Verbände
Gemeinsam in eine bio-vegane Zukunft
Die Geschäftsführer von Biokreis und VegOrganic im Gespräch mit bioPress

Auf der Sommeredition der Biofach 2022 haben der Anbauverband Biokreis und VegOrganic, Herausgeber des Siegels EcoVeg für vegane Lebensmittel in Bio-Qualität, eine neue Kooperation beschlossen. Die Geschäftsführer, Josef Brunnbauer und Matthias Beuger, sprachen mit bioPress über das Abdriften der Vegan-Bewegung in Richtung konventionell und Kunstfleisch und über die notwendige Wende zu mehr pflanzlicher Vollwert-Ernährung in Bio-Qualität.
bioPress: Herr Beuger, wie ist Ihr Verein entstanden und was steckt dahinter?
Beuger: VegOrganic wurde 2015 gegründet – von Bio-Pionieren und Wissenschaftlern, die schon damals enttäuscht darüber waren, dass der Vegantrend, der ursprünglich hauptsächlich aus der Bio-Szene stammt, immer weiter weg von Bio in den konventionellen Bereich abdriftete und Bios etwa im Vegetarierbund (heute: ProVeg) keine Heimat mehr hatten. Das Anliegen des Vereins ist es, Bio und vegan wieder zusammenzubringen und die hohen Qualitätsstandards von Bio auch über den Vegantrend zu kommunizieren: mit Hilfe von EcoVeg, unserem eigenen, unabhängig kontrollierten Siegel für vegane Lebensmittel in Bio-Qualität. Natürlich sind andere Label momentan viel stärker aufgestellt: Mit rund 20 Mitgliedsunternehmen sind wir noch ein sehr kleiner Produzentenverband. Aber wir sind bisher in dieser Kombination einzigartig am Markt und können so vielleicht auch einen Beitrag zu 100 Prozent Bio leisten. Unser Ziel ist eine überwiegend pflanzliche Ernährung in Bio-Qualität – und nicht ein veganes Glaubensdogma. Die Veganbewegung ist ja überwiegend nur noch ethisch motiviert und konzentriert sich ganz darauf, Tierleid zu verhindern, sodass das Thema gesunde Ernährung zweitrangig wird. Tierschutz ist außerdem auch ethisch betrachtet nicht alles. Die Biodiversität schützen, Wälder schützen, die Umwelt vor Pestiziden bewahren – das sind alles genauso wichtige Themen.
bioPress: Wo sehen Sie politischen Handlungsbedarf, um das Thema bio-vegan weiter voranzutreiben?
Beuger: Ich denke, das Thema Ernährungsumgebung ist ganz entscheidend für die Bewegung. Bio mitsamt pflanzlichen Alternativen sollte Einzug erhalten in Kantinen und Kitas. In Supermärkten müssen wir es schaffen, dass es einfacher ist, die richtige Wahl zu treffen, und nicht alles auf den Verbraucher abzuwälzen. Das EcoVeg-Siegel versucht natürlich, dazu einen Beitrag zu leisten, aber das alleine reicht noch lange nicht aus, um eine vollwertige Ernährung in der Gesellschaft zu fördern.
bioPress: Herr Brunnbauer, wie ist Biokreis dazu gekommen, mit VegOrganic zu kooperieren?
Brunnbauer: Biokreis ist aus einer kritischen Verbraucherbewegung heraus entstanden, in der es damals im Wesentlichen um pflanzliche Produkte ging. In den 80er Jahren gab es noch keine Zertifizierung für Tierhaltung und so standen am Anfang vegetarische Lebensmittel im Vordergrund. Heute wird das ganze Lebensmittelspektrum bei Biokreis abgebildet und wir sind eher ein Veredelungsverband – mit Schwerpunkt Milch, Eier, Geflügel, Schwein und Rind. Deshalb ist die Kooperation mit VegOrganic bei einigen unserer Verarbeiter auch nicht ganz unkommentiert geblieben. Sie bedeutet für uns aber nicht, dass wir tierische Produkte infrage stellen. Unsere Ansicht ist, dass Tiere eine wichtige Rolle im landwirtschaftlichen Produktionsprozess und Kreislaufsystem spielen. Es gibt Grünlandflächen, die nur über Tierhaltung verwertbar sind. Aber wir wollen den Konsumenten auch pflanzliche Alternativen bieten. Die Leute sollen weniger, aber dafür qualitativ hochwertiges Fleisch essen, tierische Produkte bewusster konsumieren. Im März dieses Jahres haben wir deshalb eine Richtlinie für vegane Produkte verabschiedet. Seither können auch vegane Produkte wie Tofu, Seitan oder Hafermilch als Biokreis-Produkte zertifiziert werden.
bioPress: Hat die Bio-Branche etwas geschlafen, sodass ihr das vegan-Thema abhanden gekommen ist – oder regelrecht gestohlen wurde – und ein profanes Business daraus entstanden ist?
