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Bauernkongress

Bauern kämpfen für ihre Rechte

Internationaler Kongress erarbeitete Erklärung für Vereinte Nationen

Über 400 Bauern, Fischer, Hirten, Wissenschaftler und Vertreter von Nichtregierungsor­ganisationen aus 100 Ländern haben vom 8. bis 10. März am Kongress ‚Global Peasants Rights‘ in Schwäbisch Hall teilgenommen. Ihre gemeinsame Forderung: eine UN-Erklärung für die Rechte von Kleinbauern. An drei Tagen erarbeiteten sie eine Charta für den UN-Menschenrechtsrat, der sich bereits seit 2012 mit einer Deklaration befasst – bisher jedoch ohne Erfolg. Widerstand kam vor allem aus den Reihen der Industrienationen.

Wichtige Punkte der erarbeiteten Erklärung sind das Recht auf eigenes Land und Saatgut, Ernährungssouveränität, faire Handelsbedingungen und die Bewahrung traditionellen Wissens. In Vorträgen und Workshops schilderten die Teilnehmer ihre persönlichen Situationen, von Bedrohungen durch Großkonzerne und Regierungen, fehlendem Zugang zu Produktionsmitteln und Märkten sowie Diskriminierungen von Frauen.

Unterstützt wurden sie von prominenten Rednern wie Prof. Ernst Ulrich von Weizsäcker, Ko-Präsident des Club of Rome, und Prof. Hartmut Vogtmann, Vizepräsident des Deutschen Naturschutz Rings (DNR), bei der Auftaktveranstaltung im Schloss Kirchberg sowie Klaus Töpfer, ehemaliger Direktor des UN-Umweltprogramms, und Michael Windfuhr, stellvertretender Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte.

Die erarbeitete Resolution soll die UN-Arbeitsgruppe bei der Entwicklung ihrer Erklärung unterstützen. Sie wird im Mai erneut zusammenkommen.
Initiator der Großveranstaltung war Rudolf Bühler, Gründer und Vorsitzender der Stiftung Haus der Bauern und der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall (BESH). Der Kongress wurde in Zusammenarbeit mit der weltweiten Kleinbauernbewegung La Via Campesina, der Menschenrechtsorganisation FIAN, der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und Ecoland International durchgeführt.
Auftakt.

Organic Forum im Schloss Kirchberg

Am Vorabend des Bauernkongresses fand das erste ‚Organic Forum‘ im Schloss Kirchberg statt. Es soll einen Gegenpol zum Weltwirtschaftsforum in Genf bilden und das ganze Jahr über gespielt werden. Denn „die dringenden Fragen dieser Welt können nicht durch das imperiale Großkapital gelöst werden“. Statt den ausbeuterischen Interessen großer Konzerne wie Monsanto müsse das Gemeinwohl wieder im Fokus stehen, sagte Initiator Rudolf Bühler in seiner Eröffnungsrede: „Wo früher die Feudalen, ist es heute das imperialistische Großkapital, welches uns knechtet und uns auf kaltem Wege enteignet. Tierzucht und Pflanzenzucht  sind die ,common assets‘ der Bauern und nicht der Business Case von Monsanto & Co.“ 

Der Bauernkongress soll Stellung beziehen zu den globalen Themen soziale Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung und friedliches Zusammenleben der Gesellschaften. Der Fokus liege insbesondere auf den ruralen Gesellschaften, den Verlierern der modernen Industriegesellschaft – jenen, die Pflanzen und Tierrassen über Jahrhunderte entwickelt haben und seit jeher solidarisch wirtschaften: Kleinbauern, Indigene, Fischer, Hirtenvölker und Menschen aus ländlichen Gebieten, sagte Bühler.

Von Weizsäcker: Wir brauchen eine neue Aufklärung

Prof. Ernst-Ulrich von Weizsäcker betonte in seiner Rede über die Bevölkerung, Ernährung und Grenzen des Wachstums, dass der Welthunger nicht durch Großkonzerne überwunden werde, die die Natur zerstören und Überproduktion erzeugen können.

