Nachhaltigkeit
Mehr Nachhaltigkeit und Gesundheit in der Mittagspause
Bedeutung und Chancen der betrieblichen Gemeinschaftsverpflegung

Currywurst mit Pommes, ein paniertes Schnitzel mit Bratkartoffeln oder Kartoffelsalat und Spaghetti Bolognese. Das sind die beliebtesten Kantinen-Essen der Deutschen. Wenn sich also um die Mittagszeit in Deutschland durchschnittlich knapp zehn Millionen Hungrige auf den Weg in die Kantine, das Betriebsrestaurant oder die Mensa machen, dann sind es diese Gerichte, die mit am häufigsten ausgegeben und verzehrt werden. Damit gestaltet die Betriebsverpflegung die Ernährungsweise von Millionen Menschen mit.
Legt man nun – zum Beispiel über die Currywurst mit Pommes – den Ernährungskreis der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), der wie eine geistige Schablone funktioniert, so wird schnell deutlich, dass beides nicht zusammenpasst (siehe Abbildung 1 im Magazin).
Zu viel Fett, hier vor allem gesättigte Fette, zu viel tierische Eiweiße, Salz und Zucker. Gleichzeitig zu wenig Ballaststoffe, Obst und Gemüse. Das wirkt sich negativ auf die Gesundheit der Kantinenbesucher aus. So sind in Deutschland bereits mehr als die Hälfte der Erwachsenen übergewichtig.
Und diese Entwicklung setzt sich weiter fort, wie die regelmäßigen Ernährungsberichte im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft zeigen. Folgen von Übergewicht können Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes Typ 2 und verschiedene Krebsarten sein.
Doch nicht nur Ärzte und Ernährungs-Fachkräfte dürften von diesen Vorlieben wenig begeistert sein.
Auch Umwelt und Klima machen die Vorlieben der deutschen Kantinenbesucher zu schaffen. Bis zu 30 Prozent der weltweit erzeugten Treibhausgase werden durch das Ernährungssystem verursacht. Ein Großteil davon entsteht bereits bei der Herstellung der Lebensmittel. Auch Flächen- und Wasserverbrauch spielen hier eine Rolle, je nach Lebensmittel oder Kategorie ergeben sich deutliche Verbrauchsunterschiede. So werden für die Produktion eines Kilogramms Kartoffeln lediglich 210 Liter Wasser benötigt, während es für die Herstellung von einem Kilogramm Rindfleisch rund 15.000 Liter Wasser sind. Für Weideland und Futtermittelanbau werden weiterhin zirka 80 Prozent der weltweiten landwirtschaftlichen Flächen genutzt und es kommen durch Rodungen von Regenwäldern beständig weitere hinzu (siehe Abbildung 2 im Magazin).
Gesunder Genuss mit mehr pflanzlichen Lebensmitteln
Die Frage ist also, wie sich Genuss und Gesundheit – sowohl für den Menschen als auch die Umwelt – vereinbaren lassen. Es gibt bereits einige Konzepte, die sich dieser Fragestellung angenommen haben. So zum Beispiel das Konzept der nachhaltigen Ernährung, welches auf eine Gruppe von Gießener Ernährungswissenschaftlern zurückgeht. Dieses Konzept bezieht neben gesundheitlichen auch ökologische, ökonomische und soziale Aspekte der Ernährung mit ein. Für den Alltagsgebrauch werden sieben eingängige Leitsätze formuliert, die in Abbildung 3 im Magazin dargestellt sind.
Die von der Eat-Lancet-Kommission entwickelte Planetary Health Diet wird konkreter. Hier werden, ausgehend von der Überlegung, wie im Jahre 2050 eine Weltbevölkerung von dann voraussichtlich zehn Milliarden Menschen ernährt werden kann, konkrete Referenzwerte für die Ernährung ausgegeben. So sind hier zum Beispiel pro Person und Tag 200 bis 600 Gramm Gemüse, aber nur 0 bis 28 Gramm rotes oder verarbeitetes Fleisch (bei einer Gesamtenergiezufuhr von 2.500 kcal/Tag) vorgesehen. Die tägliche Currywurst, das tägliche Schnitzel oder die tägliche Portion Spaghetti-Bolognese sind hier nicht angedacht. Stattdessen sieht diese ressourcenleichte oder auch ressourceneffiziente Kost Gemüse, Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte, Nüsse und Obst sowie moderate Mengen Geflügel, Ei und Meeresfrüchte vor.
