen Produktionsstätte angestellt. „Die Nachfrage nach pflanzenbasierten Produkten und Zuckeralternativen geht nach oben“, meint Kazim Abbas, der den Export verantwortet. Besonders die natürlichen Alternativen seien immer gefragter.

Qualität aus Schweden

Mit 20 Prozent Bio-Agrarfläche, 6,1 Prozent Bio-Umsatz im Lebensmitteleinzelhandel und 38 Prozent Bio in der öffentlichen Außer-Haus-Verpflegung (AHV) ist Schweden weltweit ganz vorne im Ökolandbau. „Der politische Wil-le war da und der Markt hat reagiert“, erklärt Anton Järild, Kommunikationsstratege beim Bio-Verband Organic Sweden, der dieses Jahr zum ersten Mal bei der Biofach mit von der Partie war. Die führenden Handelshäuser hätten sich in den letzten Jahren eine Art Wettbewerb um das beste Bio-Sortiment geliefert.

Ähnlich wie in Dänemark gibt es in Schweden fast keine Bio-Fachgeschäfte und der Einzelhandel ist fast vollständig für den Bio-Umsatz verantwortlich. Die großen Handelsorganisationen ICA, Axfood und Coop kontrollieren über 85 Prozent des gesamten Lebensmittelmarktes. Führend und Vorreiter im Bio-Bereich ist Coop, aber auch einige ICA-Filialen hätten ein sehr gutes Bio-Sortiment.

2017 hat die schwedische Regierung sich die aktuellen Ziele gesetzt, bis 2030 30 Prozent Bio-Agrarfläche und 60 Prozent Bio in der AHV zu erreichen. Dafür wurde ein Aktionsplan implementiert, an dessen Strategie Vertreter der gesamten Lebensmittelkette beteiligt waren: Landwirte, Verarbeiter, Einzel- und Großhändler. Auf der Biofach boten schwedische Aussteller Vielfalt von alten Getreidesorten über Leindotter- und Hanföl, handgepflückte Blaubeeren und Cranberries bis hin zu Schokolade. Darüber hinaus hat Organic Sweden das ‚Eko-Portalen‘ vorgestellt. Dieses Online-Portal umfasst derzeit über 700 Produkte und verbindet schwedische Bio-Lebensmittelhersteller mit potenziellen Kunden.

Vegane Convenience von Tofu bis Pizza

Der Trend zur pflanzenbasierten Ernährung ist endgültig auch in der Bio-Branche angekommen und so wurden auf der Biofach 2023 zahlreiche für Veganer geeignete neue Produkte präsentiert. Eine vegane ‚Bio Pizza Bian-ca‘ mit Cashew-Sauce, Champignons und Spinat auf Dinkel-Teig kredenzte followfood den Besuchern. Ökofrost hatte eine vegane, laktose- und glutenfreie TK-Sacher Torte mit Aprikosen-Füllung sowie eine vegane Haselnuss-Torte mit Kaffee-Füllung im Gepäck – Marke Biopolar. Und auch Lovechock hat sein vegan-Sortiment um eine limitierte Edition erweitert: mit veganem Schokoladeneis samt Cashew, Mandeln und Feigen.

Auf Sonnenblumenhack basieren neue vegane Bolognese- und Burger-Alternativen der Etadoro GmbH aus Österreich. Rote Bete-Falafel mit „einem Hauch Meerrettich“ hat Organic Veggie Food für die Marke Soto neu kreiert. Bio-Pilz-Bratlinge mit Roter Bete und Bohnen gibt es vom dänischen Hersteller perfectseason. Und die Taifun Tofu GmbH hat mit den ‚Bratfilets Gartenerbse‘ und ‚Tofu Spinacia‘ zwei neue Tofu-Spezialitäten präsentiert.

Eine Fülle von veganen Fleischersatzprodukten hat Davert im August 2022 auf den Markt gebracht. Basierend auf Erbsen- und Ackerbohnen-Protein gibt es neben neutralen Veggie Chunks und Granulat auch Convenience-Gerichte wie Chili sin Carne, Veggie Bolognese, Curry, Burger oder Gyros.

Brinkers wiederum präsentierte seine stetig wachsende Range veganer Aufstriche. Bereits 2016 wurde die Marke So Vegan So Fein mit den Sorten Nuss-Nougat, Zartbitter und Schokolade implementiert. Inzwischen wurden die-se Varianten um eine Mandel-, weiße Kokos-, Pistazien- und Walnusscreme ergänzt und werden mittlerweile weltweit distribuiert. Außerdem hat Brinkers neu drei Produkte mit 30 Prozent weniger Zucker eingeführt: Die Geschmacksrichtungen Nuss-Nougat, weiße Haselnuss und Mandel werden nun mit Datteln gesüßt.

Komplett ohne Zucker – damit wirbt die Berief Food GmbH bei ihrem neuen Haferdrink. Selbst der natürliche Zucker, der bei herkömmlichen Haferdrinks durch die Fermentation im Herstellungsprozess entsteht, ist hier nicht mehr enthalten. Die ‚ohne Zucker‘-Linie umfasst neben der Neuheit bereits einen Mandel- und einen Soja-Drink.

Für die nächste kalte Jahreszeit ist mit Glühwein und Punsch von Bayernwald vorgesorgt. Ein Orangenpunsch ohne Alkohol verbirgt sich hinter dem ‚Bio Hitzkopf Winterapfel‘. Ein neun-prozentiges Geschmackserlebnis mit feinen Gewürzen und Zitrusnoten verspricht dagegen der ‚Bio Hitzkopf Schlehen-Glühwein‘.