Brunnbauer: Vielleicht waren wir da nicht ganz am Puls der Zeit, es gibt diesen Trend hin zu konventionell in der Vegan-Branche. Aber es ist nie zu spät, aktiv zu werden und in die andere Richtung zu gehen – wie wir es mit der Kooperation mit VegOrganic tun.
Beuger: Ich habe mich sehr über die neue vegan-Richtlinie bei Biokreis Anfang des Jahres gefreut, weil ich mir wünsche, dass sich die Anbauverbände stärker zu diesem Thema positionieren. Wir können damit auch zeigen, wie 100 Prozent Bio aussehen kann: Es braucht dafür keine intensive Landwirtschaft, sondern einen Ernährungsstilwandel.
bioPress: Herr Brunnbauer, was meinen Sie? Schaffen wir die Kurve zu mehr veganem Bewusstsein?
Brunnbauer: Wir müssen uns insgesamt in der Ernährung neu aufstellen und vegan ist eine wichtige Säule davon. Man kann sich daher gar nicht davor verschließen. Wenn man weniger Fleisch isst, braucht es auch Alternativen – und die sind im besten Fall vegetarisch bzw. vegan-ökologisch. Die Frage ist daher weniger ob, sondern wie wir die Kurve schaffen und in welchem Umfang. Fleischverarbeiter sind eigentlich prädestiniert dafür, auch vegane Produkte herzustellen. Die Herstellungsschritte sind teils recht ähnlich und die Umstellung auf pflanzliches Eiweiß bedeutet auch eine Vereinfachung in der Produktion. Einige unserer Verarbeiter bei Biokreis können sich durchaus vorstellen, in den veganen Markt einzusteigen. Auf der anderen Seite kommen auch vermehrt Startups auf uns zu, die direkt vegan produzieren wollen. Ein Riesenproblem, das wir bisher noch nicht angesprochen haben, ist der Fachkräftemangel im Handwerk, der inzwischen auch bei uns angekommen ist. Es fehlt an Metzgern, die mit dem Rohstoff Fleisch überhaupt arbeiten können.
bioPress: Herr Beuger, wie schaffen wir die Wende, ohne Fleisch komplett zu verteufeln – und stattdessen auf etwas wie Kunstfleisch auszuweichen?
Beuger: In unserem Verein haben wir am Anfang diskutiert, ob wir den Begriff ‚vegan‘ im Namen überhaupt verwenden wollen. Mir wäre etwas wie ‚pflanzlich‘ eigentlich lieber gewesen, weil ‚vegan‘ zu sehr polarisiert. Meine Erfahrung ist, dass Fleischesser und Vegetarier viel Angst voreinander haben und es daher gilt, Brücken zu bauen und einen gemeinsamen Horizont zu entwickeln. Wahrscheinlich kommen wir um die vegane Leberwurst nicht herum. Sie ist Teil des Übergangs zu einer pflanzlicheren Ernährung. Aber wenn wir Bio und pflanzlich nicht zusammendenken, wird sich die Vegan-Branche in eine Richtung bewegen, in der wir sie nicht haben wollen. Mit Kunstfleisch fördern wir wieder eine Monopolbildung an der falschen Stelle. Anstatt die Wende über eine andere Ernährungsumgebung und Erziehung zu schaffen, versuchen wir, sie mit einer Technologisierung hinzubekommen – ohne zu wissen, wo das ernährungsphysiologisch hinführt. Schon der Trend zu immer mehr Convenience hat uns gesundheitlich an unsere Grenzen gebracht. Ich glaube, Kunstfleisch ist ein Riesenfehler für die Menschheit.
Brunnbauer: Auch Biokreis hat sich schon vor ein paar Jahren, als die ersten Meldungen über diese Technologie kamen, ganz klar dagegen ausgesprochen. Laborfleisch hat in der Bio-Branche nichts verloren! Zum einen wissen wir nichts über seine Langzeitwirkung, andererseits befördert es Großstrukturen und Abhängigkeiten, die wir vermeiden wollen. Ähnlich wie beim Thema neue Gentechnik gilt es auch hier, die Gefahren offenzulegen. Es geht dabei nicht um Menschenwohl, sondern um die Macht von Konzernen.
Beuger: Die Ernährungsindustrie ist seit Jahren damit beschäftigt, ein schnelles Konsumieren zu ermöglichen, bei dem man sich wenig mit den Lebensmitteln beschäftigen muss. Es ist auch Aufgabe unseres Verbandes, wieder stärker in den Fokus zu bringen, wie eine vollwertige Ernährung aussieht. Ich bin total froh, dass wir dabei jetzt mit Biokreis Hand in Hand gehen.