Im Mittelpunkt stehen also pflanzliche Lebensmittel, die durch einen geringen Anteil tierischer Lebensmittel ergänzt werden. Auch beliebte Klassiker, wie zum Beispiel die Spaghetti-Bolognese können ressourcenleichter interpretiert und damit nachhaltig(er) werden – sowohl für Gesundheit, als auch Umwelt. Das abgebildete Beispiel zeigt, wie sich der CO2-Fußabdruck des Mittagsmenüs ‚Spaghetti Bolognese mit geriebenem Käse, Feldsalat mit Gurke, Mais und Vinaigrette, dazu 0,5 Liter Mineralwasser aus der Flasche‘ verändert, wenn das Rinderhack durch Tofu ersetzt wird (siehe Abbildung 4 im Magazin).
Während sich der CO2-Fußabdruck reduziert, steigt der Gesundheitswert. Denn es werden sowohl gesättigte Fette als auch tierische Eiweiße reduziert, während der Ballaststoffgehalt steigt. Dies gelingt ohne erhebliche geschmackliche Veränderungen, der Genuss bleibt erhalten.
Was gegessen wird, ist damit von Bedeutung für Gesundheit und Umwelt. Es ist auch an der betrieblichen Gemeinschaftsverpflegung, hier Verantwortung zu übernehmen und im Rahmen der Möglichkeiten zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen. Diese Möglichkeiten sind vielfältig, wie eine qualitative Untersuchung an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Heilbronn gezeigt hat. Eine Studentin des Studiengangs BWL-Food Management befragte einige Betriebe zu ihrem Engagement für mehr Nachhaltigkeit und Gesundheit in der betrieblichen Mittagsverpflegung.
Handlungsmöglichkeiten ergeben sich vom Einkauf, über die Angebotsgestaltung, die Präsentation der Speisen, bis hin zur Nachbereitung.
Im Einkauf ist es zum Beispiel von Vorteil, die Lieferanten zu kennen. So können gemeinsam Initiativen für weniger Verpackungen oder bessere Produktionsbedingungen entwickelt werden. Außerdem sollte in Anbetracht der Transportkosten auf regionale Lieferanten gesetzt werden. Gemäß den Grundsätzen der nachhaltigen Ernährung ist es weiterhin von Vorteil ökologische und fair gehandelte Produkte einzubeziehen.
Nudging zu mehr Gesundheit und Nachhaltigkeit
Viele Einrichtungen der Außer-Haus-Verpflegung fürchten jedoch die vergleichsweise höheren Einkaufspreise solcher Lebensmittel. Besonders bei Fleisch- und Milchprodukten bestehen Preisdifferenzen zwischen konventionell und biologisch erzeugten Lebensmitteln. Ein Gesamtkonzept aus einem Mehr-Angebot von vegetarischen und veganen Speisen, bei einem gleichzeitig reduzierten Fleisch-Angebot (weniger und seltener) sowie Mischkalkulationen, können dabei helfen, den Kostenanstieg zu regulieren.
Auch über die Preisgestaltung kann einiges bewirkt werden. So könnten gesündere und nachhaltigere Speisen günstiger angeboten werden, während solche mit Fleisch-Komponente teurer abgegeben werden. Dies würde nicht nur dazu führen, dass Betriebe ihre höheren Einkaufspreise für ökologisch erzeugte Lebensmittel an den Endkonsumenten weitergeben könnten, sondern auch dazu, dass die Wertschätzung gegenüber ressourcenintensiv erzeugten Lebensmitteln, wie Fleisch, steigen dürfte. Gleichzeitig kann der günstigere Preis für fleischlose und damit gesündere und nachhaltig(er)e Gerichte dazu führen, dass auch die Nachfrage steigt.
Der Versuch, Besucher auf eine subtile Weise zu erwünschten Verhaltensweisen – hier zu einer gesünderen und nachhaltig(er)en Ernährung – zu bewegen, ohne dabei die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen einzuschränken, wird als Nudging bezeichnet. Das kann neben dem Preis zum Beispiel auch über die Gestaltung der Kunden-Laufwege oder die besonders attraktive Präsentation entsprechender Speisen erfolgen.
Akzeptanz durch Kommunikation
Mehr Wertschätzung könnte auch dazu beitragen, dass weniger Lebensmittel weggeworfen werden. 12 Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle sind es jährlich in der Bundesrepublik, davon fallen immerhin 14 Prozent in der Außer-Haus-Verpflegung an. In der Betriebsverpflegung resultieren vermeidbare Lebensmittelabfälle vor allem aus den Tellerresten der Gäste und aus übrig gebliebenen Speisen von Buffets und Ausgaben. Da auch diese Lebensmittel eingekauft und erzeugt werden mussten, ist sensibles Wirtschaften gefragt. Dies bezieht sich vor allem auf die Portionsgrößen und das Nachproduzieren sowie die Weiterverwendung von Übriggebliebenem.