Unter der heutigen Form des Wirtschaftens könnten die in der Agenda 2030 festgeschriebenen ökologischen Ziele für eine nachhaltige Entwicklung nicht erreicht werden. Deshalb fordert der Ko-Präsident des Club of Rome: „Wir müssen eine sehr weitgehende Änderung der Politik, unseres Denkens, unserer Philosophie erreichen, die dazu führt, dass die Prinzipien von Langfristigkeit, von Gerechtigkeit automatisch oben anstehen.“

Zurzeit erarbeite der Club of Rome einen Bericht mit dem Titel ‚Come on‘. Er beschreibe, dass ein ‚Weiter so‘ die Nachhaltigkeit, Ökologie und Lebensmöglichkeiten der nächsten Generationen ruiniere. „Wir brauchen eine neue Aufklärung“, deren Kern Balance statt Dogma sei. Nahrungsmittelqualität müsse mit betriebswirtschaftlicher Rationalität auf gleicher Ebene stehen, um etwa Überproduktionen zu vermeiden.

Vogtmann fordert transparente Forschung

Prof. Hartmut Vogtmann, Vizepräsident des DNR, sagte, dass es nach der Agrarwende nun Zeit für eine Forschungswende sei. Denn es mangele an Transparenz. Steuergelder würden für Forschungen großer Unternehmen ausgegeben, deren Ergebnisse nicht immer öffentlich gemacht werden. Seine Forderung: eine transparente Forschung, an der sich alle beteiligen können.

Anschließend thematisierte er den Einfluss der verschiedenen Landwirtschaftsformen auf die Biodiversität. Während die Artenvielfalt durch landwirtschaftliche Aktivitäten bis in die 50er Jahre immer mehr gestiegen sei, habe die Umgestaltung hin zur industriellen Landwirtschaft zu einer rasanten Abnahme geführt. So sei zum Beispiel die Anzahl der Insekten um 70 bis 80 Prozent zurückgegangen und seit 1900 seien 99,4 Prozent der Apfelsorten verschwunden. Die Veränderungen seien nicht auf einzelne Faktoren wie das Spritzen von Herbiziden zurückzuführen. Das Problem liege vielmehr am wachstumsorientierten Wirtschaftssystem.

Bauernkongress: Global Peasants Rights

In seiner Eröffnungsrede des Bauernkongresses im Neubausaal in Schwäbisch Hall brachte BESH-Vorstand Rudolf Bühler die Ausgangslage der Kleinbauern noch einmal auf den Punkt: Agrarindustrielle Konzerne unterdrücken durch ihr Monopol weltweit Landwirte und die ländliche Bevölkerung. Mittlerweile seien 60 Prozent des Saatguts unter ihrer Kontrolle. Dabei gehöre es eigentlich den Bauern. Er sprach von einer neuen sozialen Frage, die sich im Zeitalter der Industrieentwicklung auftut. „Wir kämpfen hier für die Freiheit und Gerechtigkeit für Bauern weltweit, im Norden und im Süden“ sagte er und rief den Versammelten aus aller Welt zu: „Lets join us!“

2,5 Milliarden Menschen ernähren 80 Prozent der Weltbevölkerung, sagte Elizabeth Mpofu, Generalsekretärin von La Via Campesina aus Simbabwe. Ein Großteil der Landbevölkerung leide jedoch unter der Profitmaximierung der Großkonzerne – etwa durch Vertreibung sowie Raub von Land und natürlichen Ressourcen wie Wasser. La Via Campesina werde weiterhin mit Unterstützung der UN für die Rechte der Kleinbauern kämpfen.

Töpfer: In welcher Welt leben wir?

Bald gebe es neun Milliarden Menschen auf der Welt, deren Ernährung sichergestellt werden müsse, sagte der ehemalige Direktor des UN-Umweltprogramms Klaus Töpfer. Die Bevölkerung wachse vor allem in Afrika und Asien. „In welcher Welt leben wir?“, fragte er, bezogen auf die Forderung der USA, die westlichen Staaten sollten wieder mehr in Waffen investieren. Er fragte, ob Waffen wichtiger als Ernährungssicherheit seien. Es gebe keine Entwicklung in der Welt ohne Frieden und keinen Frieden ohne Entwicklung.

