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In den Mainstream: Mit Offenheit und Verbündeten

AöL-Arbeitskreis Markt und Verbraucher, Sprecher Philipp Thiel, im Gespräch mit der bioPress-Redaktion

In den Mainstream: Mit Offenheit und Verbündeten © HENRY M.LINDER

Seit zehn Jahren ist Philipp Thiel, Marketing- und Vertriebsleiter der Ökologischen Molkereien Allgäu (ÖMA), bei der Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller (AöL) aktiv und hat inzwischen den Leitungsposten für den Arbeitskreis Markt und Verbraucher inne. Mit der bioPress-Redaktion, Lena Renner und Erich Margrander, sprach er darüber, wie sich der Markt zu mehr Bio transformieren lässt, und über Probleme und Chancen auf dem Weg in den Mainstream.

bioPress: Herr Thiel, ein Arbeitskreis Markt und Verbraucher – das ist genau das richtige Thema für bioPress! Wir wissen seit Jahren, dass die Transformation über die Köpfe der Verbraucher funktioniert. Nur wenn die Konsumenten mitziehen und danach verlangen, kann auch mehr Bio produziert werden. Wie engagiert sich der Arbeitskreis Markt und Verbraucher für dieses Ziel?

Thiel: Der Zugang zu Bio muss den Leuten möglichst einfach gemacht werden. Das ist die Devise beim Arbeitskreis Markt und Verbraucher. Das Thema Bio ist komplex und inhaltsreich und wir wollen versuchen, es den Leuten besser zugänglich zu machen und so den Wertewandel zu unterstützen. Wer dann an weiteren Details interessiert ist, braucht die Möglichkeit, sich auf unkomplizierte Weise genauer zu informieren.
Früher hat jedes Unternehmen versucht, über seine eigenen Kanäle möglichst viele Bio-Botschaften zu senden. Aber ich denke, dass die Kommunikation an die Verbraucher im Zusammenschluss besser gelingen kann.

bioPress: Für Leute auf dem Land ist der Zugang zu Bio schwierig. Über den Fachhandel können sie oft nicht erreicht werden. Wie gehen Sie mit diesem Problem um?

Thiel: Stimmt, die Dichte von Bioläden auf dem Land ist gering, also muss Bio auch genügend in anderen Einkaufsstätten verfügbar sein. Die AöL hat sich mit ihren 125 Mitgliedsunternehmen – darunter auch Hersteller, die konventionell und Bio produzieren – zum Ziel gesetzt, zu einem Wandel der Ernährungsgewohnheiten beizutragen. Nicht nur im Handel, sondern auch in der Außer-Haus-Verpflegung und in der Gastronomie muss mehr Bio angeboten werden. Es geht darum, die Verbraucher mitzunehmen. Offen zu sein, neue Leute zu begrüßen und willkommen zu heißen, ist der Weg, den wir gehen wollen.

Bei den Ökologischen Molkereien Allgäu konzentrieren wir uns zwar in der Vermarktung bisher ausschließlich auf den Fachhandel, sind aber gegenüber Kaufleuten, die den Bio-Gedanken teilen und Bio-Produkte nicht nur für Profit und Greenwashing verkaufen wollen, gar nicht verschlossen. Es ist toll, wenn ein Rewe auf der Schwäbischen Alb lauter regionale Produkte und viel Bio anbietet! Die ÖMA braucht aber aktuell keinen zusätzlichen Absatzkanal.

bioPress: Wenn aber alle mit dem zufrieden sind, was sie haben – können wir dann den Bio-Anteil erhöhen? Geht es dann nicht doch nur ums eigene Geschäft statt um die Versorgung der Leute mit Bio?

Thiel: Das ist ein berechtigter Kritikpunkt, aber wir können ja nicht mehr Ware anbieten, als da ist. Viele Bio-Hersteller gehen in den LEH, wenn ihre Produktionsmenge größer wird. Größe ist auch nicht per se etwas Schlechtes, wie manche Konsumenten vielleicht meinen. Unsere italienischen Partner der ÖMA, die für uns Parmesan produzieren, haben drei große Höfe mit 700 bis 1.000 Milchkühen, aber als wir sie besucht haben, war ich begeistert! Es gibt eine Wellnessanlage und viel Platz für die Tiere und als Angestellte arbeiten Inder, die eine besondere Einstellung zu Kühen haben. Grundsätzlich hat die ÖMA  ein gesundes Wachstum, aber wir müssen  auch darauf achten, dass wir nicht mehr versprechen, als wir nachher halten können.

bioPress: Wir beobachten seit ein paar Jahren, dass die Bio-Anbieter, die in den LEH gehen, versuchen, eine zentrale Listung zu bekommen, anstatt mit selbstständigen Kaufleuten zusammenzuarbeiten. Das funktioniert gut, wenn die Zentralen Profit darin sehen, aber die Hersteller müssen sich damit den herrschenden Strukturen unterordnen. Der Handel braucht Bio – sollten wir da nicht an den Schwächen des Systems arbeiten, anstatt sie zu bedienen? Über Kaufleute können wir Bio in die Fläche bringen und zur Dezentralisierung beitragen.

Thiel: Die Bio-Anbieter haben wohl viele Gründe für ihr Interesse an einer zentralen Listung: Es bedeutet für sie weniger Aufwand, ein gesichertes Wachstum und eine gesicherte Vermarktung. Ich glaube aber, dass es auch Probleme damit geben kann, eine gemeinsame Sprache oder Ebene mit den Einkäufern der Zentralen zu finden. Mit einer zentralen Listung verbinde ich die Gefahr, dass die Werte und Botschaften eines Bio-Unternehmens früher oder später keine Rolle mehr spielen.

Dagegen sehe ich bei selbstständigen Kaufleuten die Motivation, für ihre Kunden gute Dinge anzubieten – aus der Region und in guter Qualität. Mit ihnen kann man sicher auch über Produkte, Werte und Inhalte sprechen und nicht nur über Preise und Konditionen.

Manche Bio-Hersteller versuchen auf dem Weg in den Mainstream, bei den Preisen an die Konventionellen oder Discounter heranzukommen. Dabei muss man einen Preis einfach sauber ausrechnen. Jeder in der Lieferkette sollte für seine Leistung gerecht belohnt werden. Die größte Leistung steckt eigentlich immer in der Erzeugung und wer bekommt am wenigsten? Da müssen wir auch in der Bio-Branche darauf achten, dass die Wertschätzung nicht verloren geht.

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