Sofern sich Übriges nicht für die Weiterverwendung eignet, könnte es vergünstigt an Mitarbeitende oder zum Beispiel über die App ‚Too good to go‘ abgegeben werden. Auch gilt es, Besucher für Portionsgrößen zu sensibilisieren. Dies kann zum Beispiel über Aushänge oder transparente Mülltonnen, in denen die Tellerreste gesammelt werden, geschehen.
Zu beachten ist, dass es sich bei der Umstellung auf nachhaltigere und gesündere Angebote um einen Prozess handelt, welcher Zeit und teilweise auch Kompromisse benötigt. So wäre denkbar, dass ein Teil der Mittagsgäste von den Umstellungen begeistert ist, während ein anderer Teil frustriert ist.
Zum Beispiel davon, dass sich das täglich zur Wahl stehende Angebot an Fleischgerichten verändert oder reduziert hat. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass parallel zur Angebots-Umgestaltung auch die Akzeptanz der Gäste – beispielsweise durch gezielte Kommunikationsmaßnahmen und Informationsangebote – mitgedacht und begleitet wird.
Hierbei kann die Umstellung auch vom betrieblichen Gesundheitsmanagement ( BGM) flankiert werden, so zum Beispiel durch Aktionstage, Weiterbildungen und Informationsangebote. Eine solche abteilungsübergreifende Zusam- menarbeit stärkt betriebsinterne Nachhaltigkeits-Initiativen und fördert Akzeptanz.
Über die Akzeptanz hinaus können die nachhaltig(er)en und gesünderen Angebote der Betriebsgastronomen eine Inspiration für die Esser sein, auch zuhause im privaten Umfeld eine nachhaltig(er)e Ernährungsweise zu praktizieren. Die Betriebsgastronomie kann diese Inkubator-Wirkung insbesondere durch Information und praktische Hilfestellungen, wie zum Beispiel durch die Herausgabe von beliebten Rezepten oder das Anbieten von entsprechenden Kochkursen oder Team-Events, unterstützen. So übernimmt sie auf eine serviceorientierte Art und Weise Verantwortung für das Wohlbefinden der Gäste auf der einen und für die Umwelt auf der anderen Seite.
Viele Unternehmen und Betriebsgastronomen haben den Zusammenhang zwischen Ernährung, Gesundheit und Umwelt bereits erkannt und Maßnahmen ergriffen. Sie nehmen damit ihre gesellschaftliche Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung wahr und gehen mit gutem Beispiel voran. Es ist also an weiteren Betrieben, diese Chancen zu ergreifen und an uns allen, offen für nachhaltig(er)e und gesündere Speiseangebote zu sein. Es geht nicht darum, auf Currywurst, Schnitzel und Bolognese-Sauce dauerhaft zu verzichten. Nein. Es geht darum, bewusst zu wählen und den eigenen Konsum im Sinne der Nachhaltigkeit so anzupassen, dass die Umwelt, wir selbst und auch künftige Generationen nicht unter unseren heutigen Vorlieben zu leiden haben.
Carolyn Hutter, Katja Lotz, Maren Ann-Kathrin Sauter, Cora Schramm
‚We Think Food‘ – so lautet das Motto des Studiengangs BWL-Food Management an der DHBW Heilbronn. Hier werden Wirtschaftswissenschaften mit Inhalten der Ernährungswissenschaften kombiniert. Neben klassischen BWL-Fächern (z.B. Rechnungswesen, Marketing oder Personal) stehen Vorlesungen mit Bezug zur Food Branche im Fokus (z.B. ‚From-Farm-to-Fork‘, Warenkunde, Aromenkunde oder Ernährungslehre). Ein besonderes Highlight der DHBW Heilbronn ist die Laborlandschaft ‚Sensoricum‘, in der praktische Versuche rund um Sensorik, Produktentwicklung und Marktforschung das Studium noch lebendiger gestalten.
Den ausführlichen Studienbericht ‚Nachhaltigkeit für eine gesunde Mittagspause – Handlungsmöglichkeiten für die Betriebsverpflegung‘ mit einer umfassenden Übersicht der Handlungsmöglichkeiten für Betriebsgastronomen gibt es online unter https://www.food-management.online/