Die sogenannte entwickelte Welt lebe eine Wohlstandslüge, da der Wohlstand der Nordhalbkugel von Subventionen abhänge. Es bestehe eine „ökologische Aggression“ des Nordens gegen den Süden. Statt sich als Vorbild zu sehen, müsse sich die westliche Welt darüber bewusst werden und sich ändern, so Töpfer.

Immer weniger Konzerne bestimmten in immer größerem Maße den Agrarsektor, auch in Europa, sagte Harald Ebner, agrarpolitischer Sprecher der Grünen. Oft werde die falsche Behauptung aufgestellt, die Welt könne nur durch Intensivlandwirtschaft und den Einsatz von Pestiziden ernährt werden. Zudem beklagte er, dass die europäische Agrarpolitik noch immer eine Export orientierte Landwirtschaft fördert. Damit die Kleinbauern nicht weiter auf der Strecke blieben, müsse überall Ernährungssouveränität herrschen.

Der kanadische Entwicklungshelfer Pat Mooney hob noch einmal die Wichtigkeit der Bauernrechte hervor. Denn Multikonzerne wie Bayer und Monsanto erlangten durch Fusionen immer mehr Kontrolle über die weltweite Landwirtschaft. Saatgut gehöre in die Hände der Bauern.

Bühler: Der Kampf hat gerade erst begonnen

Michael Windfuhr, stellvertretender Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte in Berlin, sprach am letzten Kongresstag über die Bedeutung der Menschenrechte für den Schutz von Bauern. Ländliche Räume seien insbesondere wegen der politischen Vernachlässigung Regionen mit sehr vielen Menschenrechtsverletzungen. Dabei seien sie von besonderer Bedeutung: In ihnen würden weltweit Nahrungsmittel angebaut und werde über die Zukunft der Böden, der Wasserversorgung, der Artenvielfalt entschieden. Zudem komme es innerhalb der ländlichen Regionen zu Diskriminierungen, etwa von Frauen oder religiösen Minderheiten.

Wenn es um eine Verbesserung der Situation gehe, spielten Menschenrechte eine wichtige Rolle. Denn sie beschrieben unter anderem, wozu Staaten ihren Bürgern gegenüber verpflichtet sind.

Die auf dem Kongress erarbeitete Deklaration könne betroffene Personen ermutigen und ihnen Orientierung bieten. Konventionen führten jedoch nicht dazu, dass die Rechte automatisch umgesetzt werden. Menschenrechte müssten in der Tat erkämpft werden.

Rudolf Bühler dankte am Ende des Bauernkongresses allen Teilnehmern für die gemeinsame Arbeit. Er machte deutlich, dass sie alle dasselbe Schicksal teilen. Nur gemeinsam könnten sie weltweit ihre Grundrechte durchsetzen. Die Erklärung sei ein starkes Mittel, für das es sich zu arbeiten lohne. „Der Kampf hat gerade erst begonnen.“

Sina Hindersmann

Fünf Arbeitsgruppen arbeiteten an Deklaration

Zwischen den vielen Vorträgen internationaler Gäste erarbeiteten die Teilnehmer des Bauernkongresses ihre Deklaration in fünf thematischen und regionalen Arbeitsgruppen. Sie befassten sich mit Landrechtsfragen und Recht auf natürliche Ressourcen, mit Saatgutfragen, tiergenetische Ressourcen, Herausforderungen der neuen GVO-Techniken, mit dem Recht auf Biodiversität und Schutz indigenen Wissens, aber auch mit bürgerlichen Rechten, Schutz vor Repression und Kriminalisierung sowie mit dem Themenblock angemessenes Einkommen, Recht auf Marktzugang und faire Handelsbedingungen. 

http://www.hdb-stiftung.com/index.php/de/projekte/kongress

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