Square & Fair Table
Fachhandelsmarken-Depots im LEH?
Video-Talk am virtuellen bioPress Fair und Square Table am Donnerstag, 5.8.2021

Ein Neues Bio-Ghetto bei den Lebensmittel-Vollsortimentern soll bei Edeka entstehen. Ist das der Weg der Biobranche in den Mainstream? Oder wird damit der Löffel endgültig an die Handelszentralen abgegeben?
Link zum Donnerstagstalk:
https://video.arnoldt.it/bioPressdonnerstagstalk
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Kaufleute können mehr Bio. Das haben uns viele Storechecks bewiesen. Auch sie leiden oft unter den Zentralen, die ihre Regale beplanen wollen. Die nutzen Bio eher als Aushängeschild. Und was können die Bio-Marken-Hersteller und die Bio-Großhändler? Zuschauen, bis die Zeit davon läuft, oder Vollsortimente liefern!
Frage Nummer Eins: Geht Bio im Mainstream mit den alten Handelsstrukturen, wo Zentralismus herrscht, und können Zentralen des Gleiche wie Kaufleute vor Ort? Scheinbar nicht. Tatsache ist doch, dass die Flächenergebnisse der freien Kaufleute höher liegen als die von Filialen. Das bedeutet, dass sich die Kunden wohler fühlen in den Händen von aufmerksamen Kaufleuten, die ihre Sortimente auf die Verbraucher vor Ort ausrichten. Dass sie mehr Geld auf solchen Flächen lassen ist ein klarer Indikator.
Warum Wirtschaft nicht auch hier umsetzen? Anpassen, mehr Qualität und nicht den billigsten Essig mit breitem Facing auf Augenhöhe, ist Schwerarbeit. Die sich jedoch auszahlt. Und was ist, wenn Kunden in ferngesteuerten Supermärkten nicht mehr finden, wonach ihnen ist? Sie sich zuckenden Schultern gegenüber sehen und Belehrungen, wie es angeblich richtig ist? Sie sollen abgeholt und umfassend bedient werden. Dann funktioniert Bio hervorragend.
Wer jahrelang Bio-Einkäufe macht, weiß, was fehlt. Ein ausgewogenes Biosortiment in der Fläche. Ausreichend Gemüse und Obst, Fleisch und Wurst, Käse und Brot. Drumherum findet Kunde oft nur wenig sinnvoll hingestreute Angebote von einzelnen Honigen, Marmeladen, einem Kaffee, viel Veganem und Ersatzprodukten. Eben von den Regalplanern koordiniert und auf Effizienz getrimmt. Man könnte denken, die im Supermarkt Verantwortlichen kaufen selbst nie ein und - noch schlimmer - sie kochen nie selber und kennen daher nicht die Bedürfnisse. Entweder sie sollten das lernen oder andere entscheiden lassen.
Wenn Kaufleute mehr können, die Biobranche sie jedoch nicht ernsthaft unter ihre Fittiche nimmt, was sollen die dann anderes machen, als sich mit ihrer Vorstufe zufrieden zu geben, auch wenn das weniger erfolgreich bleibt.
Die Chance, Kaufleute direkt mit interessanten Biosortimenten zu beliefern wird seit über 15 Jahren beschworen. Manche Kaufleute haben die Initiative selbst in die Hand genommen. Nicht ohne von ideologisierten Anbietern wieder ausgebremst zu werden. Nein, keine bzw. nicht meine Fachhandelsmarke in diesem kundenorientierten Supermarkt! Was manchen Eklat zur Folge hatte und dann Resignation, bis hin zur Aufgabe oder dem Verlust eines Marktes. Auf der einen Seite ist das CI einer Handelsmacht wichtiger, auf der anderen die Treue!
Jetzt sollen als Ersatz für Dummheiten auf beiden Seiten Fachhandels-Depots eingerichtet werden. Was ist daran denn gut? Die Anzahl: 1.400 neue Verkaufsstellen auf einen Knopfdruck! Darauf haben alle gewartet. Das erhöht die Schlagzahl.
Und was dann? Diese Depots sollen dem Fachhandel als Werbung für die eigene Sache verkauft werden? Ähnlich wie das Basic gemacht hat und ja, es war auch das Erfolgsrezept von Alnatura. Letztere Produkte sind dort erfolgreich, wo sie in die Sortimente integriert wurden, nicht im Depot wie ganz früher in den Anfängen der Bioblöcke irgendwo am Ende des Kundenlaufs.
Der Biogroßhandel verfügt über die notwendigen Bio-Vollsortimente für ambitionierte Kaufleute und - vor allem - deren Kunden. Sie sollten, schon aus Umweltschutzgründen, nicht an solchen Outlets vorbei fahren. Regionalität ist ein wichtiger Baustein im Klimaschutz. Und deshalb wohl sind viele Großhändler bereit zu liefern und tun das, wenn auch mitunter unter dem Ladentisch. Auch die Hersteller wollen ihr Wachstum absichern durch weitere Absatzflächen und arbeiten mit dem Handel zusammen, am liebsten direkt mit Kaufleuten. Viel Kleinvieh macht auch Mist und verhindert Abhängigkeit.
Das wird nicht geduldet vom Fachhandel. Geht das? Bio in Geiselhaft nehmen und den Rest des Lebensmittelhandels ausgrenzen? Urs Niggli, ein Bio-Urgestein, schreibt in seinem Buch 'Alle satt', dass die ersten Bio-Treiber die Bauern waren, die zweiten die Hersteller/Verarbeiter und die Dritten? Nein, nicht der Handel oder Fachhandel! Die dritten Treiber sind die Konsumenten.
Bauen Sie als Hersteller also die Brücken zwischen den Bauern mit ihren Biorohstoffen und den Konsumenten. Das hilft Bauern, auf ökologischen Landbau umzustellen. Der Handel wird seinen Platz immer wieder neu definieren müssen: Handel ist Wandel.
Was also ist der richtige Weg in den Mainstream. Fachhandelsmarken-Depots und Handelsmarken oder Bio-Herstellermarken in den Regalen der Kaufleute. Und wie viel Zeit bleibt uns noch, bis sich wieder neue fehlgeleitete Strukturen verfestigen?
Darüber diskutieren und reden wir auf dem
1. Donnerstagstalk im August am 5.8.2021