Joghurts aus Aprikosenkernen, Mandeln oder Kokos

Das österreichische Startup Kern Tec GmbH bietet jetzt zusätzlich zur Milchalternative, die auf der letzten Biofach ausgezeichnet wurde, zwei Wunderkern-Joghurtsorten, die aus Aprikosenkernen hergestellt werden: einmal pur, einmal mit Blaubeerengeschmack. Dazu kommt ein neuer ‚Barista Kern Drink‘ für Kaffeeliebhaber.

Eine andere pflanzliche Joghurtalternative finden Veganer etwa in dem ‚Biogurt Kefir‘, das vom spanischen Hersteller Nutriops aus Mandeln, Cashew und Kokosnüssen produziert wird. Es ist in den Varianten Kokos-Mango, Mandel sowie Cajou & Coco erhältlich. Dinkel, Hafer und Hanf verwendet das französische Unternehmen Olga SAS für seine veganen Joghurts, die entweder pur oder mit Bananen- und Schokoladengeschmack genossen werden können. Eine vegane Bio-MascarVone auf Erbsen- und Pflanzenfettbasis hat schließlich die Schweizer Züger Frischkäse AG im vergangenen Herbst auf den Markt gebracht.

Käse und Fleisch mit Mehrwert

Dass es zwischendurch auch noch ‚echte‘ Fleisch- und Käse-Spezialitäten sein dürfen, dafür plädieren die Produktinnovationen alteingesessener Bio-Hersteller. Die Käserebellen haben pünktlich zur Biofach die neue Variante ‚Bergblumen Rebell‘ aus Heumilch und mit dunkler Blumenrinde herausgebracht. Von der Aurora kaas GmbH gibt es neu den ‚Freyas Klee Rotkultur Käse‘. Und die Gläserne Molkerei hat gleich drei Spezialitäten in Bioland-Qualität präsentiert: Kesselmeister Kleekorn, Pfefferecke und Gold- stück.

Die Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall (BESH) stellte Produktneuheiten vom Bruderkalb aus kuhgebundener Kälberaufzucht vor: Bolognese und Gulasch in der Dose sowie tiefgefrorene, rohe Bio-Burger – alles Demeter- oder Bioland-zertifiziert. Mit kuhgebundener Kälberaufzucht nach Demeter-Richtlinien wirbt auch die Holle baby food AG bei ih-rem Linsengemüse mit Kalb sowie dem puren Kalbfleisch im Glas.

Eine Abnahmegarantie, einen unbefristeten Vertrag und stabile Preise, die nur viermal im Jahr auf Grundlage der Marktentwicklung festgelegt werden, bietet ‚Der Grüne Weg‘ seinen Landwirten. Das Tochterunternehmen des niederländischen ‚De Groene Weg B.V.‘ – zweitgrößter Bio-Fleisch-Produzent in Europa – will nun auch in Deutschland Fuß fassen und hat mit der Verarbeitung thüringischer Schweine seine erste Bio-Schweinefleischkette offiziell ‚in Betrieb‘ genommen. Auf der Biofach hat das Unternehmen seine Konzepte und Beratungsangebote vorgestellt.

Meeting Point BIOimSEH

Premiere feierte auf der diesjährigen Biofach der bioPress-Meeting Point BIOimSEH. Das ungewohnte Format als Experten Lounge ohne Referenten, dafür mit viel Raum für offene Gespräche, Vernetzung und Diskussionen fand bereits guten Anklang. „Viele wollen, aber keiner zeigt es offen“, so das Resümee von bioPress-Herausgeber Erich Margrander über den Weg der Hersteller in den selbstständigen Lebensmitteleinzelhandel (SEH). Die Angst vor großen Partnern wie denn’s oder Alnatura sei für einige noch ein Hindernis. Auf Interesse stieß auch die digitale Angebotsplattform BioVollsortiment von Digitalsunray Media aus Wien.

Ein Mitarbeiter des Edeka-Markts Minden-Hannover zeigte zusammen mit einer Alnatura-Vertreterin Entdeckerfreude über das unerwartete Angebot von Zwergenwiese. Auch Kaufleute von Rewe oder Edeka gaben sich hoffnungsfroh bei der Angebotsvielfalt und erzählten von eigenen Erlebnissen und Hindernissen bei der Bio-Sortimentsbeschaffung. Vielen ist nicht klar, welche Biomarken sie tatsächlich ordern können. Altgediente Vertriebsmitarbeiter oder ein ehemaliger O+G Einkäufer, der jetzt lieber direkt für die Produzenten aus den Regionen Spaniens unterwegs ist, sehen Zukunft für die Plattform. Den direkten Austausch von Ideen und Alternativen fanden auch hohe Gäste aus Ministerien und Verbänden spannend und anregend.

Neben Infothek und Experten Lounge konnten Kaufleute sich durch eine Produktausstellung Inspiration für ihre Sortimentsgestaltung holen: ob mit Pasta von D‘Angelo, Kokos-Chips von Egesun, Käse von Vandersterre, TK von Demeter Felderzeugnisse oder Ökofrost, Haferdrink-Alternativen von Natumi  oder Saucen und Feinkost im Glas von LaSelva. Neue Crossini in den Geschmacksrichtungen Käse, Pizza und Pfeffer mitsamt Display präsentierte Huober Brezel. Und Kluth hatte sein neues Sortiment für die Gastronomie dabei: 1-Kilogramm-Beutel von Cashewnüssen, Pinienkernen, Aprikosen, Studentenfutter und mehr. Die Matchmaking-Plätze waren belegt von Naturland und Demeter Felderzeugnisse sowie von der Akademie Schloss Kirchberg, die ihr Bio-Schulungsangebot vorstellte. Für Kaffeegenuss sorgte der Produzent Kaffee Pura.

Lena Renner

Bildstrecke: Biofach 2023_BIOimSEH

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